«Insofern es keine herrlichere Folie f?r Ihren wei?en Leib geben k?nnte, als diese dunklen Felle[8 - Insofern es keine herrlichere Folie f?r Ihren wei?en Leib geben k?nnte, als diese dunklen Felle. – В том смысле, что не может быть более восхитительной оболочки для Вашего белого тела, чем эти темные шкуры.].»
Die G?ttin lachte.
«Sie tr?umen», rief sie, «wachen Sie auf!» und sie fasste mich mit ihrer Marmorhand beim Arm. «Wachen Sie doch auf!» dr?hnte ihre Stimme nochmals. Ich schlug m?hsam die Augen auf.
Ich sah die Hand. Aber diese Hand war auf einmal braun wie Bronze. Und die Stimme war die schwere Stimme von meinem Kosaken[9 - Kosaken – казак]. Er stand in seiner vollen Gr??e von nahe sechs Fu? vor mir.
«Stehen Sie doch auf», fuhr der Wackere fort, «es ist eine wahrhafte Schande.»
«Und warum eine Schande?»
«Eine Schande in Kleidern einzuschlafen und noch dazu bei einem Buch», er putzte die Kerzen und hob den Band auf. «Bei einem Buch von – er schlug den Deckel auf, von Hegel. Dabei ist es die h?chste Zeit zu Herrn Severin zu fahren. Er erwartet uns zum Tee.»
«Ein Seltsamer Traum», sprach Severin. Als ich zu Ende war, st?tzte die Arme auf die Knie. Das Gesicht versank in die feinen H?nde und versank in Nachdenken.
Ich wusste, dass er jetzt nicht mehr lange dauern konnte. So war es in der Tat. F?r mich hatte sein Benehmen nichts Auffallendes, denn ich verkehrte seit beinahe drei Jahren in guter Freundschaft mit ihm. Ich hatte mich an alle seine Sonderbarkeiten gew?hnt. Denn sonderbar war er. Das lie? sich nicht leugnen. Er war auch lange nicht der gef?hrliche Narr. Nicht nur seine Nachbarschaft, sondern auch der ganze Kreis von Kolomea hielt ihn daf?r. Mir war sein Wesen nicht blo? interessant, sondern in hohem Grad sympathisch.
Er zeigte f?r einen galizischen Edelmann und Gutsbesitzer wie f?r sein Alter – er war kaum ?ber drei?ig – eine auffallende N?chternheit vom Wesen, einen gewissen Ernst, ja sogar Pedanterie. Er lebte nach einem minuti?s ausgef?hrten, halb philosophischen, halb praktischen System, gleichsam nach der Uhr. Und nicht das allein: zu gleicher Zeit nach dem Thermometer, Barometer, Aerometer, Hydrometer, Hippokrates, Hufeland, Plato, Kant, Knigge und Lord Chesterfield. Dabei bekam er aber zu Zeiten heftige Anf?lle von Leidenschaftlichkeit. Da machte er Miene, mit dem Kopfe durch die Wand zu gehen. Ihm ging jeder gerne aus dem Weg[10 - Ihm ging jeder gerne aus dem Weg. – Всем нравилось избегать его.].
W?hrend er also stumm blieb, sang daf?r das Feuer im Kamin, sang der gro?e Samowar Ich habe mich im Ahnherrnstuhl geschaukelt. Meine Zigarre rauchte. Das Heimchen im alten Gem?uer sang auch. Ich lie? meinen Blick ?ber besondere Ger?te, die Tiergerippe, ausgestopften V?gel, Globen, Gipsabg?sse. Sie waren in seinem Zimmer angeh?uft. Zuf?llig blieb mein Blick auf einem Bild. Ich habe es oft genug gesehen. Aber gerade heute machte es mir einen unbeschreiblichen Eindruck.
Es war ein gro?es ?lgem?lde in der kr?ftigen farbensatten Manier der belgischen Schule gemalt. Sein Gegenstand war seltsam genug.
Ein sch?nes Weib, ein sonniges Lachen auf dem feinen Antlitz, mit reichem, geschlungenem Haare. Der wei?e Puder lag wie leichter Reif auf es. Es hat Auf den linken Arm gest?tzt. Es war nackt in einem dunkeln Pelz auf einer Ottomane. Ihre rechte Hand spielte mit einer Peitsche. W?hrend ihr blo?er Fu? st?tzte sich nachl?ssig auf den Mann. Er lag vor ihr wie ein Sklave, wie ein Hund. Und dieser Mann war mit den scharfen, aber wohlgebildeten Z?gen. Auf diesen Z?gen lag br?tende Schwermut und hingebende Leidenschaft. Er sah mit dem schw?rmerischen brennenden Auge eines M?rtyrers zu ihr empor. Dieser Mann war Severin, aber ohne Bart, wie es schien um zehn Jahre j?nger.
«Venus im Pelz!» rief ich. Ich deutete auf das Bild. «So habe ich sie im Traum gesehen.» – «Ich auch», sagte Severin, «nur habe ich meinen Traum mit offenen Augen getr?umt.»
«Wie?»
«Ach! das ist eine dumme Geschichte.»
«Dein Bild hat offenbar Anlass zu meinem Traum gegeben», fuhr ich fort, «aber sage mir endlich einmal, was damit ist. Es hat eine Rolle in deinem Leben gespielt, und vielleicht eine sehr entscheidende, kann ich mir denken. Aber das weitere erwarte ich von dir.»
«Sieh dir einmal das Gegenst?ck an», sagte mein seltsamer Freund, ohne auf meine Frage zu antworten.
Das Gegenst?ck bildete eine treffliche Kopie der bekannten «Venus mit dem Spiegel» von Titian in der Dresdener Galerie.
«Nun, was willst du damit?»
Severin stand auf und wies mit dem Finger auf den Pelz, mit dem Titian seine Liebesg?ttin bekleidet hat.
«Auch hier “Venus im Pelz“», sprach er fein l?chelnd. «Ich glaube nicht, dass der alte Venetianer damit eine Absicht verbunden hat. Er hat einfach das Portr?t von einer vornehmen Messaline gemacht. Er hat die Artigkeit gehabt, ihr den Spiegel halten zu lassen. Darin pr?ft sie ihre majest?tischen Reize mit kaltem Behagen. Aber die Arbeit scheint ihm sauer genug zu werden. Das Bild ist eine gemalte Schmeichelei. Sp?ter hat ein ›Kenner‹ der Rokokozeit die Dame auf den Namen Venus getauft. Der Pelz der Despotin ist zu einem Symbol der Tyrannei und Grausamkeit geworden, welche im Weib und seiner Sch?nheit liegt.
Aber genug, so wie das Bild jetzt ist, erscheint es uns als die pikanteste Satire auf unsere Liebe. Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen christlichen Welt in einen gro?en schweren Pelz schl?pfen muss, um sich nicht zu erk?lten[11 - Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen christlichen Welt in einen gro?en schweren Pelz schl?pfen muss, um sich nicht zu erk?lten. – Венера, которой на абстрактном севере, в ледяном христианском мире приходится кутаться в большую тяжелую шубу, чтобы не простудиться.].»
Severin lachte und z?ndete eine neue Zigarette an.
Eben ging die T?r auf. Eine h?bsche volle Blondine mit klugen freundlichen Augen, in einer schwarzen Seidenrobe, kam herein. Sie brachte uns kaltes Fleisch und Eier zum Tee. Severin nahm eines der letzteren und schlug es mit dem Messer auf. «Habe ich dir nicht gesagt, dass ich sie weich gekocht haben will?» rief er mit einer Heftigkeit. Die junge Frau zitterte.
«Aber lieber Sewtschu —» sprach sie ?ngstlich.
«Was Sewtschu», schrie er, «gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst du», und er ri? den Kantschuk, welcher neben seinen Waffen hing, vom Nagel.
Die h?bsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem Zimmer.
«Warte nur, ich erwische dich noch», rief er ihr nach.
«Aber Severin», sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, «wie kannst du die h?bsche kleine Frau so erschrecken!»
«Sieh dir das Weib nur an», antwortete er. Er winkte humoristisch mit den Augen zu, «h?tte ich ihr geschmeichelt, so h?tte sie mir die Schlinge um den Hals geworfen[12 - …h?tte ich ihr geschmeichelt, so h?tte sie mir die Schlinge um den Hals geworfen. – … если бы я ей польстил, она бы накинула мне петлю на шею.]. Weil ich sie mit dem Kantschuk erziehe, betet sie mich an.»
«Geh mir!»
«Geh du mir, so muss man die Weiber dressieren.»
«Leb meinetwegen wie ein Pascha in deinem Harem, aber stelle mir nicht Theorien auf —»
«Warum nicht», rief er lebhaft, «nirgends passt Goethes ›Du musst Hammer oder Amboss sein‹[13 - Du musst Hammer oder Amboss sein. – Ты должен быть молотом или наковальней (быть хозяином своей судьбы или жертвой обстоятельств).] so vortrefflich wie auf das Verh?ltnis von Mann und Weib. Das hat dir beil?ufig Frau Venus im Traum auch zugegeben. In der Leidenschaft vom Mann ruht die Macht vom Weib. Es versteht sie zu ben?tzen, wenn der Mann sich nicht vorsieht. Er hat nur die Wahl, der Tyrann oder der Sklave vom Weib zu sein. Wie er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche f?hlen[14 - Wie er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche f?hlen. – Как только он сдастся, его голова уже будет в ярме, и он почувствует удар кнута.].»
«Seltsame Maximen!»
«Keine Maximen, sondern Erfahrungen», sagte er mit dem Kopf nickend, «ich bin im Ernst gepeitscht worden. Ich bin geheilt, willst du lesen wie?»
Er erhob sich und holte aus seinem massiven Schreibtisch eine kleine Handschrift, welche er vor mir auf den Tisch legte.
«Du hast fr?her nach jenem Bild gefragt. Ich bin dir schon lange eine Erkl?rung schuldig. Da – lies.»
Severin setzte sich zum Kamin, den R?cken gegen mich. Er schien mit offenen Augen zu tr?umen. Wieder war es still, und wieder sang das Feuer im Kamin, und der Samowar und das Heimchen im alten Gem?uer und ich schlug die Handschrift auf und las:
«Bekenntnisse eines ?bersinnlichen», an dem Rande vom Manuskript standen als Motiv die bekannten Verse aus dem Faust variiert:
«Du ?bersinnlicher sinnlicher Freier,
Ein Weib betr?gt dich!»
Mephistopheles.
Ich schlug das Titelblatt um und las: «Das Folgende habe ich aus meinem damaligen Tagebuch zusammengestellt, weil man seine Vergangenheit nie unbefangen darstellen kann. So aber hat alles seine frischen Farben, die Farben der Gegenwart.»
Gogol, der russische Moli?re, sagt – ja wo? – nun irgendwo – «die echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tr?nen herabrinnen[15 - …die echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tr?nen herabrinnen. – … настоящая комическая муза – та, у которой под маской смеха текут слезы.].»
Ein wunderbarer Ausspruch!
So ist es mir recht seltsam zumute, w?hrend ich das niederschreibe. Die Luft scheint mir mit einem Blumenduft gef?llt. Er bet?ubt mich und macht mir Kopfweh. Der Rauch des Kamines kr?uselt. Ich muss unwillk?rlich l?cheln, ja laut lachen, indem ich meine Abenteuer niederschreibe. Doch schreibe ich nicht mit gew?hnlicher Tinte, sondern mit dem roten Blut. Es tr?ufelt aus meinem Herzen, denn alle seine vernarbten Wunden haben sich ge?ffnet. Es zuckt und schmerzt, und f?llt eine Tr?ne auf das Papier.
Die Tage in einem kleinen Karpaten-Kurort ziehen sich tr?ge an. Man sieht niemand und wird von niemand gesehen. Es ist langweilig zum Idyllenschreiben.
Ich musste hier eine Galerie von Gem?lden liefern, ein Theater f?r eine ganze Saison mit neuen St?cken, ein Dutzend Virtuosen mit Konzerten, Trios und Duos versorgen. Aber – was spreche ich da. Ich tue am Ende doch nicht viel mehr, als die Leinwand aufspannen, die Bogen zurechtgl?tten, die Notenbl?tter liniieren. Denn ich bin – ach! nur keine falsche Scham, Freund Severin, l?ge andere an. Aber es gelingt dir nicht mehr recht, dich selbst anzul?gen. Also bin ich nichts weiter, als ein Dilettant. Ein Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen anderen sogenannten brotlosen K?nste. Sie sichern heutzutage das Einkommen eines Ministers, ja eines kleinen Potentaten. Und vor allem bin ich ein Dilettant im Leben.
Ich habe bis jetzt gelebt, wie ich gemalt und gedichtet habe. Das hei?t, ich bin nie weit ?ber die Grundierung, den Plan, den ersten Akt, die erste Strophe gekommen. Es gibt einmal solche Menschen, die alles anfangen und doch nie mit etwas zu Ende kommen. Und ein solcher Mensch bin ich.