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Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра

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Da ich nun wu?te, da? es seine Richtigkeit hatte mit meinem Verliebtsein, kam Trost in meine Seele. Ich beschlo?, mich geh?rig mit Speis' und Trank zu st?rken, und dann die Kleine aufzusuchen, der ich mein ganzes Herz zugewandt. Eine s??e Ahnung sagte mir, da? sie vor der T?re des Hauses sitze, ich stieg die Treppe hinab, und fand sie wirklich! – O welch ein Wiedersehen! – wie wallte in meiner Brust das Entz?cken, die unnennbare Wonne des Liebesgef?hls. – Miesmies, so wurde die Kleine gehei?en, wie ich von ihr sp?ter erfuhr, Miesmies sa? da in zierlicher Stellung auf den Hinterf??en, und putzte sich, indem sie mit den Pf?tchen mehrmals ?ber die Wangen, ?ber die Ohren fuhr. Mit welcher unbeschreiblichen Anmut besorgte sie vor meinen Augen das, was Reinlichkeit und Eleganz erfordern, sie bedurfte nicht schn?der Toiletten-K?nste, um die Reize, die ihr die Natur verliehen, zu erh?hen! Bescheidner als das erste Mal nahte ich mich ihr, setzte mich zu ihr hin! – Sie floh nicht, sie sah mich an mit forschendem Blick, und schlug dann die Augen nieder. – »Holdeste«, begann ich leise,»sei mein!«—»K?hner Kater«, erwiderte sie verwirrt,»wer bist du? Kennst du mich denn? – Wenn du aufrichtig bist, so wie ich, und wahr, so sage und schw?re mir, da? du mich wirklich liebst!«—»O «rief ich begeistert,»ja bei den Schrecken des Orkus, bei dem heiligen Mond, bei allen sonstigen Sternen und Planeten, die k?nftige Nacht scheinen werden, wenn der Himmel heiter, schw?re ich dir's, da? ich dich liebe!«—»Ich dich auch«, lispelte die Kleine, und neigte in s??er Versch?mung das Haupt mir zu. Ich wollte sie voll Inbrunst umpfoten, da sprangen aber mit teuflischem Geknurre zwei riesige Kater auf mich los, zerbissen, zerkratzten mich kl?glich, und w?lzten mich zum ?berflu? noch in die Gosse, so da? das schmutzige Sp?lwasser ?ber mich zusammenschlug.

Kaum konnt' ich mich aus den Krallen der mordlustigen Bestien retten, die meinen Stand nicht achteten; mit vollem Angstgeschrei lief ich die Treppe hinauf. Als der Meister mich erblickte, rief er, laut lachend:»Murr, Murr, wie siehst du aus? Ha ha! ich merke schon, was geschehen, du hast Streiche machen wollen, wie der im ›Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier‹, und dabei ist's dir ?bel ergangen!«– Und dabei brach der Meister zu meinem nicht geringen Verdru? aufs neue aus in ein schallendes Gel?chter. Der Meister hatte ein Gef?? mit lauwarmem Wasser f?llen lassen, darein st?lpte er mich ohne Umst?nde einigemal ein, so da? mir vor Niesen und Prusten H?ren und Sehen verging, wickelte mich dann fest in Flanell ein, und legte mich in meinen Korb.

Ich war beinahe besinnungslos vor Wut und Schmerz, ich vermochte kein Glied zu r?hren. Endlich wirkte die W?rme wohlt?tig auf mich, ich f?hlte meine Gedanken sich ordnen.»Ha«, klagte ich,»welch neue bittere T?uschung des Lebens! – Das ist also die Liebe, die ich schon so herrlich besungen, die das H?chste sein, die uns mit namenloser Wonne erf?llen, die uns in den Himmel tragen soll! – Ha! – mich hat sie in die Gosse geworfen! – ich entsage einem Gef?hl, das mir nichts eingebracht als Bisse, ein abscheuliches Bad, und niedertr?chtige Einmummung in schn?den Flanell!«– Aber kaum war ich wieder in Freiheit und genesen, als aufs neue Miesmies mir unaufh?rlich vor Augen stand, und ich, jener ausgestandenen Schmach wohl eingedenk, zu meinem Entsetzen gewahrte, da? ich noch in Liebe. Mit Gewalt nahm ich mich zusammen, und las als ein vern?nftiger gelehrter Kater den Ovid nach, da ich mich wohl erinnerte, in der» Ars amandi «auch auf Rezepte gegen die Liebe gesto?en zu sein.

Ich las die Verse:

Venus otia amat. Qui finem quaeris amoris
Cedit amor rebus; res age, tutus eris;

Mit neuem Eifer wollt' ich mich dieser Vorschrift gem?? in die Wissenschaften vertiefen, aber Miesmies h?pfte auf jedem Blatte mir vor den Augen, Miesmies dachte – las – schrieb ich! – Der Autor, dacht' ich mu? andere Arbeit meinen, und da ich von andern Katern geh?rt, da? die M?usejagd ein ungemein angenehmes zerstreuendes Vergn?gen sein solle, war es ja m?glich, das unter den rebus auch die M?usejagd begriffen sein konnte. Ich begab mich daher, sowie es finster worden, in den Keller, und durchstrich die d?stern G?nge indem ich sang:»Im Walde schlich ich still und wild, gespannt mein Feuerrohr – «

Ha! – statt des Wildes, das ich zu jagen trachtete, schaute ich aber wirklich ihr holdes Bild, aus den tiefen Gr?nden trat es wirklich ?berall hervor! Und dabei zerschnitt der herbe Liebesschmerz mein nur zu leicht verwundbar Herz! Und ich sprach:»Lenk auf mich die holden Blicke, Jungfr?ulichen Morgenschein, Und als Braut und Br?ut'gam wandeln Murr und Miesmies selig heim. «Also sprach ich, freud'ger Kater, Hoffend auf des Sieges Preis. – Armer! mit verh?llten Augen floh die scheue Katz dachein! —

So geriet ich Bedaurensw?rdiger immer mehr und mehr in Liebe, die ein feindlicher Stern mir zum Verderben in meiner Brust entz?ndet zu haben schien. W?tend, mich auflehnend gegen mein Schicksal, fiel ich auf's neue her ?ber den Ovid und las die Verse:

Exige quod cantet, si qua est sine voce puella,
Non didicit chordas tangere, posce lyram.

«Ha«, rief ich zu ihr hinauf auf's Dach; – Ha ich werde sie wiederfinden die s??e Huldin, da, wo ich sie zum erstenmal erblickte aber singen soll sie, ja singen, und bringt sie nur eine einzige falsche Note heraus, dann ist's vorbei, dann bin ich geheilt, gerettet. – Der Himmel war heiter, und der Mond bei dem ich der holden Miesmies Liebe zugeschworen, schien wirklich, als ich auf das Dach stieg, um sie zu erlauern. Lange gewahrte ich sie nicht, und meine Seufzer wurden laute Liebesklagen.

Ich stimmte endlich ein Liedlein an im wehm?tigsten Ton, ungef?hr folgenderma?en:

Rauschende W?lder, fl?sternde Quellen
Str?mender Ahnung spielende Wellen
Mit mir o klaget!
Saget o saget!
Miesmies die Holde, wo ist sie gegangen,
J?ngling in Liebe, J?ngling wo hat er,
Miesmies die s??e Huldin umfangen?
Tr?stet den Bangen.
Tr?stet den gramverwilderten Kater!
Mondschein o Mondschein,
Sag' mir wo thront mein
Artiges Kindlein, liebliches Wesen!
W?tender Schmerz kann niemals genesen!
Trostloser liebender kluger Berater,
Eil ihn zu retten
Von Liebesketten!
Hilf ihm, o hilf dem verzweifelnden Kater.

Seht ein, geliebte Leser! da? ein wackerer Dichter weder sich im rauschenden Walde befinden, noch an einer fl?sternden Quelle sitzen darf, ihm str?men der Ahnung spielende Wellen doch zu, und in diesen Wellen erschaut er doch alles, was er will, und kann davon singen wie er will. Sollte jemand ?ber die hohe Vortrefflichkeit obiger Verse zu sehr in Erstaunen geraten, so will ich bescheiden ihn darauf aufmerksam machen, da? ich mich in der Ekstase befand, in verliebter Begeisterung, und nun wei? jeder, da? jedem, der von dem Liebesfieber ergriffen, konnt' er auch sonst kaum Wonne auf Sonne, und Triebe auf Liebe reimen, konnt' er, sag' ich, auf diese nicht ganz ungew?hnlichen Reime trotz aller Anstrengung, sich durchaus nicht besinnen, pl?tzlich das Dichten ankommt und er die vortrefflichsten Verse heraussprudeln mu?, wie einer, der vom Schnupfen befallen, unwiderstehlich ausbricht in schreckliches Niesen. Wir haben dieser Ekstase prosaischer Naturen schon viel Vortreffliches zu verdanken, und sch?n ist es, da? oft dadurch menschliche Miesmiese von nicht sonderlicher beautе auf einige Zeit einen herrlichen Ruf erhielten. Geschieht das nun am d?rren Holz, was mu? sich am gr?nen begeben? – Ich meine, werden schon h?ndische Prosaiker, blo? durch die Liebe umgesetzt in Dichter, was mu? erst wirklichen Dichtern geschehen in diesem Stadium des Lebens? – Nun! weder im rauschenden Walde sa? ich, noch an fl?sternder Quelle, ich sa? auf einem kahlen, hohen Dache, das bi?chen Mondschein war kaum zu rechnen, und doch flehte ich in jenen meisterhaften Versen, W?lder und Quellen und Wellen, und zuletzt meinen Freund Ovid an, mir zu helfen, mir beizustehen in der Liebesnot. Etwas schwer wurde es mir, Reime zu den Namen meines Geschlechts zu finden, den gew?hnlichen Vater wu?te ich selbst in der Begeisterung nicht anzubringen. Da? ich aber wirklich Reime fand, bewies mir auf's neue den Vorzug meines Geschlechts vor dem menschlichen, da auf das Wort Mensch sich bekanntlich nichts reimt, weshalb, wie schon irgend ein Witzbold von Theaterdichter bemerkt hat, der Mensch ein ungereimtes Tier ist. Ich bin dagegen ein gereimtes. – Nicht vergebens hatte ich die T?ne der schmerzhaften Sehnsucht angeschlagen, nicht vergebens W?lder, Quellen, den Mondschein beschworen, mir die Dame meiner Gedanken zuzuf?hren, hinter dem Schornstein kam die Holde daherspaziert mit leichten, anmutigen Schritten.»Bist du es, lieber Murr, der so sch?n singt?«So rief mir Miesmies entgegen.»Wie«, erwiderte ich mit freudigem Erstaunen,»du kennst mich, s??es Wesen?«»Ach, ja wohl«, sprach sie,»du gefielst mir gleich beim ersten Blick, und es hat mir in der Seele weh getan, da? meine beiden unartigen Vettern dich so unbarmherzig in die Gosse«—»Schweigen wir«, unterbrach ich sie,»von der Gosse, bestes Kind – o sage mir, ob du mich liebst?«  —»Ich habe mich«, sprach Miesmies weiter,»nach deinen Verh?ltnissen erkundigt, und erfahren, da? du Murr hie?est, und bei einem sehr g?tigen Mann nicht allein dein reichliches Auskommen h?ttest, sondern auch alle Bequemlichkeiten des Lebens gen?ssest, ja, diese wohl mit einer z?rtlichen Gattin teilen k?nntest! – o ich liebe dich sehr, guter Murr!«—»Himmel, rief ich im h?chsten Entz?cken, ist es m?glich, ist es Traum, ist es Wahrheit? – O halte dich, – halte dich Verstand, schnappe nicht ?ber! – Ha! bin ich noch auf der Erde? – sitze ich noch auf dem Dache? – schwebe ich noch in den Wolken? Bin ich noch der Kater Murr, bin ich nicht der Mann im Monde? – Komm an meinen Busen Geliebte – doch sage mir erst deinen Namen Sch?nste. – Ich hei?e Miesmies, erwiderte die Kleine s?? lispelnd in holder Versch?mtheit, und setzte sich traulich neben mir hin. Wie sch?n sie war! Silbern gl?nzte ihr wei?er Pelz im Mondschein, in sanftem, schmachtendem Feuer funkelten die gr?nen ?uglein. Du —

(Mak. Bl.) – H?ttest, geliebter Leser, das freilich schon etwas fr?her erfahren k?nnen, aber der Himmel gebe, da? ich nicht noch mehr querfeldein springen mu?, als es bis jetzt schon geschehen. – Also, wie gesagt, dem Vater des Prinzen Hektor war es ebenso ergangen wie dem F?rsten Iren?us: er hatte, selbst wu?te er nicht wie, sein L?ndlein aus der Tasche verloren. Prinz Hektor, der zu nichts Wenigerem aufgelegt, als zum stillen, friedlichen Leben, der, unerachtet ihm der F?rstenstuhl unter den Beinen weggezogen, doch gern aufrecht stehen, und statt zu regieren, wenigstens kommandieren wollte, nahm franz?sische Dienste, war ungemein tapfer, ging aber, als ihn eines Tages ein Zitterm?del anpl?rrte:»Kennst du das Land, wo die Zitronen gl?hn?«sofort nach dem Lande, wo dergleichen Zitronen wirklich gl?hn, das hei?t nach Neapel, und zog statt der franz?sischen Uniform eine neapolitanische Uniform an. Er wurde n?mlich so geschwinde General, wie es nur irgendeinem Prinzen geschehen kann. – Als der Vater des Prinzen Hektor gestorben, schlug F?rst Iren?us das gro?e Buch auf, worin er selbst s?mtliche f?rstliche H?upter in Europa verzeichnet, und notierte den erfolgten Tod seines f?rstlichen Freundes und Gef?hrten im Malheur. Nachdem dies geschehen, schaute er lange den Namen des Prinzen Hektor an, rief dann sehr laut:»Prinz Hektor!«und klappte den Folianten so heftig zu, da? der Hofmarschall entsetzt drei Schritte zur?ckprallte. Nun stand der F?rst auf, ging langsam im Zimmer auf und ab, und schnupfte so viel Spaniol, als n?tig, um eine ganze Welt von Gedanken in Ordnung zu bringen. Der Hofmarschall sprach viel von dem seligen Herrn, der n?chst vielen Reicht?mern ein aimables Herz besessen, vom jungen Prinzen Hektor, der verg?ttert werde in Neapel von dem Monarchen und der Nation usw. F?rst Iren?us schien das alles nicht zu beachten, er blieb pl?tzlich dicht vor dem Hofmarschall stehen, schaute ihn an mit dem entsetzlichen Friedrichsblick, sprach sehr stark:»Peut?tre!«und verschwand in das Nebenkabinett.

«Gott«, sprach der Hofmarschall,»der gn?digste F?rst haben gewi? die konsiderabelsten Gedanken, vielleicht gar Pl?ne«.

Es war dem so. – F?rst Iren?us dachte an den Reichtum des Prinzen, an seine Verwandtschaft mit m?chtigen H?uptern, er rief sich die ?berzeugung in's Ged?chtnis, da? Prinz Hektor gewi? noch den Degen mit dem Zepter vertauschen werde, und ihm kam der Gedanke, da? die Verm?hlung des Prinzen mit der Prinzessin Hedwiga von den ersprie?lichsten Folgen sein k?nne. Ganz im geheimsten Geheim mu?te der Kammerherr, den der F?rst sogleich absandte, um dem Prinzen seinerseits namhaftes Beileid ?ber den Tod des Vaters zu bezeigen, das bis auf die Farbe der Haut wohlgetroffene Miniaturbild der Prinzessin in die Tasche stecken. – Es ist hier zu bemerken, da? die Prinzessin in der Tat eine vollendete Sch?nheit zu nennen gewesen, h?tte ihre Haut weniger in's Gelbe gespielt. Daher war ihr die Beleuchtung des Kerzenscheins g?nstig. —

Der Kammerherr richtete den geheimen Auftrag des F?rsten – niemanden, selbst nicht der F?rstin, hatte dieser das mindeste von seiner Absicht vertraut, – sehr geschickt aus. Als der Prinz das Gem?lde sah, geriet er beinahe in dieselbe Ekstase, wie sein prinzlicher Kollege in der» Zauberfl?te«. Wie Tamino h?tte er beinahe, wenn auch nicht gesungen,»Doch gerufen:»dies Bildnis ist bezaubernd sch?n«, und dann weiter:»Soll die Empfindung Liebe sein, ja, ja die Liebe ist's allein!«– Bei Prinzen ist es sonst eben nicht die Liebe allein, die sie streben l??t nach der Sch?nsten, indessen dachte Prinz Hektor gerade nicht an andere Verh?ltnisse, als er sich hinsetzte und an den F?rsten Iren?us schrieb: es m?ge ihm verg?nnet sein, sich um Herz und Hand der Prinzessin Hedwiga zu bewerben.

F?rst Iren?us antwortete, da?, da er mit Freuden in eine Verm?hlung willige, die er schon seines verstorbenen f?rstlichen Freundes halber aus dem Grunde des Herzens w?nsche, es gar keiner weitern Bewerbung eigentlich bed?rfe. Da aber die Form sauviert werden m?sse, m?ge der Prinz einen artigen Mann von dem geh?rigen Stande nach Sieghartsweiler senden, den er ja auch gleich mit Vollmacht versehen k?nne, die Trauung zu vollziehen, und nach altem sch?nem Herkommen, gestiefelt und gespornt, den Bettsprung zu unternehmen. Der Prinz schrieb zur?ck:»Ich komme selbst, mein F?rst!«—

Dem F?rsten war das nicht recht, er hielt die Trauung durch einen Bevollm?chtigten f?r sch?ner, erhabner, f?rstlicher, hatte sich im Innersten auf das Fest gefreut, und beruhigte sich nur damit, da? vor dem Beilager ein gro?es Ordensfest gefeiert werden k?nne. Er wollte n?mlich das Gro?kreuz eines Hausordens, den sein Vater gestiftet hatte, und den kein Ritter mehr trug, nicht tragen durfte, dem Prinzen umh?ngen auf die solenneste Weise.

Prinz Hektor kam also nach Sieghartsweiler, um die Prinzessin Hedwiga heimzuf?hren, und nebenher das Gro?kreuz eines verschollenen Hausordens zu erhalten. Es schien ihm erw?nscht, da? der F?rst seine Absicht geheim gehalten, er bat vorz?glich, r?cksichts Hedwiga's in diesem Schweigen zu verharren, da er erst der vollen Liebe Hedwiga's versichert sein m?sse, ehe er mit seiner Bewerbung hervortreten k?nne.

Der F?rst verstand nicht recht, was der Prinz damit sagen wollte, und meinte, da?, so viel er wisse und sich erinnere, diese Form, was n?mlich die Versicherung der Liebe vor dem Beilager betr?fe, in f?rstlichen H?usern niemals ?blich gewesen sei. Verstehe der Prinz aber darunter weiter nichts, als die ?u?erung eines gewissen Attachements, so d?rfe das vorz?glich w?hrend des Brautstandes wohl eigentlich nicht stattfinden, k?nne aber, da doch die leichtsinnige Jugend ?ber alles, was die Etikette gebiete, hinwegzuspringen geneigt, ja in der K?rze abgemacht werden, drei Minuten vor dem Ringewechseln. Herrlich und erhaben w?r's freilich, wenn das f?rstliche Brautpaar in diesem Augenblick einigen Abscheu gegeneinander bewiese, leider w?ren aber diese Regeln des h?chsten Anstandes in neuester Zeit zu leeren Tr?umen geworden.

Als der Prinz Hedwiga zum erstenmal erblickte, fl?sterte er seinem Adjutanten in, den andern unverst?ndlichem, neapolitanischen Dialekt zu:»Bei allen Heiligen! sie ist sch?n, aber unfern des Vesuvs geboren, und sein Feuer blitzt aus ihren Augen.«

Prinz Ignaz hatte sich bereits sehr angelegentlich erkundigt, ob es in Neapel sch?ne Tassen gebe, und wieviel davon Prinz Hektor besitze, so da? dieser, durch die ganze Tonleiter der Begr??ungen durchgestiegen, sich wieder zu Hedwiga wenden wollte, als die T?ren sich ?ffneten, und der F?rst den Prinzen einlud zu der Prachtszene, die er durch Zusammenberufung s?mtlicher Personen, welche nur im mindesten was Hoff?higes an und in sich trugen, im Prunksaal bereitet. Er war diesmal in dem Ausw?hlen weniger strenge gewesen als sonst, da der Zirkel in Sieghartshof eigentlich f?r eine Landpartie zu achten. Auch die Benzon war zugegen mit Julien.

Prinzessin Hedwiga war still, in sich gekehrt, teilnahmlos, sie schien den sch?nen Fremdling aus dem S?den nicht mehr, nicht weniger zu beachten, als jede andere neue Erscheinung am Hofe, und fragte ziemlich m?rrisch ihr Hoffr?ulein, die rotwangige Nannette, ob sie n?rrisch geworden, als diese nicht aufh?ren konnte, ihr in's Ohr zu fl?stern, der fremde Prinz sei doch gar zu h?bsch und eine sch?nere Uniform habe sie zeit ihres Lebens nicht gesehen.

Prinz Hektor entfaltete nun vor der Prinzessin den bunten prahlenden Pfauenschweif seiner Galanterie, sie, beinahe verletzt durch den Ungest?m seiner s??lichen Verz?cktheit, fragte nach Italien, nach Neapel. Der Prinz gab ihr die Beschreibung eines Paradieses, in dem sie als herrschende G?ttin wandelte. Er bew?hrte sich als ein Meister in der Kunst, zu der Dame so zu sprechen, da? alles, alles sich gestaltet, als ein Hymnus, der ihre Sch?nheit, ihre Anmut preiset. Mitten aus diesem Hymnus sprang aber die Prinzessin heraus, und hin zu Julien, die sie in der N?he gewahrte. Die dr?ckte sie an ihre Brust, nannte sie mit tausend z?rtlichen Namen, rief:»Das ist meine liebe, liebe Schwester, meine herrliche, s??e Julia!«als der Prinz etwas betroffen ?ber Hedwiga's Flucht, hinzutrat. Der Prinz heftete einen langen, seltsamen Blick auf Julien, so da? diese, ?ber und ?ber err?tend, die Augen niederschlug, und sich scheu zur Mutter wandte, die hinter ihr stand. Aber die Prinzessin umarmte sie auf's Neue und rief:»Meine liebe, liebe Julia«, und dabei traten ihr die Tr?nen in die Augen.»Prinzessin«, sprach die Benzon leise,»warum dieses krampfhafte Benehmen?«Die Prinzessin, ohne die Benzon zu beachten, drehte sich zu dem Prinzen, dem wirklich ?ber alles das der Strom der Rede versiegt, und war sie erst still, ernst, mi?m?tig gewesen, so schweifte sie beinahe jetzt aus in seltsamer, krampfhafter Lustigkeit. Endlich lie?en die zu stark gespannten Saiten nach, und die Melodien, die nun aus ihrem Innern heraust?nten, waren weicher, milder, jungfr?ulich zarter. Sie war liebensw?rdiger als jemals, und der Prinz schien ganz und gar hingerissen. Endlich begann der Tanz. Der Prinz, nachdem mehrere T?nze gewechselt, erbot sich, einen neapolitanischen Nationaltanz anzuf?hren, und es gelang ihm bald, den Tanzenden die volle Idee davon zu geben, so da? sich alles gar artig f?gte, und selbst der leidenschaftlich z?rtliche Charakter des Tanzes gut hervortrat.

Niemand hatte aber eben diesen Charakter so ganz begriffen, als Hedwiga, die mit dem Prinzen tanzte. Sie verlangte die Wiederholung, und als der Tanz zum zweitenmal geendet, bestand sie, des Mahnens der Benzon, die auf ihren Wangen schon die verd?chtige Bl?sse wahrnahm, nicht achtend, darauf, zum drittenmal den Tanz auszuf?hren, der ihr nun erst recht gelingen werde. Der Prinz war entz?ckt. Er schwebte hin mit Hedwiga, die in jeder Bewegung die Anmut selbst schien. Bei einer der vielen Verschlingungen, die der Tanz gebot, dr?ckte der Prinz die Holde st?rmisch an die Brust, aber in demselben Augenblicke sank auch Hedwiga entseelt in seinen Armen zusammen. —

Der F?rst meinte, eine unschicklichere St?rung eines Hofballes k?nne es nicht geben, und nur das Land entschuldige vieles. —

Prinz Hektor hatte selbst die Ohnm?chtige in ein benachbartes Zimmer auf ein Sofa getragen, wo ihr die Benzon die Stirne rieb mit irgendeinem starken Wasser, das der Leibarzt zur Hand gehabt. Dieser erkl?rte ?brigens die Ohnmacht f?r einen Nervenzufall, den die Erhitzung des Tanzes veranla?t, und der sehr bald vor?bergehen werde.

Der Arzt hatte recht, nach wenigen Sekunden schlug die Prinzessin mit einem tiefen Seufzer die Augen auf. Der Prinz, sobald er vernommen, die Prinzessin habe sich erholt, drang durch den dichten Kreis der Damen, von dem sie umschlossen, kniete nieder bei dem Sofa, klagte sich bitter an, da? er allein schuld sei an dem Begegnis, das ihm das Herz durchschneide. Sowie die Prinzessin ihn aber erblickte, rief sie mit allen Zeichen des Abscheues:»Fort!«fort, und sank auf's Neue in Ohnmacht.

«Kommen Sie«, sprach der F?rst, indem er den Prinzen bei der Hand erfa?te,»kommen Sie, bester Prinz, Sie wissen nicht, da? die Prinzessin oft an den seltsamsten Reverien leidet. Wei? der Himmel, auf welche sonderbare Weise Sie ihr in diesem Augenblick erschienen sind! – Imaginieren Sie sich, bester Prinz, schon als Kind – entre nous soit dit! – hielt mich einmal die Prinzessin einen ganzen Tag hindurch f?r den Gro?mogul, und pr?tendierte, ich solle in Samtpantoffeln ausreiten, wozu ich mich auch endlich entschlo?, wiewohl nur im Garten.«

Prinz Hektor lachte dem F?rsten ohne Umst?nde in's Gesicht, und rief nach dem Wagen.

Die Benzon mu?te, so wollt' es die F?rstin aus Besorgnis f?r Hedwiga, mit Julien im Schlosse bleiben. Sie wu?te, welche psychische Macht sonst die Benzon ?ber die Prinzessin ?bte, und ebenso, da? dieser psychischen Macht auch Krankheitszuf?lle der Art zu weichen pflegten. In der Tat geschah es auch diesmal, da? Hedwiga in ihrem Zimmer sich bald erholte, als die Benzon ihr unerm?dlich zugeredet mit sanften Worten. Die Prinzessin behauptete nichts Geringeres, als da? im Tanzen der Prinz sich in ein drachenartiges Ungeheuer verwandelt, und mit spitzer, gl?hender Zunge ihr einen Stich ins Herz gegeben habe.»Gott beh?te«, rief die Benzon,»am Ende ist Prinz Hektor gar das mostro turchino aus der Gozzischen Fabel! – Welche Einbildungen! zuletzt wird es sich so begeben, wie mit Kreisler, den Sie f?r einen bedrohlichen Wahnsinnigen hielten!«—»Nimmermehr«, rief die Prinzessin heftig, und setzte dann lachend hinzu: wahrhaftig, ich wollte nicht, da? mein guter Kreisler sich so pl?tzlich in das mostro turchino verwandelte, wie Prinz Hektor!«—

Als am fr?hsten Morgen die Benzon, die bei der Prinzessin gewacht, in Juliens Zimmer trat, kam ihr diese entgegen, erbla?t, ?bern?chtig, das K?pfchen geh?ngt, wie eine kranke Taube.»Was ist Dir, Julie«, rief ihr die Benzon, die nicht gewohnt, die Tochter in solchem Zustande zu sehen, erschrocken entgegen.»Ach Mutter«, sprach Julie ganz trostlos,»ach Mutter, niemals mehr in diese Umgebungen; mein Herz erbebt, wenn ich an die gestrige Nacht denke. – Es ist etwas Entsetzliches in diesem Prinzen; als er mich anblickte, ich kann Dir's nicht beschreiben, was in meinem Innern vorging. – Ein Blitzstrahl fuhr t?tend aus diesen dunklen, unheimlichen Augen, von dem getroffen ich ?rmste vernichtet werden konnte. – Lache mich nicht aus, Mutter, aber es war der Blick des M?rders, der sein Opfer erkoren, das mit der Todesangst get?tet wird, noch ehe der Dolch gez?ckt! – Ich wiederhol' es, ein ganz fremdes Gef?hl, ich vermag es nicht zu nennen, bebte wie ein Krampf mir durch alle Glieder! – Man spricht von Basilisken, deren Blick, ein giftiger Feuerstrahl, augenblicklich t?tet, wenn man es wagt, sie anzuschauen. Der Prinz mag solchem bedrohlichen Untier gleichen.«

«Nun«, rief die Benzon laut lachend,»mu? ich in der Tat glauben, da? es mit dem mostro turchino seine Richtigkeit hat, da der Prinz, ist er gleich der sch?nste, liebensw?rdigste Mann, zweien M?dchen erschienen ist als Drache, als Basilisk. Der Prinzessin traue ich die tollsten Einbildungen zu, aber da? meine ruhige sanfte Julie, mein s??es Kind, sich hingeben sollte, n?rrischen Tr?umen.«—»Und Hedwiga«, unterbrach Julie die Benzon,»ich wei? nicht, welch' eine b?se feindliche Macht sie losrei?en von meinem Herzen, ja mich hineinst?rzen will in den Kampf einer f?rchterlichen Krankheit, der in ihrem Innern w?tet! – Ja, Krankheit nenne ich der Prinzessin Zustand, gegen den die ?rmste nichts vermag. Als sie gestern sich schnell abwandte von dem Prinzen, als sie mich liebkoste, umarmte, da f?hlte ich, wie sie in Fieberhitze gl?hte. Und dann das Tanzen, das entsetzliche Tanzen! Du wei?t Mutter, wie ich die T?nze hasse, in denen es den M?nnern verg?nnt, uns zu umschlingen. – Es ist mir, als m??ten wir in dem Augenblick alles aufgeben, was Sitte und Anstand erfordern und den M?nnern eine ?bermacht einr?umen, die wenigstens den zartf?hlenden unter ihnen unerfreulich bleiben wird. – Und nun Hedwiga, die nicht aufh?ren konnte, jenen s?dlichen Tanz zu tanzen, der mir, je l?nger er dauerte, desto abscheulicher schien. Rechte teuflische Schadenfreude war es, die aus den Augen des Prinzen blitzte – «

«N?rrin«, sprach die Benzon,»was f?llt Dir alles ein! – Doch! – ich kann Deine Gesinnung ?ber das alles nicht tadeln, bewahre sie treulich, aber sei nicht ungerecht gegen Hedwiga, denke ?berhaupt gar nicht weiter nach, was mit ihr ist und mit dem Prinzen, schlage es Dir aus dem Sinn! – Willst Du, so werd' ich daf?r sorgen, da? Du eine Zeitlang weder Hedwiga noch den Prinzen sehen darfst. Nein, Deine Ruhe soll nicht gest?rt werden, mein gutes, liebes Kind! Komm an mein Herz!«– Damit umarmte die Benzon Julien mit aller m?tterlicher Z?rtlichkeit.

«Und«, fuhr Julie fort, indem sie das gl?hende Antlitz an die Brust der Mutter dr?ckte,»aus der entsetzlichen Unruhe, die ich empfand, mochten auch wohl die seltsamen Tr?ume kommen, die mich ganz verst?rt haben.«

«Was tr?umtest Du denn?«fragte die Benzon.

«Mir war's«, sprach Julie weiter,»ich wandle in einem herrlichen Garten, in dem unter dichtem, dunklem Geb?sch Nachtviolen und Rosen durcheinander bl?hten, und ihr s??es Aroma in die L?fte streuten. Ein wunderbarer Schimmer, wie Mondesglanz, ging auf in Ton und Gesang, und wie er die B?ume, die Blumen mit goldnem Strahl ber?hrte, bebten sie vor Entz?cken, und die B?sche s?uselten und die Quellen fl?sterten in leisen, sehns?chtigen Seufzern. Da gewahrte ich aber, da? ich selbst der Gesang sei, der durch den Garten ziehe, doch sowie der Glanz der T?ne verbleiche, m?sse ich auch vergehen in schmerzlicher Wehmut! – Nun sprach aber eine sanfte Stimme: ›Nein! der Ton ist die Seligkeit und keine Vernichtung, und ich halte Dich fest mit starken Armen, und in Deinem Wesen ruht mein Gesang, der ist aber ewig wie die Sehnsucht!«– Es war Kreisler, der vor mir stand und diese Worte sprach. Ein himmlisches Gef?hl von Trost und Hoffnung ging durch mein Inneres, und selbst wu?te ich nicht – ich sage Dir alles, Mutter! – ja selbst wu?te ich nicht, wie es kam, da? ich Kreislern an die Brust sank. Da f?hlte ich pl?tzlich, wie mich eiserne Arme fest umschlangen, und eine entsetzliche, h?hnende Stimme rief:»Was str?ubst Du Dich, Elende, Du bist ja schon get?tet und mu?t nun mein sein.«– Es war der Prinz, der mich festhielt. – Mit einem lauten Angstgeschrei fuhr ich auf aus dem Schlafe, ich warf mein Nachtkleid ?ber, und lief an's Fenster, das ich ?ffnete, da die Luft im Zimmer schw?l und dunstig. In der Ferne gewahrte ich einen Mann, der mit einem Perspektiv nach den Fenstern des Schlosses schaute, dann aber die Allee hinabsprang auf seltsame, ich m?chte sagen, n?rrische Weise, indem er von beiden Seiten allerlei Entrechats und andere T?nzerpas ausf?hrte, mit den Armen in den L?ften herumfocht und, wie ich zu vernehmen glaubte, laut dazu sang. Ich erkannte Kreislern, und indem ich ?ber sein Beginnen herzlich lachen mu?te, kam er mir doch vor, wie der wohlt?tige Geist, der mich sch?tzen w?rde vor dem Prinzen. Ja es war, als w?rde mir jetzt erst Kreislers inneres Wesen recht klar, und ich s?he jetzt erst ein, wie sein schalkisch scheinender Humor, von dem mancher sich oft verwundet f?hle, aus dem treuesten, herrlichsten Gem?te komme. Ich h?tte hinablaufen in den Park, ich h?tte Kreislern alle Angst des entsetzlichen Traums klagen m?gen!«—


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