Die humoristischen T?ne, die der Kapellmeister anschlug, gingen bei dem Ohr der Prinzessin vor?ber, unvernommen oder ?bert?nt von dem Nachhall der Saite, die er ber?hrt, und die, in der weiblichen Brust sch?rfer gespannt, st?rker vibrieren mu?te als alle ?brigen.
«Die Liebe des K?nstlers«, sprach sie, indem sie niedersank in den Lehnstuhl und wie im Nachsinnen den Kopf auf die Hand st?tzte,»die Liebe des K?nstlers! – so geliebt zu werden! – o es ist ein sch?ner herrlicher Traum des Himmels – nur ein Traum, ein leerer Traum.«—
«Sie scheinen«, nahm Kreisler das Wort,»Gn?digste, f?r Tr?ume eben nicht sehr portiert, und doch sind es lediglich die Tr?ume, in denen uns recht die Schmetterlingsfl?gel wachsen, so da? wir dem engsten, festesten Kerker zu entfliehen, uns bunt und gl?nzend in die hohen, in die h?chsten L?fte zu erheben verm?gen. Jeder Mensch hat doch am Ende einen angebornen Hang zum Fliegen, und ich habe ernste honette Leute gekannt, die am sp?ten Abend sich blo? mit Champagner, als einem dienlichen Gas, f?llten um in der Nacht, Luftballon und Passagier zugleich, aufsteigen zu k?nnen.«—
«Sich so geliebt zu wissen«, wiederholte die Prinzessin noch bewegter als vorher.
«Und«, sprach, als die Prinzessin schwieg, Kreisler weiter, was die Liebe des K?nstlers betrifft, wie ich sie zu schildern mich bem?ht, so haben Sie, Gn?digste! freilich das b?se Beispiel des Herrn Leonhard Ettlinger vor Augen, der Musikant war, und lieben wollte wie die guten Leute, wor?ber sein sch?ner Verstand freilich etwas wacklicht werden konnte, aber eben deshalb mein ich, war Herrn Leonhard kein echter Musikant. Diese tragen die erkorne Dame im Herzen und wollen nichts als ihr zu Ehren singen, dichten, malen, und sind in der vorz?glichsten Courtoisie den galanten Rittern zu vergleichen, ja was unschuldsvolle Gesinnung betrifft, ihnen vorzuziehen, da sie nicht verfahren wie sonst diese, die blutd?rstiger Weise, waren nicht gleich Riesen, Drachen bei der Hand, die sch?tzbarsten Leute niederstreckten in den Staub, um der Herzensdame zu huldigen!«—
«Nein«, rief die Prinzessin, wie erwachend aus einem Traum,»es ist unm?glich, da? in der Brust des Mannes ein solch reines Vestas Feuer sich entz?nden sollte! – Was ist die Liebe des Mannes anders, als die verr?terische Waffe, die er gebraucht, einen Sieg zu feiern, der das Weib verdirbt, ohne ihn zu begl?cken.«—
Kreisler wollte sich eben ?ber solche absonderlichen Gesinnungen einer siebzehn-, achtzehnj?hrigen Prinzessin h?chlich verwundern, als die T?re aufging, und Prinz Ignatius hineintrat.
Der Kapellmeister war froh, ein Gespr?ch zu enden, das er sehr gut mit einem wohleingerichteten Duett verglich, in dem jede Stimme ihrem eigent?mlichen Charakter getreu bleiben mu?. W?hrend die Prinzessin, so behauptete er, im wehm?tigen Adagio beharrt, und nur hie und da einen Mordent, einen Pralltriller angebracht, sei er als ein vorz?glicher Buffo und erzkomischer Chanteur mit einer ganzen Legion kurzer Noten parlando dazwischengefahren, so da? er, da das Ganze ein wahres Meisterst?ck der Komposition und der Ausf?hrung zu nennen, nichts weiter gew?nscht, als der Prinzessin und sich selbst zuh?ren zu k?nnen aus irgendeiner Loge oder einem schicklichen Sperrsitz.
Also Prinz Ignatius trat hinein mit einer zerbrochenen Tasse in der Hand, schluchzend und weinend.
Es ist n?tig, zu sagen, da? der Prinz, unerachtet hoch in die zwanzig, doch sich noch immer nicht von den Lieblingsspielen der Kinderjahre trennen konnte. Ganz vorz?glich liebte er sch?ne Tassen, mit denen er stundenlang in der Art spielen konnte, da? er sie in Reihen vor sich hinstellte auf den Tisch, und diese Reihen immer anders und anders ordnete, so da? bald die gelbe Tasse neben der roten, dann die gr?ne bei der roten usw. stehen mu?te. Dabei freute er sich so innig, so herzlich, wie ein frohes zufriedenes Kind.
Das Ungl?ck, wor?ber er jetzt lamentierte, bestand darin, da? ihm der kleine Mops unversehens auf den Tisch gesprungen war, und die sch?nste der Tassen herabgeworfen hatte.
Die Prinzessin versprach, daf?r zu sorgen, da? er eine Mundtasse im neuesten Geschmack aus Paris erhalten solle. Da gab er sich zufrieden, und l?chelte mit dem ganzen Gesicht. Jetzt erst schien er den Kapellmeister zu bemerken. Er wandte sich zu ihm mit der Frage, ob er auch viele sch?ne Tassen besitze. Kreisler wu?te schon, von Meister Abraham hatte er es erfahren, was man darauf zu antworten. Er versicherte n?mlich, da? er keineswegs solche sch?ne Tassen besitze, wie der gn?digste Herr, und da? es ihm auch ganz unm?glich sei, so viel Geld darauf zu verwenden, als der gn?dige Herr es tue.
«Sehn Sie wohl«, erwiderte Ignaz sehr vergn?gt,»ich bin ein Prinz und kann deshalb sch?ne Tassen haben, wie ich nur mag, aber das k?nnen Sie nicht, weil Sie kein Prinz sind, denn weil ich nun einmal ganz gewi? ein Prinz bin, so sind sch?ne Tassen —. «Tassen und Prinzen, und Prinzen und Tassen gingen nun durcheinander in immer mehr verwirrter Rede, und dabei lachte und h?pfte Ignatius und klopfte in die H?nde vor seligem Vergn?gen! – Hedwiga schlug err?tend die Augen nieder, sie sch?mte sich des imbezillen Bruders, sie f?rchtete mit Unrecht Kreisler's Spott, dem nach seiner innersten Gem?tsstimmung, des Prinzen Albernheit, als ein Zustand des wirklichen Wahnsinnes, nur ein Mitleid erregte, das eben nicht wohltun konnte, vielmehr die Spannung des Augenblicks vermehren mu?te. Um den armen nur abzubringen von den unseligen Tassen, bat die Prinzessin ihn, die kleine Handbibliothek in Ordnung zu bringen, die in einem zierlichen Wandschrank aufgestellt war. Ganz vergn?gt, unter fr?hlichem Gel?chter, begann der Prinz sogleich die sauber gebundenen B?cher herauszunehmen, und sie, nach dem Format sorglich ordnend, so hinzustellen, da? die goldnen Schnitte nach au?en stehend eine blanke Reihe formten, wor?ber er sich ?ber alle Ma?en freute.
Fr?ulein Nannette st?rzte hinein, und rief laut:»Вer F?rst, der F?rst mit dem Prinzen!«—»O mein Gott«, sprach die Prinzessin,»meine Toilette, in der Tat, Kreisler, wir haben die Stunden verplaudert, ohne daran zu denken. – Ich habe mich ganz vergessen! Mich und den F?rsten und den Prinzen. «Sie verschwand mit Nannetten in das Nebengemach. Prinz Ignaz lie? sich in seinem Gesch?ft gar nicht st?ren.
Schon rollte der Staatswagen des F?rsten heran; als Kreisler sich unten an der Haupttreppe befand, stiegen eben die beiden Laufer in Staatslivree aus der Wurst. – Das mu? n?her erkl?rt werden.
F?rst Iren?us lie? nicht ab von dem alten Brauch; und so hatte er zur selben Zeit, als kein schnellf??iger Hanswurst in bunter Jacke vor den Pferden herzulaufen gen?tigt, wie ein gehetztes Tier, in der zahlreichen Dienerschaft von allen Waffen auch noch zwei Laufer, artige h?bsche Leute von gesetzten Jahren, wohlgef?ttert, und nur zuweilen von Unterleibsbeschwerden geplagt, wegen der sitzenden Lebensweise. Viel zu menschenfreundlich war n?mlich der F?rst gesinnt, um irgendeinem Diener zuzumuten, da? er sich zu Zeiten umsetzte in ein Windspiel, oder einen andern vergn?gten K?ter, um indessen doch die geh?rige Etikette im Ansehen zu erhalten, mu?ten die beiden Laufer, fuhr der F?rst in Gala aus, vorauffahren auf einer passablen Wurst, und an schicklichen Stellen, wo z. B. einige Gaffer sich versammelt, etwas die Beine r?hren als Andeutung des wirklichen Laufs. – Es war h?bsch anzusehen. —
Also, – die Laufer waren eben ausgestiegen, die Kammerherrn traten ins Portal, und ihnen folgte F?rst Iren?us, an dessen Seite ein junger Mann von stattlichem Ansehen daherschritt, in reicher Uniform der neapolitanischen Garde, Sterne und Kreuze auf der Brust. – »Je vous salue Monsieur de Kr?sel «sprach der F?rst, als er Kreisler erblickte. – Kr?sel pflegte er zu sagen, statt Kreisler, wenn er bei festlichen feierlichen Gelegenheiten franz?sisch sprach, und sich auf keinen deutschen Namen recht besinnen konnte. Der fremde Prinz – denn den jungen stattlichen Mann hatte doch wohl die Fr?ulein Nannette gemeint, als sie rief, da? der F?rst komme mit dem Prinzen – nickte Kreislern im Vorbeigehen fl?chtig zu mit dem Kopfe, eine Art der Begr??ung, die Kreislern selbst von den vornehmsten Personen ganz unausstehlich war. Er b?ckte sich daher bis tief an die Erde auf solch burleske Weise, da? der dicke Hofmarschall, der ?berhaupt Kreislern f?r einen ausgemachten Spa?macher, und alles f?r Spa? hielt, was er tat und sprach, nicht umhin konnte, etwas zu kichern. Der junge F?rst warf aus seinen dunklen Augen Kreislern einen gl?henden Blick zu, murmelte zwischen den Z?hnen:»Hasenfu?«, und schritt dann schnell dem F?rsten nach, der sich mit milder Gravit?t nach ihm umschaute. – »F?r einen italienischen Gardisten«, rief Kreisler laut lachend dem Hofmarschall zu,»spricht der durchlauchtige Herr ein passables Deutsch, sagen Sie ihm, beste Exzellenz, da? ich ihm daf?r mit dem auserlesensten Neapolitanisch dienen und dabei kein artiges Romanisch, am wenigsten aber als Gozzische Maske schn?des Venetianisch einschw?rzen, kurz kein X f?r ein U machen will. – Sagen Sie ihm, beste Exzellenz —. «Aber die Exzellenz stieg schon, die Schultern hoch heraufgezogen, als Bollwerk und Schutzschanze der Ohren, die Treppe hinauf. —
Der f?rstliche Wagen, mit dem Kreisler gew?hnlich nach Sieghartshof zu fahren pflegte, hielt, der J?ger ?ffnete den Schlag und fragte ob's gef?llig w?re. In dem Augenblick rannte aber ein K?chenjunge vorbei, heulend und schreiend.»Ach das Ungl?ck – ach das Malheur!«—»Was ist geschehen«, rief ihm Kreisler nach. Ach das Ungl?ck, erwiderte der K?chenjunge noch heftiger weinend,»da drinnen liegen der Herr Oberk?chenmeister in der Verzweiflung, in purer Raserei, und wollen sich durchaus das Ragoutmesser in den Leib sto?en, weil der gn?digste Herr pl?tzlich befohlen hat zu soupieren, und es ihm an Muscheln fehlt zum italienischen Salat. Er will selbst nach der Stadt, und der Herr Oberstallmeister weigern sich anspannen zu lassen, da es an einer Ordre des gn?digsten Herrn fehlt.«—»Da ist zu helfen«, sprach Kreisler,»der Herr Oberk?chenmeister steige in gegenw?rtigen Wagen, und versehe sich mit den sch?nsten Muscheln in Sieghartsweiler, w?hrend ich zu Fu? nach selbiger Stadt promeniere.«– Damit rannte er fort in den Park.
«Gro?e Seele – edles Gem?t – scharmanter Herr!«rief ihm der alte J?ger nach, indem ihm die Tr?nen in die Augen traten.
In den Flammen des Abendrots stand das ferne Gebirge, und der goldne gl?hende Widerschein gleitete spielend ?ber den Wiesenplan, durch die B?ume, durch die B?sche, wie getrieben von dem Abendwinde, der sich s?uselnd erhoben.
Kreisler blieb mitten auf der Br?cke stehen, die ?ber einen breiten Arm des Sees nach dem Fischerh?uschen f?hrte, und schaute in das Wasser hinab, in dem sich der Park mit seinen wunderbaren Baumgruppen, der hoch dar?ber emporragende Geierstein, der seine wei?blinkenden Ruinen auf dem Haupte wie eine seltsame Krone trug, abspiegelte in magischem Schimmer. Der zahme Schwan, der auf den Namen Blanche h?rte, pl?tscherte auf dem See daher, den sch?nen Hals stolz emporgehoben, rauschend mit den gl?nzenden Schwingen.»Blanche, Blanche«, rief Kreisler laut indem er beide Arme weit ausstreckte,»singe dein sch?nstes Lied, glaube ja nicht, da? du dann sterben mu?t! du darfst dich nur singend an meine Brust schmiegen, dann sind deine herrlichsten T?ne mein, und nur ich gehe unter in br?nstiger Sehnsucht, w?hrend du in Liebe und Leben daherschwebst auf den kosenden Wellen! «– Selbst wu?te Kreisler nicht, was ihn pl?tzlich so tief bewegte, er st?tzte sich auf das Gel?nder, schlo? unwillk?rlich die Augen. Da h?rte er Julia's Gesang, und ein unnennbar s??es Weh durchbebte sein Inneres.
D?stere Wolken zogen daher, und warfen breite Schatten ?ber das Gebirge, ?ber den Wald, wie schwarze Schleier. Ein dumpfer Donner dr?hnte im Morgen; st?rker sauste der Nachtwind, rauschten die B?che, und dazwischen schlugen einige T?ne der Wetterharfe an, wie ferne Orgelkl?nge, aufgescheucht erhob sich das Gefl?gel der Nacht, und schweifte kreischend durch das Dickicht.
Kreisler erwachte aus dem Traume, und erblickte seine dunkle Gestalt im Wasser. Da war es ihm, als schaue ihn Ettlinger, der wahnsinnige Maler, an aus der Tiefe.»Hoho«, rief er hinab,»bist Du da geliebter Doppelg?nger, wackerer Kumpan? – H?re, mein ehrlicher Junge, f?r einen Maler, der etwas ?ber die Schnur gehauen, der im stolzen ?bermut f?rstliches Herzblut verbrauchen wollte, statt Firnis, siehst Du passabel genug aus. – Ich glaube am Ende, guter Ettlinger, da? Du illustre Familien genarrt hast mit Deinem wahnsinnigen Treiben! – Je l?nger ich Dich anschaue, desto mehr gewahre ich an Dir die vornehmsten Manieren, und so Du magst, will ich der F?rstin Maria versichern, Du w?rst, was Deinen Stand oder Deine Lage im Wasser betrifft, ein Mann von dem importantesten Range, und sie k?nne Dich lieben ohne alle weiteren Umst?nde. – Willst Du aber, Kumpan, da? die F?rstin noch jetzt Deinem Bilde gleiche, so mu?t Du es nachtun dem f?rstlichen Dilettanten, der seine Portr?ts ausglich mit den zu portr?tierenden, durch geschicktes Anpinseln der letztern. – Nun! – haben sie Dich einmal unverdienter Weise hinabgeschickt in den Orkus, so trage ich Dir hiermit allerlei Neuigkeiten zu! – Wisse, verehrter Tollhauskolonist, da? die Wunde, die Du dem armen Kinde, der sch?nen Prinzessin Hedwiga beibrachtest, noch immer nicht recht geheilt ist, so da? sie vor Schmerz manchmal allerlei Faxen macht. Trafst Du denn ihr Herz so hart, so schmerzlich, da? ihr noch jetzt hei?es Blut entquillt, wenn sie deine Larve erblickt, so wie Leichname bluten, wenn der M?rder hinantritt? Rechne es mir nicht zu, Guter, da? sie mich f?r ein Gespenst h?lt, und zwar f?r das Deinige. – Aber bin ich so recht in voller Lust ihr zu beweisen, da? ich kein schn?der Revenant bin, sondern der Kapellmeister Kreisler, dann kommt mir der Prinz Ignatius in die Quere, der offenbar an einer paranoia laboriert, an einer fatuitas, stoliditas, die nach Kluge eine sehr angenehme Sorte der eigentlichen Narrheit ist. – Mache mir nicht alle Gesten nach, Maler, wenn ich ernsthaft mit Dir rede! – Schon wieder? F?rchtete ich mich nicht vor dem Schnupfen, ich spr?nge zu Dir hinab, und pr?gelte Dich erklecklich! – Schere Dich zum Teufel, halunkischer Mimiker!«
Kreisler sprang schnell fort.
Es war nun ganz finster geworden, Blitze leuchteten durch die schwarzen Wolken, der Donner rollte, und der Regen begann in gro?en Tropfen herabzufallen. Aus dem Fischerh?uschen strahlte ein helles blendendes Licht, dem eilte Kreisler entgegen.
Unfern der T?re, im vollen Schimmer des Lichts, erblickte Kreisler sein Ebenbild, sein eigenes Ich, das neben ihm daherschritt. Vom tiefsten Entsetzen erfa?t, st?rzte Kreisler hinein in das H?uschen, sank atemlos, zum Tode erbleicht, in den Sessel.
Meister Abraham, der vor einem kleinen Tische sa?, auf dem eine Astrallampe ihre blendenden Strahlen umherwarf, in einem gro?en Folianten lesend, fuhr erschrocken in die H?he, nahte sich Kreisler, rief:»Um des Himmels willen, was ist Euch, Johannes, wo kommt Ihr her am sp?ten Abend – was hat Euch so entsetzt!«—
Mit M?he ermannte sich Kreisler, und sprach dann mit dumpfer Stimme:»Es ist nun nicht anders, wir sind unserer Zwei – ich meine, ich und mein Doppelg?nger, der aus dem See gesprungen ist, und mich verfolgt hat, hieher. – Seid barmherzig Meister, nehmt Euern Dolchstock, sto?t den Halunken nieder – er ist rasend, glaubt mir das, und kann uns beide verderben. Er hat drau?en das Wetter heraufbeschworen. – Die Geister r?hren sich in den L?ften, und ihr Choral zerrei?t die menschliche Brust! – Meister – Meister, lockt den Schwan herbei, – er soll singen – erstarrt ist mein Gesang, denn der Ich hat seine wei?e kalte Totenhand auf meine Brust gelegt, die mu? er wegziehen, wenn der Schwan singt – und sich wieder untertauchen in den See.«– Meister Abraham lie? Kreislern nicht weiter reden, er sprach ihm zu mit freundschaftlichen Worten, n?tigte ihm einige Gl?ser eines feurigen italienischen Weins ein, den er eben zur Hand hatte, und fragte ihm dann nach und nach ab, wie sich alles begeben.
Aber kaum hatte Kreisler geendet, als Meister Abraham laut lachend rief.»Da sieht man den eingefleischten Phantasten, den vollendeten Geisterseher! – Was den Organisten betrifft, der Euch drau?en in dem Park schauerliche Chorale vorgespielt hat, so ist das niemand anders gewesen, als der Nachtwind, der durch die L?fte brausend, daher fuhr, und vor dem die Saiten der Wetterharfe erklangen. Ja ja, Kreisler, die Wetterharfe habt Ihr vergessen, die zwischen den beiden Pavillons am Ende des Parks aufgespannt ist. Und was Euern Doppelg?nger betrifft, der im Schimmer meiner Astrallampe neben Euch her lief, so will ich Euch sogleich beweisen, da?, sobald ich nur vor die T?re trete, auch mein Doppelg?nger bei der Hand ist, ja, da? ein jeder, der zu mir hineintritt, solch einen Chevalier d'Honneur seines Ichs an der Seite leiden mu?.
Meister Abraham trat vor die T?re, und sogleich stand in dem Schimmer ein zweiter Meister Abraham ihm zur Seite.
Kreisler merkte die Wirkung eines verborgenen Hohlspiegels, und ?rgerte sich, wie jeder, dem das Wunderbare, woran er geglaubt, zu Wasser gemacht wird. Dem Menschen behagt das tiefste Entsetzen mehr, als die nat?rliche Aufkl?rung dessen, was ihm gespenstisch erschienen, er will sich durchaus nicht mit dieser Welt abfinden lassen; er verlangt etwas zu sehen aus einer andern, die des K?rpers nicht bedarf, um sich ihm zu offenbaren.
«Ich kann, nun einmal, Meister, «sprach Kreisler,»Euren seltsamen Hang zu solchen Foppereien nicht begreifen. Ihr pr?pariert das Wunderbare wie ein geschickter Mundkoch, aus allerlei scharfen Ingredienzien, und meint, da? die Menschen, deren Phantasie, wie der Magen der Schlemmer, flau geworden, irritiert werden m?ssen durch solches Unwesen. Nichts ist abgeschmackter, als wenn man bei solchen vermaledeiten Kunstst?ckchen, die einem die Brust zusammenschn?ren, dahinterkommt, da? alles nat?rlich zugegangen.«
«Nat?rlich! – nat?rlich», rief Meister Abraham,»als ein Mann vom ziemlichen Verstande, solltet Ihr doch einsehen, da? nichts in der Welt nat?rlich zugeht, gar nichts! – Oder glaubt Ihr, werter Kapellmeister, da? deshalb, weil wir mit uns zu Gebote stehenden Mitteln eine bestimmte Wirkung hervorzubringen verm?gen, uns die aus dem geheimnisvollen Organism str?mende Ursache der Wirkung klar vor Augen liegt? – Ihr habt doch sonst vielen Respekt vor meinen Kunstst?cken gehabt, unerachtet Ihr die Krone davon niemals schautet.«—»Ihr meint das unsichtbare M?dchen, «sprach Kreisler.
«Allerdings«, fuhr der Meister fort,»eben dieses Kunstst?ck – es ist wohl mehr als das – w?rde Euch bewiesen haben, da? die gemeinste am leichtesten zu berechnende Mechanik oft mit den geheimnisvollsten Wundern der Natur in Beziehung treten, und dann Wirkungen hervorbringen kann, die unerkl?rlich, – selbst dies Wort im gew?hnlichen Sinn genommen, bleiben m?ssen.»Hm«, sprach Kreisler, wenn Ihr nach der bekannten Theorie des Schalls verfuhret, den Apparat geschickt zu verbergen wu?tet, und ein schlaues gewandtes Wesen an der Hand hattet – «
«O Chiara», rief Meister Abraham, indem Tr?nen in seinen Augen perlten,»o Chiara mein s??es liebes Kind!«
Kreisler hatte noch nie den Alten so tief bewegt gesehen, wie dieser denn von jeher keiner wehm?tigen Empfindung Raum geben wollte, sondern dergleichen wegzuspotten pflegte.
«Was ist das mit der Chiara?«fragte der Kapellmeister.
«Es ist wohl dumm«, sprach der Meister l?chelnd,»da? ich Euch heute erscheinen mu?, wie ein alter weinerlicher Geck, aber die Gestirne wollen es nun einmal, da? ich von einem Moment meines Lebens mit Euch reden soll, ?ber den ich so lange schwieg. – Kommt her, Kreisler, schaut dieses gro?e Buch, es ist das merkw?rdigste, was ich besitze, das Erbst?ck eines Tausendk?nstlers, Severino gehei?en, und eben sitze ich da und lese die wunderbarsten Sachen, und schaue die kleine Chiara an, die darin abgebildet, und da st?rzt Ihr herein, au?er Euch selbst, und verachtet meine Magie in dem Augenblick, als ich eben in der Erinnerung schwelge an ihr sch?nstes Wunder, das mein war in der Bl?tezeit meines Lebens!«
«Nun erz?hlt nur«, rief Kreisler,»damit ich stracks mit Euch heulen kann – «
«Es ist nun eben nicht sehr merkw?rdig«, begann Meister Abraham,»da? ich, sonst ein junger kr?ftiger Mann, von ganz h?bschem Ansehn, aus ?bertriebenem Eifer und gro?er Ruhmbegier, mich matt und krank gearbeitet hatte an der gro?en Orgel in der Hauptkirche zu G?ni?nesm?hl. Der Arzt sprach: ›Laufen Sie, werter Orgelbauer, laufen Sie ?ber Berg und Tal, weit in die Welt hinein‹, und das tat ich denn wirklich, indem ich mir den Spa? machte, ?berall als Mechaniker aufzutreten, und den Leuten die artigsten Kunstst?cke vorzumachen. Dies ging recht gut, und brachte viel Geld ein, bis ich auf den Mann stie?, Severino gehei?en, der mich derb auslachte mit meinen Kunstst?ckchen, und durch manches mich beinahe dahin gebracht h?tte, mit dem Volk zu glauben, er stehe mit dem Teufel oder wenigstens mit andern honetteren Geistern im Bunde. Das mehreste Aufsehen erregte sein weibliches Orakel, ein Kunstst?ck, das eben sp?ter unter dem Namen des unsichtbaren M?dchens bekannt worden. Mitten im Zimmer, von der Decke herab, hing frei eine Kugel von dem feinsten, klarsten Glase, und aus dieser Kugel str?mten, wie ein linder Hauch, die Antworten auf die an das unsichtbare Wesen gerichteten Fragen. Nicht allein das unbegreiflich scheinende dieses Ph?nomens, sondern auch die ins Herz dringende, das Innerste erfassende Geisterstimme der Unsichtbaren, das Treffende ihrer Antworten, ja ihre wahrhafte Weissagungsgabe, verschaffte dem K?nstler unendlichen Zulauf. Ich dr?ngte mich an ihn, ich sprach viel von meinen mechanischen Kunstst?cken, er verachtete aber, wiewohl im andern Sinn, als Ihr es tut, Kreisler, all mein Wissen, und bestand darauf, ich sollte ihm eine Wasserorgel bauen zu seinem h?uslichen Gebrauch, unerachtet ich ihm bewies, da?, wie auch der verstorbene Herr Hofrat Meister zu G?ttingen, in seinem Traktat: ›De veterum Hydraulo‹ versichre, an einem solchen Hydraulos gar nichts sei, und nichts erspart werde, als einige Pfund Luft, die man, dem Himmel sei es gedankt, doch noch ?berall umsonst haben k?nne. Endlich beteuerte Severino, er brauche die sanfteren T?ne eines solchen Instruments, um der Unsichtbaren beizustehen, und er wolle mir das Geheimnis entdecken, wenn ich auf das Sakrament schw?re, es weder selbst zu gebrauchen, noch andern zu entdecken, wiewohl er glaube, da? es nicht leicht m?glich sein werde, sein Kunstwerk nachzuahmen, ohne – hier stockte er und machte ein geheimnisvolles, s??es Gesicht, wie weiland Cagliostro, wenn er von seinen zaubrischen Verz?ckungen zu Weibern sprach. Voll Begier, die Unsichtbare zu schauen, versprach ich die Wasserorgel zu verfertigen, so gut es ginge, und nun schenkte er mir sein Zutrauen, – gewann mich sogar lieb, als ich ihm willig Beistand leistete in seinen Arbeiten. Eines Tages, eben wollte ich zu Severino gehen, war das Volk auf der Stra?e zusammengelaufen. Man sagte mir, ein anst?ndig gekleideter Mann sei ohnm?chtig zu Boden gefallen. Ich dr?ngte mich durch, und erkannte Severino, den man eben aufhob und ins n?chste Haus trug. Ein Arzt, der des Weges gekommen, nahm sich seiner an. Severino schlug, nachdem verschiedene Mittel angewandt, mit einem tiefen Seufzer die Augen auf. Der Blick, mit dem er unter den krampfhaft zusammengezogenen Augenbrauen mich anstarrte, war furchtbar, alle Schrecken des Todeskampfs gl?hten darin in d?strem Feuer. Seine Lippen bebten, er versuchte zu reden, und vermocht's nicht. Endlich schlug er einigemal heftig mit der Hand auf die Westentasche. Ich fa?te hinein, und zog einige Schl?ssel hervor. ›Das sind die Schl?ssel Eurer Wohnung‹, sprach ich, er nickte mit dem Kopfe. ›Das ist‹, fuhr ich fort, indem ich ihm einen von den Schl?sseln vor Augen hielt, ›der Schl?ssel zu dem Kabinett, in das Ihr mich niemals hineinlassen wolltet.‹ Er nickte auf's neue. Als ich aber weiter fragen wollte, begann er wie in f?rchterlicher Angst zu ?chzen und zu st?hnen, kalte Schwei?tropfen standen ihm auf der Stirne, er breitete die Arme aus, und bog sie im Zirkel zusammen, wie wenn man etwas umfa?t, und wies auf mich. ›Er will‹, sprach der Arzt, ›da? Sie seine Sachen, seine Apparate, in Sicherheit bringen, vielleicht; stirbt er, behalten sollen?‹ Severino nickte st?rker mit dem Kopfe, schrie endlich: ›Corre!‹ und sank auf's neue ohnm?chtig zur?ck. Schnell eilte ich nun nach Severinos Wohnung, vor Neugier, vor Erwartung bebend, ?ffnete ich das Kabinett, in dem die geheimnisvolle Unsichtbare verschlossen sein mu?te, und erstaunte nicht wenig, als ich es ganz leer fand. Das einzige Fenster war dicht verh?ngt, so da? das Licht nur hinein d?mmerte, und ein gro?er Spiegel hing an der Wand, der T?re des Zimmers gegen?ber. Sowie ich zuf?llig vor diesen Spiegel trat, und meine Gestalt im schwachen Schimmer erblickte, durchstr?mte mich ein seltsames Gef?hl, als bef?nde ich mich auf dem Isolierstuhl einer Elektrisiermaschine. In demselben Augenblick sprach die Stimme des unsichtbaren M?dchens auf italienisch: ›Verschont mich nur heute Vater! Gei?elt mich nicht so grausam, Ihr seid ja doch nun gestorben!‹ – Schnell ?ffnete ich die T?re des Zimmers, so, da? das volle Licht hineinstr?mte, aber keine lebendige Seele konnt' ich erblicken. ›Es ist gut, Vater‹, sprach die Stimme, ›da? Ihr Herrn Liscov geschickt habt, aber der l??t es nicht mehr zu, da? Ihr mich gei?elt, er zerbricht den Magnet, und Ihr k?nnt nicht mehr aus dem Grabe heraus, in das er Euch legen l??t, Ihr m?get Euch str?uben, wie Ihr wollt, denn Ihr seid doch nun ein Verstorbener, und geh?rt nicht mehr dem Leben.‹ Ihr k?nnt wohl denken, Kreisler, da? mich tiefe Schauer durchbebten, da ich niemand sah, und die Stimme doch dicht vor meinen Ohren schwebte. ›Teufel‹, sprach ich laut, um mich zu ermutigen, ›s?h ich nur irgendwo ein lumpiges Fl?schchen, so w?rd ich es zerschmei?en, und der diable boiteux st?nde, seinem Kerker entronnen, leibhaftig vor mir, aber so – ‹ Nun kam es mir pl?tzlich vor, als gingen die leisen Seufzer, die durch das Kabinett wehten, aus einem Verschlage hervor, der in der Ecke stand, und mir viel zu klein schien, um ein menschliches Wesen zu beherbergen. Doch springe ich hin, ?ffne den Schieber, und zusammengekr?mmt, wie ein Wurm, liegt ein M?dchen darin, starrt mich an mit gro?en, wunderbar sch?nen Augen, streckt endlich mir den Arm entgegen, als ich rufe: ›Komm heraus, mein L?mmchen, komm heraus meine kleine Unsichtbare!‹ – Ich fasse endlich die Hand, die sie emporh?lt, und ein elektrischer Schlag f?hrt mir durch alle Glieder.‹ – ›Halt, Meister Abraham«, rief Kreisler,»was ist das, als ich zum erstenmal zuf?llig der Prinzessin Hedwiga Hand ber?hrte, ging es mir ebenso, und noch immer, wiewohl schw?cher, f?hl' ich dieselbe Wirkung, wenn sie mir sehr gn?dig die Hand reicht.»Hoho«, erwiderte Meister Abraham, am Ende ist unser Prinze?lein eine Art von Gymnotus electricus oder Raja torpedo oder Trichiurus indicus, wie in gewisser Art meine s??e Chiara es war, oder auch wohl nur eine muntere Hausmaus, wie jene, die dem wackern Signor Cotugno eine t?chtige Ohrfeige versetzte, als er sie beim R?cken erfa?te, um sie zu sezieren, was Ihr freilich mit der Prinzessin nicht im Sinn haben konntet! – Doch sprechen wir ein andermal von der Prinzessin, und bleiben wir jetzt bei meiner Unsichtbaren! – Als ich, erschrocken ?ber den unvermuteten Schlag des kleinen Torpedo zur?ckprallte, sprach das M?dchen mit wunderbar anmutigem Ton auf deutsch:»Ach, nehmet es doch nur ja nicht ?bel, Herr Liscov, aber ich kann nicht anders, der Schmerz war gar zu gro?.«– Ohne mich weiter mit meinem Erstaunen aufzuhalten, fa?te ich die Kleine sanft bei den Schultern, zog sie aus dem abscheulichen Gef?ngnis, und ein zart gebautes, liebliches Ding in der Gr??e eines zw?lfj?hrigen M?dchens, nach der k?rperlichen Ausbildung zu urteilen aber wenigstens sechzehn Jahre alt, stand vor mir. Schaut nur dort in's Buch hinein, das Bild ist ?hnlich, und Ihr werdet gestehen m?ssen, da? es kein lieblicheres, ausdrucksvolleres Antlitz geben kann, wozu Ihr aber rechnen m??t, da? das wunderbare, das Innerste entz?ndende Feuer der sch?nsten schwarzen Augen in keinem Bilde zu erreichen. Jeder, der nicht auf eine Schneehaut und Flachshaar erpicht ist, mu?te das Gesichtlein f?r vollendet sch?n anerkennen, denn freilich war die Haut meiner Chiara etwas zu braun, und ihr Haar gl?nzte im brennenden Schwarz. – Chiara – Ihr wi?t nun schon, da? die kleine Unsichtbare so gehei?en war – Chiara fiel vor mir nieder, ganz Wehmut und Schmerz, ein Tr?nenstrom st?rzte ihr aus den Augen, und sie sprach mit einem unnennbaren Ausdruck: ›Je suis sauvеe.‹ Ich f?hlte mich von dem tiefsten Mitleid durchdrungen, ich ahnte entsetzliche Dinge! – Man brachte jetzt Severinos Leiche, ein zweiter Anfall des Schlages hatte ihn, gleich nachdem ich ihn verlassen, get?tet. Sowie Chiara den Leichnam gewahrte, versiegten ihre Tr?nen, sie schaute den toten Severino an mit ernstem Blick, und entfernte sich dann, als die Leute, die mitgekommen, sie neugierig betrachteten und lachend meinten, das sei wohl gar am Ende das unsichtbare M?dchen in dem Kabinett. Ich fand es unm?glich, das M?dchen allein zu lassen bei dem Leichnam, die gutm?tigen Wirtsleute erkl?rten sich bereit, sie bei sich aufzunehmen. Als ich nun aber, nachdem sich alles entfernt, hineintrat in's Kabinett, sa? Chiara vor dem Spiegel in dem seltsamsten Zustande. Mit fest auf den Spiegel gerichteten Augen schien sie nichts zu gewahren, gleich einer Monds?chtigen. Sie lispelte unverst?ndliche Worte, die aber immer deutlicher und deutlicher wurden, bis sie, deutsch, franz?sisch, italienisch, spanisch, wechselnd von Dingen sprach, die sich auf entfernte Personen zu beziehen schienen. – Ich bemerkte zu meinem nicht geringen Erstaunen, da? gerade die Stunde eingetreten, in der Severino das weibliche Orakel reden zu lassen pflegte. – Endlich schlo? Chiara die Augen, und schien in tiefen Schlaf verfallen. Ich nahm das arme Kind in meine Arme, und trug sie herab zu den Wirtsleuten. Am andern Morgen fand ich die kleine heiter und ruhig, erst jetzt schien sie ihre Freiheit ganz zu begreifen, und erz?hlte alles, was ich zu wissen verlangte. – Es wird Euch nicht verschnupfen, Kapellmeister, unerachtet Ihr sonst auf gute Geburt was haltet, da? meine kleine Chiara nichts anders war, als ein Zigeunerm?gdlein, die mit einer ganzen Bande des schmutzigen Volks auf dem Markte in irgendeiner gro?en Stadt, von H?schern bewacht, sich von der Sonne braten lie?, als eben Severino vor?berging. ›Blanker Bruder, soll ich Dir wahrsagen?‹ rief ihm das achtj?hrige M?dchen an. Severino sah der Kleinen lange in die Augen, lie? sich dann wirklich die Z?ge seines Handtellers deuten, und ?u?erte ein besonderes Erstaunen. Er mu?te etwas ganz Besonderes an dem M?dchen gefunden haben, denn sogleich trat er zu dem Polizei-Lieutenant, der den Zug der verhafteten Zigeuner f?hrte, und meinte, er wolle was Erkleckliches geben, wenn es ihm verg?nnt w?rde, das Zigeunerm?dchen mit sich zu nehmen. Der Polizei-Lieutenant erkl?rte barsch, es sei hier kein Sklavenmarkt; setzte indessen hinzu, da die Kleine doch eigentlich nicht zu den wirklichen Menschen zu rechnen, und das Zuchthaus nur molestiere, so st?nde sie zu Befehl, wenn der Herr zehn Dukaten zur Stadtarmenkasse zahlen wolle. Severino zog sogleich seinen Beutel hervor, und z?hlte die Dukaten ab. Chiara und ihre alte Gro?mutter, beide hatten die ganze Verhandlung geh?rt, fingen an zu heulen und zu schreien, und wollten sich nicht trennen, da traten aber die H?scher hinzu, schmissen die Alte auf den Leiterwagen, der zum Abfahren bereit stand; der Polizei-Lieutenant, der vielleicht seinen Beutel in dem Augenblick f?r die Stadtarmenkasse halten mochte, steckte die blanken Dukaten ein, und Severino schleppte die kleine Chiara fort, die er dadurch m?glichst zu beruhigen suchte, da? er ihr auf demselben Markt, wo er sie gefunden, ein h?bsches neues R?cklein kaufte, und sie ?berdies mit Zuckerwerk f?tterte. – Es ist gewi?, da? Severino damals eben das Kunstst?ck mit dem unsichtbaren M?dchen im Kopf hatte, und in der kleinen Zigeunerin alle Anlagen fand, die Rolle der Unsichtbaren zu ?bernehmen. Neben einer sorgf?ltigen Erziehung suchte er auf ihren Organismus, der zu einem erh?hten Zustande besonders geeignet, zu wirken. Er brachte diesen erh?hten Zustand, in dem ein prophetischer Geist in dem M?dchen aufgl?hte, durch k?nstliche Mittel hervor, – denkt an Mesmer und seine furchtbaren Operationen – und versetzte sie jedesmal, wenn sie wahrsagen sollte, in diesen Zustand. Ein ungl?ckliches Ungef?hr lie? ihn wahrnehmen, da? die Kleine nach empfundenem Schmerz vorz?glich reizbar war, und da? dann ihre Gabe, das fremde Ich zu durchschauen, bis zum Unglaublichen stieg, so da? sie ganz vergeistigt schien. Und nun gei?elte sie der entsetzliche Mensch jedesmal vor der Operation, die sie in den Zustand des h?hern Wissens versetzte, auf die grausamste Weise. Zu dieser Qual kam noch, da? Chiara, die ?rmste, oft tagelang, wenn Severino abwesend, sich zusammenkr?mmen mu?te in jenem Verschlag, damit, dr?nge selbst jemand in das Kabinett, doch Chiara's Gegenwart ein Geheimnis bliebe. Ebenso machte sie die Reisen mit Severino in jenem Kasten. Ungl?cklicher, f?rchterlicher, war Chiara's Schicksal, als das jenes Zwerges, den der bekannte Kempelen mit sich f?hrte, und der, in dem T?rken versteckt, Schach spielen mu?te. – Ich fand in Severinos Pult eine namhafte Summe in Gold und Papieren, es gelang mir, der kleinen Chiara dadurch ein gutes Einkommen zu sichern, den Apparat zum Orakel, das hei?t die akustischen Vorrichtungen, im Zimmer und Kabinett vernichtete ich, sowie manches andere Kunstwerk, das nicht transportabel, wogegen ich nach Severinos deutlich ausgesprochenem Verm?chtnis manches Geheimnis aus seinem Nachla? mir zu eigen machte. Dies alles abgetan, nahm ich von der kleinen Chiara, die die Wirtsleute halten wollten wie ihr liebes Kindlein, den wehm?tigsten Abschied, und verlie? den Ort. – Ein Jahr war vergangen, ich wollte zur?ck nach G?ni?nesm?hl, wo der hochl?bliche Magistrat die Reparatur der Stadtorgel von mir verlangte, aber der Himmel hatte ein besonderes Wohlgefallen daran, mich als Taschenspieler hinzustellen vor den Leuten, und gab daher einem verfluchten Spitzbuben die Macht, meine B?rse, in der mein ganzer Reichtum befindlich, zu stehlen, und mich so zu zwingen, noch als ber?hmter, mit vielen Attesten und Konzessionen versehener Mechaniker K?nste zu machen des n?tigen Proviants halber. – Das geschah an einem ?rtchen unsern Sieghartsweiler. Eines Abends sitze ich und h?mmere und feile an einem Zauberk?stchen, da geht die T?re auf, ein weibliches Wesen tritt herein, ruft: ›Nein, ich konnte es nicht l?nger ertragen, ich mu?te Euch nach, Herr Liscov – ich w?re gestorben vor Sehnsucht! – Ihr seid mein Herr, gebietet ?ber mich!‹ – st?rzt auf mich zu, will mir zu F??en fallen, ich fange sie auf in meinen Armen – es ist Chiara! – Kaum erkenne ich das M?dchen, wohl einen Fu? h?her, st?rker ist sie geworden, ohne da? das den zartesten Formen ihres Wuchses geschadet! – ›Liebe s??e Chiara!‹ – rief ich tief bewegt, und dr?ckte sie an meine Brust! ›Nicht wahr‹, spricht nun Chiara, ›Ihr leidet mich bei Euch, Herr Liscov, Ihr versto?et nicht die arme Chiara, die Euch Freiheit und Leben zu verdanken hat?‹ – Und damit springt sie schnell an den Kasten, den eben ein Postknecht hineinschiebt, dr?ckt den Kerl so viel Geld in die Hand, da? er mit einem gro?en Katzensprung zur T?re hinaus, laut ruft: ›Ei der Daus, das liebe Mohrenkind‹, ?ffnet den Kasten, nimmt dieses Buch heraus, gibt mir es sprechend: ›Da, Herr Liscov, nehmt das Beste aus Severinos Nachla?, das Ihr vergessen‹, f?ngt an, w?hrend ich das Buch aufschlage, ganz getrost Kleider und W?sche auszupacken – Ihr m?get denken, Kreisler, da? mich die kleine Chiara in nicht geringe Verlegenheit setzte; aber – nun ist es Zeit, Kerl! da? Du auf mich was halten lernst, da Du, weil ich Dir half, dem Oheim die reifen Birnen vom Baume naschen, und ihm h?lzerne mit saubrer Malerei hinh?ngen, oder ihm ged?ngtes Pommeranzenwasser hinstellen in der Gie?kanne, womit er die auf dem Rasen zum Bleichen ausgespannten wei?en Kanevashosen bego?, und einen sch?nen Marmor herausbrachte ohne M?he, – kurz, weil ich Dich zu tollen Narrenstreichen anf?hrte, da Du, sag' ich, sonst mich selbst zu nichts anderm machtest, als zu einem puren Schalksnarren, der niemals ein Herz, oder wenigstens die Hanswurstjacke so dick dar?ber gelegt hatte, da? er nichts von seinen Schl?gen sp?rte! – Br?ste Dich nicht, Mensch, mit Deiner Empfindsamkeit, mit Deinen Tr?nen, denn siehe, schon wieder mu? ich, so wie Du es nur zu oft tust, niedertr?chtig flennen; aber der Teufel hole doch alles, wenn man erst im hohen Alter jungen Leuten das Innere aufschlie?en soll wie eine Chambre garnie.«– Meister Abraham trat ans Fenster, und schaute hinaus in die Nacht. Das Gewitter war vor?ber, im S?useln des Waldes h?rte man die einzelnen Tropfen fallen, die der Nachtwind herabsch?ttelte. Von fern her aus dem Schlosse ert?nte lustige Tanzmusik.»Prinz Hektor«, sprach Meister Abraham,»er?ffnet die Partie ? la chasse mit einigen Spr?ngen, glaub ich – «
«Und Chiara?«fragte Kreisler.
«Recht, mein Sohn«, fuhr Meister Abraham fort, indem er sich ersch?pft in den Lehnstuhl niederlie?,»da? Du mich erinnerst an Chiara, denn ich mu? in dieser verh?ngnisvollen Nacht den Kelch der bittersten Erinnerungen nun einmal ausschl?rfen bis auf den letzten Tropfen. – Ach! – so wie Chiara gesch?ftigt hin und her h?pfte, wie aus ihren Blicken die reinste Freude strahlte, da f?hlt' ich es wohl, da? es mir ganz unm?glich sein w?rde, mich jemals von ihr zu trennen, da? sie mein Weib werden m?sse. – Und doch sprach ich: ›Aber Chiara, was soll ich mit Dir anfangen, wenn Du nun hier bleibst?‹ – Chiara trat vor mich hin und sprach sehr ernst: ›Meister, Ihr findet in dem Buche, das ich Euch gebracht, die genaue Beschreibung des Orakels, Ihr habt ja ohnedies die Vorrichtungen dazu gesehen. – Ich will Euer unsichtbares M?dchen sein!› – ›Chiara‹, rief ich ganz best?rzt, ›was sprichst Du? – Kannst Du mich f?r einen Severino halten!‹ – ›O, schweigt von Severino‹, erwiderte Chiara. – Nun, was soll ich Euch alles umst?ndlich erz?hlen, Kreisler, Ihr wi?t ja schon, da? ich alle Welt in Erstaunen setzte mit meinem unsichtbaren M?dchen, und m?get mir wohl zutrauen, da? ich es verabscheute, auch nur durch irgendein k?nstliches Mittel meine liebe Chiara aufzuregen, oder auf irgendeine Weise ihre Freiheit zu verschr?nken. – Sie deutete mir selbst Zeit und Stunde an, wenn sie sich f?hig f?hlte, oder vielmehr f?hlen w?rde, die Rolle der Unsichtbaren zu spielen, und nur dann sprach mein Orakel. – ?berdies war meiner Kleinen jene Rolle zum Bed?rfnis geworden. Gewisse Umst?nde, die Ihr k?nftig erfahren sollt, brachten mich nach Sieghartsweiler. Es lag in meinem Plan, sehr geheimnisvoll aufzutreten. Ich bezog eine einsame Wohnung bei der Witwe des f?rstlichen Mundkochs, durch die ich sehr bald das Ger?cht von meinen wunderbaren Kunstst?cken an den Hof brachte. Was ich erwartet hatte, geschah. Der F?rst, ich meine den Vater des F?rsten Iren?us, suchte mich auf, und mein weissagende Chiara war die Zauberin, die, wie von ?berirdischer Kraft beseelt, ihm oft sein eigenes Inneres erschlo?, so da? er manches, was ihm sonst verschleiert gewesen, jetzt klar durchschaute. Chiara, die mein Weib worden, wohnte bei einem mir vertrauten Mann in Sieghartshof, und kam zu mir im Dunkel der Nacht, so da? ihre Gegenwart ein Geheimnis blieb. Denn seht Kreisler, so versessen sind die Menschen auf Wunder, das, war auch das Kunstst?ck mit dem unsichtbaren M?dchen nicht anders m?glich, als durch die Mitwirkung eines menschlichen Wesens, sie doch das ganze Ding f?r eine dumme Fopperei geachtet haben w?rden, sobald sie erfuhren, da? das unsichtbare M?dchen von Fleisch und Bein. So wie denn in jener Stadt den Severino nach seinem Tode, alle Leute einen Betr?ger schalten, da es herausgekommen, da? eine kleine Zigeunerin im Kabinett gesprochen, ohne die k?nstliche akustische Einrichtung die den Ton aus der Glaskugel kommen lie?, auch nur im mindesten zu beachten. – Der alte F?rst starb, ich hatte die Kunstst?cke, die Geheimniskr?merei mit meiner Chiara, herzlich satt, ich wollte mit meinem lieben Weibe hinziehen nach G?ni?nesm?hl, und wieder Orgeln bauen. Da blieb eine Nacht Chiara, die zum letztenmal, die Rolle des unsichtbaren M?dchens spielen sollte, aus, ich mu?te die Neugierigen unbefriedigt fortschicken. Mir schlug das Herz vor banger Ahnung. – Am Morgen lief ich nach Sieghartshof, Chiara war zur gew?hnlichen Stunde fortgegangen. – Nun Kerl! was schaust Du mich so an? ich hoffe, da? Du keine alberne Frage tun wirst! – Du wei?t es ja – Chiara war spurlos verschwunden, nie – nie hab' ich sie wiedergesehen!«—
Meister Abraham sprang rasch auf, und st?rzte ans Fenster. Ein tiefer Seufzer machte den Blutstropfen Luft, die aus der aufgerissenen Herzwunde quollen. Kreisler ehrte den tiefen Schmerz des Greises durch Schweigen.»Ihr k?nnet nun«, begann endlich Meister Abraham,»nicht mehr zur?ck nach der Stadt, Kapellmeister. Mitternacht ist heran, drau?en, Ihr wi?t es, hausen b?se Doppelg?nger, und allerlei anderes bedrohliches Zeug k?nnt' uns in den Kram pfuschen. Bleibt bei mir! Toll, ganz toll m??t es ja – «
(M. f. f.) aber sein, wenn dergleichen Unschicklichkeiten vorfielen an heiliger St?tte, – ich meine im Auditorio. – Es wird mir so enge, so beklommen um's Herz – ich vermag, von den erhabensten Gedanken durchstr?mt, nicht weiter zu schreiben – ich mu? abbrechen, mu? ein wenig spazieren gehen!
Ich kehre zur?ck an den Schreibtisch, mir ist besser – Aber wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund ?ber, und auch wohl der Federkiel des Dichters! – Ich h?rt' einmal den Meister Abraham erz?hlen, in einem alten Buche st?nde etwas von einem kuriosen Menschen, dem eine besondere Materia peccans im Leibe rumorte, die nicht anders abging, als durch die Finger. Er legte aber h?bsches wei?es Papier unter die Hand, und fing so alles, was nur von dem b?sen rumorenden Wesen abgehen wollte, auf, und nannte diesen schn?den Abgang Gedichte, die er aus dem Innern geschaffen. Ich halte das Ganze f?r eine boshafte Satire, aber wahr ist es, zuweilen f?hrt mir ein eignes Gef?hl, beinahe m?cht' ich's geistiges Leibkneifen nennen, bis in die Pfoten, die alles hinschreiben m?ssen, was ich denke. – Eben jetzt geht's mir so – es kann mir Schaden tun, bet?rte Kater k?nnen in ihrer Verblendung b?se werden, sogar mich ihre Krallen f?hlen lassen, aber es mu? heraus! —
Mein Meister hatte heute den ganzen Vormittag hindurch in einem schweinsledernen Quartanten gelesen, als er sich endlich zur gew?hnlichen Stunde entfernte, lie? er das Buch aufgeschlagen auf dem Tische liegen. Schnell sprang ich herauf, um neugierig, erpicht auf die Wissenschaften, wie ich nun einmal bin, zu erschnuppern, was das wohl f?r ein Buch sein k?nne, worin der Meister mit so vieler Anstrengung studiert. Es war das sch?ne herrliche Werk des alten Johannes Kunisperger, vom nat?rlichen Einflu? der Gestirne, Planeten und zw?lf Zeichen. Ja wohl, mit Recht kann ich das Werk sch?n und herrlich nennen, denn, indem ich las, gingen mir da nicht die Wunder meines Seins, meines Wandelns hienieden, auf in voller Klarheit? – Ha! indem ich dieses schreibe, flammt ?ber meinem Haupt das herrliche Gestirn, das in treuer Verwandtschaft in meine Seele herein, aus meiner Seele hinaus leuchtet – ja ich f?hle den gl?henden, sengenden Strahl des langgeschweiften Kometen auf meiner Stirne, – ja ich bin selbst der gl?nzende Schwanzstern, das himmlische Meteor, das in hoher Glorie prophetisch dr?uend durch die Welt zieht. So wie der Komet alle Sterne ?berleuchtet, so verschwindet ihr – stell' ich nur nicht meine Gaben unter den Scheffel, sondern lasse mein Licht geh?rig leuchten, und das dependiert ganz von mir – ja, so verschwindet ihr alle in finstre Nacht, ihr Kater, andere Tiere und Menschen! – Aber trotz der g?ttlichen Natur, die aus mir, dem geschw?nzten Lichtgeist, herausstrahlt, teile ich doch nicht das Los aller Sterblichen? – Mein Herz ist gut, ich bin ein zu empfindsamer Kater, m?chte mich gern gem?tlich anschlie?en den Schw?chern, und gerate dar?ber in Trauer und Herzeleid. – Denn mu? ich nicht ?berall gewahren, da? ich allein stehe, wie in der tiefsten Ein?de, da ich nicht dem jetzigen Zeitalter, nein einem k?nftigen der h?hern Ausbildung angeh?re, da es keine einzige Seele gibt, die mich geh?rig zu bewundern versteht? Und es macht mir doch so viel Freude, wenn ich t?chtig bewundert werde, selbst das Lob junger, gemeiner, ungebildeter Kater tut mir unbeschreiblich wohl. Ich wei? sie vor Erstaunen au?er sich zu setzen, aber was hilft's, sie k?nnen doch, bei aller Anstrengung, nicht den rechten Lobposaunenton treffen, schreien sie auch noch so sehr, Mau – Mau! – An die Nachwelt mu? ich denken, die mich w?rdigen wird. Schreib' ich jetzt ein philosophisches Werk, wer ist's, der die Tiefen meines Geistes durchdringt? La? ich mich herab, ein Schauspiel zu dichten, wo sind die Schauspieler, die es aufzuf?hren verm?gen? La? ich mich ein auf andere literarische Arbeiten; schreib' ich z. B. Kritiken, die mir schon deshalb anstehen, weil ich ?ber alles, was Dichter, Schriftsteller, K?nstler hei?t, schwebe, mich gleich ?berall selbst, als freilich unerreichbares Muster, als Ideal der Vollkommenheit hinstellen, deshalb auch allein ein kompetentes Urteil aussprechen kann, wer ist's, der sich auf meinen Standpunkt hinaufzuschwingen, meine Ansichten mit mir zu teilen vermag? – Gibt es denn Pfoten oder H?nde, die mir den verdienten Lorbeerkranz auf die Stirne dr?cken k?nnten? – Doch daf?r ist guter Rat vorhanden, das tue ich selbst, und lasse den die Krallen f?hlen, der sich etwa unterstehen m?chte, an der Krone zu zupfen. – Es existieren wohl solche neidische Bestien, ich tr?ume oft nur, da? ich von ihnen angegriffen werde, fahre, in der Einbildung, mich verteidigen zu m?ssen, mir selbst ins Gesicht mit meinen spitzen Waffen und verwunde kl?glich das holde Antlitz. – Man wird auch wohl im edeln Selbstgef?hl etwas mi?trauisch, aber es kann nicht anders sein. Hielt ich es doch neulich f?r einen versteckten Angriff auf meine Tugend und Vortrefflichkeit, als der junge Ponto mit mehreren Pudelj?nglingen auf der Stra?e ?ber die neuesten Erscheinungen des Tages sprach, ohne meiner zu erw?hnen, unerachtet ich doch kaum sechs Schritte von ihm an der Kellerluke meiner Heimat sa?. Nicht wenig ?rgerte es mich, da? der Fant, als ich ihm dar?ber Vorw?rfe machte, behaupten wollte, er habe mich wirklich gar nicht bemerkt.
Doch es ist Zeit, da? ich Euch, mir verwandte Seelen einer sch?nern Nachwelt, – o ich wollte, diese Nachwelt bef?nde sich schon mitten in der Gegenwart, und h?tte gescheute Gedanken ?ber Murrs Gr??e, und spr?che diese Gedanken laut aus, mit so heller Stimme, da? man nichts anderes vernehmen k?nnte vor dem lauten Geschrei, – ja, da? Ihr etwas weiteres davon erfahrt, was sich mit Eurem Murr zutrug in seinen J?nglingsjahren. Pa?t auf gute Seelen, ein merkw?rdiger Lebenspunkt tritt ein. —
Des M?rzen Idus war angebrochen, die sch?nen milden Strahlen der Fr?hlingssonne fielen auf das Dach, und ein sanftes Feuer durchgl?hte mein Inneres. Schon seit ein paar Tagen hatte mich eine unbeschreibliche Unruhe, eine unbekannte, wunderbare Sehnsucht geplagt, – jetzt wurde ich ruhiger, doch nur um bald in einen Zustand zu geraten, den ich niemals geahnt! —
Aus einer Dachluke, unfern von mir, stieg leis und linde ein Gesch?pf heraus, – o, da? ich es verm?chte, die Holdeste zu malen! – Sie war ganz wei? gekleidet, nur ein kleines schwarzes Samtk?ppchen bedeckte die niedliche Stirn, so wie sie auch schwarze Str?mpfchen an den zarten Beinen trug. Aus dem lieblichsten Grasgr?n der sch?nsten Augen funkelte ein s??es Feuer, die sanften Bewegungen der feingespitzten Ohren lie?en ahnen, da? Tugend in ihr wohne und Verstand, so wie das wellenf?rmige Ringeln des Schweifes hohe Anmut aussprach und weiblichen Zartsinn! —
Das holde Kind schien mich nicht zu erschauen, es blickte in die Sonne, blinzelte und nieste. – O der Ton durchbebte mein Innerstes mit s??en Schauern, meine Pulse schlugen – mein Blut wallte siedend durch alle Adern, – mein Herz wollte zerspringen, – alles unnennbar schmerzliche Entz?cken, das mich au?er mir selbst setzte, str?mte heraus in dem lang gehaltenen Miau! – das ich ausstie?. Schnell wandte die Kleine den Kopf nach mir, blickte mich an, Schreck, kindliche s??e Scheu in den Augen. – Unsichtbare Pfoten rissen mich hin zu ihr mit unwiderstehlicher Gewalt – aber, sowie ich auf die Holde lossprang, um sie zu erfassen, war sie, schnell wie der Gedanke, hinter dem Schornstein verschwunden! – Ganz Wut und Verzweiflung rannte ich auf dem Dache umher, und stie? die kl?glichsten T?ne aus, alles umsonst – sie kam nicht wieder! – Ha welcher Zustand! – mir schmeckte kein Bissen, die Wissenschaften ekelten mich an, ich mochte weder lesen noch schreiben. – »Himmel!«rief ich andern Tages aus, als ich die Holde ?berall gesucht, auf dem Dache, auf dem Boden, in dem Keller, in allen G?ngen des Hauses, und nun trostlos heim kehrte, als, da ich die Kleine best?ndig in Gedanken, mich nun selbst der Bratfisch, den mir der Meister vorgesetzt, aus der Sch?ssel anstarrte mit ihren Augen, so da? ich laut rief im Wahnsinn des Entz?ckens:»Bist du es, Langersehnte «und ihn auffra? mit einem Schluck; ja da rief ich:»Himmel o Himmel! sollte das Liebe sein?«Ich wurde ruhiger, ich beschlo? als ein J?ngling von Erudition mich ?ber meinen Zustand ganz ins klare zu setzen, und begann sogleich, wiewohl mit Anstrengung, den Ovid» de arte amandi «durchzustudieren, sowie Manso's» Kunst zu lieben«, aber keines von den Kennzeichen eines Liebenden, wie es in diesen Werken angegeben, wollte recht auf mich passen. Endlich fuhr es mir pl?tzlich durch den Sinn, da? ich in irgend einem Schauspiel gelesen, ein gleichg?ltiger Sinn und ein verwilderter Bart seien sichere Kennzeichen eines Verliebten! – Ich schaute in einen Spiegel, Himmel mein Bart war verwildert! – Himmel mein Sinn war gleichg?ltig!