Wie gesagt, die Hand warf mich wieder zur Erde. Bald darauf erfa?te sie mich aber aufs neue beim Kopf und dr?ckte ihn nieder, so da? ich mit dem M?ulchen in eine Fl?ssigkeit geriet, die ich, selbst wei? ich nicht, wie ich darauf verfiel, es mu?te daher physischer Instinkt sein, aufzulecken begann, welches mir eine seltsame innere Behaglichkeit erregte. Es war, wie ich jetzt wei?, s??e Milch, die ich geno?; mich hatte gehungert, und ich wurde satt, indem ich trank. So trat, nachdem die moralische begonnen, die physische Ausbildung ein.
Aufs neue, aber sanfter als vorher, fa?ten mich zwei H?nde und legten mich auf ein warmes weiches Lager. Immer besser und besser wurde mir zu Mute, und ich begann mein inneres Wohlbehagen zu ?u?ern, indem ich jene seltsamen, meinem Geschlecht allein eigenen T?ne von mir gab, die die Menschen durch den nicht unebenen Ausdruck, spinnen, bezeichnen. So ging ich mit Riesenschritten vorw?rts in der Bildung f?r die Welt. Welch ein Vorzug, welch ein k?stliches Geschenk des Himmels, inneres physisches Wohlbehagen ausdr?cken zu k?nnen durch Ton und Geb?rde! – Erst knurrte ich, dann kam mir jenes unnachahmliche Talent, den Schweif in den zierlichsten Kreisen zu schl?ngeln, dann die wunderbare Gabe, durch das einzige W?rtlein» Miau «Freude, Schmerz, Wonne und Entz?cken, Angst und Verzweiflung, kurz, alle Empfindungen und Leidenschaften in ihren mannigfaltigsten Abstufungen auszudr?cken. Was ist die Sprache der Menschen gegen dieses einfachste aller einfachen Mittel, sich verst?ndlich zu machen! – Doch weiter in der denkw?rdigen, lehrreichen Geschichte meiner ereignisreichen Jugend!
Ich erwachte aus tiefem Schlaf, ein blendender Glanz umflo? mich, vor dem ich erschrak: fort waren die Schleier von meinen Augen, ich sah! —
Ehe ich mich an das Licht, vorz?glich aber an das buntscheckige Allerlei, das sich meinen Augen darbot, gew?hnen konnte, mu?te ich mehrmals hintereinander entsetzlich niesen, bald ging es indessen mit dem Sehen ganz vortrefflich, als habe ich es schon mehrere Zeit hintereinander getrieben.
O das Sehen! es ist eine wunderbare, herrliche Gewohnheit, eine Gewohnheit, ohne die es sehr schwer werden w?rde, ?berhaupt in der Welt zu bestehen! – Gl?cklich diejenigen Hochbegabten, denen es so leicht wird als mir, sich das Sehen anzueignen.
Leugnen kann ich nicht, da? ich doch in einige Angst geriet und dasselbe Jammergeschrei erhob, wie damals in dem engen Beh?ltnis. Sogleich erschien ein kleiner hagerer alter Mann, der mir unverge?lich bleiben wird, da ich meiner ausgebreiteten Bekanntschaft unerachtet keine Gestalt, die ihm gleich oder auch nur ?hnlich zu nennen, jemals wieder erblickt habe. Es trifft sich h?ufig bei meinem Geschlecht, da? dieser, jener Mann einen wei? und schwarz gefleckten Pelz tr?gt, selten findet man aber wohl einen Menschen, der schneewei?es Haupthaar haben sollte und dazu rabenschwarze Augenbraunen, dies war aber der Fall bei meinem Erzieher. Der Mann trug im Hause einen kurzen hochgelben Schlafrock, vor dem ich mich entsetzte und daher, so gut es bei meiner damaligen Unbeh?lflichkeit gehen wollte, von dem wei?en Kissen herab zur Seite kroch. Der Mann b?ckte sich herab zu mir mit einer Geb?rde, die mir freundlich schien und mir Zutrauen einfl??te. Er fa?te mich, ich h?tete mich wohl vor dem Muskelspiel der Krallen, die Ideen kratzen und Schl?ge verbanden sich von selbst, und in der Tat, der Mann meinte es gut mit mir, denn er setzte mich nieder vor einer Sch?ssel s??er Milch, die ich begierig auflutschte, wor?ber er sich nicht wenig zu freuen schien. Er sprach vieles mit mir, welches ich aber nicht verstand, da mir damals als einem jungen unerfahrnen Kiek in die Welt von K?terchen das Verstehen der menschlichen Sprache noch nicht eigen. ?berhaupt wei? ich von meinem G?nner nur wenig zu sagen. So viel ist aber gewi?, da? er in vielen Dingen geschickt – in Wissenschaften und K?nsten hocherfahren sein mu?te, denn alle, die zu ihm kamen (ich bemerkte Leute darunter, die gerade da, wo mir die Natur einen gelblichen Fleck im Pelze beschert hat, d. h. auf der Brust, einen Stern oder ein Kreuz trugen), behandelten ihn ausnehmend artig, ja zuweilen mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht, wie ich sp?terhin den Pudel Skaramuz, und nannten ihn nicht anders als mein hochverehrtester, mein teuerer, mein gesch?tztester Meister Abraham! – Nur zwei Personen nannten ihn schlechtweg» mein Lieber!«Ein gro?er d?rrer Mann in papageigr?nen Hosen und wei?seidenen Str?mpfen, und eine kleine sehr dicke Frau mit schwarzem Haar und einer Menge Ringe an allen Fingern. Jener Herr soll aber ein F?rst, die Frau hingegen eine j?dische Dame gewesen sein.
Dieser vornehmen Besucher unerachtet wohnte Meister Abraham doch in einem kleinen hochgelegenen St?bchen, so da? ich meine ersten Promenaden sehr bequem durchs Fenster aufs Dach und auf den Hausboden machen konnte. —
Ja, es ist nicht anders, auf einem Boden mu? ich geboren sein! – Was Keller, was Holzstall – ich entscheide mich f?r den Boden! – Klima, Vaterland, Sitten, Gebr?uche, wie unausl?schlich ist ihr Eindruck, ja, wie sind sie es nur, die des Weltb?rgers ?u?ere und innere Gestaltung bewirken! – Woher kommt in mein Inneres dieser H?hesinn, dieser unwiderstehliche Trieb zum Erhabenen? Woher diese wunderbar seltene Fertigkeit im Klettern, diese beneidenswerte Kunst der gewagtesten genialsten Spr?nge? – Ha! es erf?llt eine s??e Wehmut meine Brust! – Die Sehnsucht nach dem heimatlichen Boden regt sich m?chtig! – Dir weihe ich diese Z?hren, o sch?nes Vaterland! dir dies wehm?tig jauchzende Miau! – Dich ehren diese Spr?nge, diese S?tze, es ist Tugend darin und patriotischer Mut! – Du, o Boden! spendest mir in freigebiger F?lle manch M?uslein, und nebenher kann man manche Wurst, manche Speckseite aus dem Schornstein erwischen, ja wohl manchen Sperling haschen, und sogar hin und wieder ein T?ublein erlauern.»Gewaltig ist die Liebe zu dir, o Vaterland!«—
Doch ich mu?, r?cksichts meiner —
(Mak. Bl.) »›– und erinnern Sie sich, gn?digster Herr! denn nicht des gro?en Sturms, der dem Advokaten, als er zur Nachtzeit ?ber den Pontneuf wandelte, den Hut vom Kopfe herunter in die Seine warf?‹ – ?hnliches steht im Rabelais, doch war es eigentlich nicht der Sturm, der dem Advokaten den Hut raubte, den er, indem er den Mantel dem Spiel der L?fte preisgab, mit der Hand fest auf den Kopf gedr?ckt hielt, sondern ein Grenadier ri?, mit dem lauten Ausruf: es weht ein gro?er Wind, mein Herr, vor?berlaufend, schnell den feinen Kastor dem Advokaten unter der Hand von der Per?cke, und nicht dieser Kastor war es, der in die Wellen der Seine hinabgeschleudert wurde, sondern des Soldaten eignen schn?den Filz f?hrte wirklich der Sturmwind in den feuchten Tod. Sie wissen nun, gn?digster Herr, da? in dem Augenblick, als der Advokat ganz verbl?fft da stand, ein zweiter Soldat mit demselben Ausruf: ›Es weht ein gro?er Wind, mein Herr!‹ vor?berrennend, den Mantel des Advokaten beim Kragen packte und ihn ihm herabri? von den Schultern, und da? gleich darauf ein dritter Soldat, mit demselben Ausruf: ›Es weht ein gro?er Wind, mein Herr!‹ vorbeilaufend, ihm das spanische Rohr mit dem goldnen Knopf aus den H?nden wand. Der Advokat schrie aus allen Kr?ften, warf dem letzten Spitzbuben die Per?cke nach und ging dann barh?uptig ohne Mantel und Stock hin, um das merkw?rdigste aller Testamente aufzunehmen, um das seltsamste aller Abenteuer zu erfahren. ›Sie wissen das alles, gn?digster Herr!‹
›Ich wei?‹, erwiderte der F?rst, als ich dies gesprochen, ›ich wei? gar nichts, und begreife ?berhaupt nicht, wie Ihr, Meister Abraham, mir solches wirres Zeug vorschwatzen k?nnt? Den Pontneuf kenne ich allerdings, er befindet sich zu Paris, und bin ich zwar niemals dar?ber zu Fu?e gegangen, wohl aber oft dar?ber gefahren, wie es meinem Stande geziemt. Den Advokaten Rabelais habe ich niemals gesehen und um Soldatenstreiche in meinem ganzen Leben mich nicht bek?mmert. Als ich in j?ngeren Jahren noch meine Armee kommandierte, lie? ich w?chentlich einmal s?mtliche Junker durchfuchteln f?r die Dummheiten, die sie begangen oder k?nftig noch begehen m?chten, das Pr?geln der gemeinen Leute war aber die Sache der Lieutenants, die damit, meinem Beispiel gem??, auch allw?chentlich verfuhren, und zwar Sonnabends so, da? Sonntags es keinen Junker, keinen gemeinen Kerl in der ganzen Armee gab, der nicht seine geh?rige Tracht Schl?ge erhalten, wodurch die Truppen, n?chst der eingepr?gelten Moralit?t, auch ans Geschlagenwerden ?berhaupt gew?hnt wurden, ohne jemals vor dem Feinde gewesen zu sein, und in diesem Fall nichts anders tun konnten als Schlagen. Das leuchtet Euch ein, Meister Abraham, und nun sagt mir um tausend Gotteswillen, was wollt Ihr mit Euerm Sturm, mit Euerm auf dem Pontneuf beraubten Advokaten Rabelais, wo bleibt Eure Entschuldigung, da? das Fest sich aufl?ste in wilder Verwirrung, da? mir eine Leuchtkugel ins Toupet fuhr, da? mein teuerer Sohn in das Bassin geriet und von verr?terischen Delphinen bespritzt wurde ?ber und ?ber, da? die Prinzessin entschleiert mit aufgesch?rztem Rock wie Atalanta durch den Park fliehen mu?te, da? – da? – wer z?hlt die Ungl?cksf?lle der verh?ngnisvollen Nacht? – Nun, Meister Abraham, was sagt Ihr?“
›Gn?digster Herr‹, erwiderte ich, mich demutsvoll verbeugend, ›was war an allem Unheil schuld als der Sturm – das gr??liche Unwetter, welches einbrach, als alles im sch?nsten Gange war. Kann ich den Elementen gebieten? – Hab' ich denn nicht selbst dabei schlimmes Malheur erlitten, habe ich nicht wie jener Advokat, den ich untert?nigst nicht mit dem ber?hmten franz?sischen Schriftsteller Rabelais zu verwechseln bitte, Hut, Rock und Mantel verloren? Habe ich nicht – ‹«
«H?re«, unterbrach hier den Meister Abraham Johannes Kreisler,»h?re, Freund, noch jetzt, unerachtet es schon ziemlich lange her ist, spricht man von dem Geburtstage der F?rstin, dessen Feier du angeordnet hast, wie von einem dunkeln Geheimnis, und gewi? hast du nach deiner gew?hnlichen Art und Weise viel Abenteuerliches begonnen. Hielt das Volk dich schon immer f?r eine Art von Hexenmeister, so scheint dieser Glaube durch jenes Fest noch um vieles st?rker geworden zu sein. Sage mir nur geradezu, wie sich alles begeben! Du wei?t, ich war damals nicht hier – «
«Eben das«, fiel Meister Abraham dem Freunde ins Wort,»da? du nicht hier, da? du, der Himmel wei? von welchen Furien der H?lle getrieben, fortgerannt warst wie ein Wahnsinniger, eben das machte mich toll und wild, eben deshalb beschwor ich die Elemente herauf, ein Fest zu st?ren, das meine Brust zerschnitt, da du, der eigentliche Held des St?cks, fehltest, ein Fest, das nur erst d?rftig und m?hsam daher schlich, dann aber ?ber geliebte Personen nichts brachte als die Qual be?ngstigender Tr?ume – Schmerz – Entsetzen! – Erfahre es jetzt, Johannes, ich habe tief in dein Inneres geschaut und das gef?hrliche, bedrohliche Geheimnis erkannt, das darin ruht, – ein g?render Vulkan, in jedem Augenblick verm?gend loszubrechen in verderblichen Flammen, r?cksichtslos alles um sich her verzehrend. Es gibt Dinge in unserm Innern, die sich so gestalten, da? die vertrautesten Freunde dar?ber nicht reden d?rfen. Darum verhehlte ich dir sorglich, was ich in dir erschaut, aber mit jenem Fest, dessen tieferer Sinn nicht die F?rstin, sondern eine andere geliebte Person und dich selbst traf, wollte ich dein ganzes Ich gewaltsam erfassen. Die verborgensten Qualen sollten lebendig werden in dir, und wie aus dem Schlaf erwachte Furien mit verdoppelter Kraft deine Brust zerfleischen. Wie einem zum Tode Siechen sollte Arznei, dem Orkus selbst entnommen, die im st?rksten Paroxysmus kein weiser Arzt scheuen darf, dir den Tod bereiten oder Genesung! – Wisse, Johannes, da? der F?rstin Namenstag zusammentrifft mit dem Namenstage Julia's, die auch wie sie Maria gehei?en.«
«Ha!«rief Kreisler, indem er, zehrendes Feuer im Blick, aufsprang,»ha! – Meister! ist dir die Macht gegeben, mit mir freches, h?hnendes Spiel zu treiben? – Bist du das Verh?ngnis selbst, da? du mein Inneres erfassen magst?«
«Wilder, unbesonnener Mensch«, erwiderte Meister Abraham ruhig,»wann wird endlich der verw?stende Brand in deiner Brust zur reinen Naphthaflamme werden, gen?hrt von dem tiefsten Sinn f?r die Kunst, f?r alles Herrliche und Sch?ne, der in dir wohnt! – Du verlangtest von mir die Beschreibung jenes verh?ngnisvollen Festes; so h?re mich denn ruhig an, oder ist deine Kraft gebrochen ganz und gar, da? du das nicht vermagst, so will ich dich verlassen.«
«Erz?hle«, sprach Kreisler mit halb erstickter Stimme, indem er, beide H?nde vors Gesicht, sich wieder hinsetzte.»Ich will«, sprach Meister Abraham, pl?tzlich einen heiteren Ton annehmend,»dich, lieber Johannes, gar nicht erm?den mit der Beschreibung aller der sinnreichen Anordnungen, die gr??tenteils dem erfindungsreichen Geiste des F?rsten selbst ihren Ursprung verdankten. Da das Fest am sp?ten Abend begann, so versteht es sich von selbst, da? der ganze sch?ne Park, der das Lustschlo? umgibt, erleuchtet war. Ich hatte mich bem?ht, in dieser Erleuchtung ungew?hnliche Effekte hervorzubringen, das gelang aber nur zum Teil, da auf des F?rsten ausdr?cklichen Befehl in allen G?ngen, mittels auf gro?en schwarzen Tafeln angebrachter, buntfarbiger Lampen, der Namenszug der F?rstin brennen mu?te, nebst der f?rstlichen Krone dar?ber. Da die Tafeln auf hohen Pf?hlen angenagelt, so glichen sie beinahe illuminierten Warnungsanzeigen, da? man nicht Tabak rauchen oder die Maut nicht umfahren solle. Der Hauptpunkt des Festes war das durch Geb?sch und k?nstliche Ruinen gebildete Theater in der Mitte des Parks, welches du kennst. Auf diesem Theater sollten die Schauspieler aus der Stadt etwas Allegorisches agieren, welches l?ppisch genug war, um ganz au?erordentlich zu gefallen, h?tte es auch nicht der F?rst selbst verfa?t und w?re es daher auch nicht, um mich des geistreichen Ausdrucks jenes Schauspieldirektors, der ein f?rstliches St?ck auff?hrte, zu bedienen, aus einer durchlauchtigen Feder geflossen. Der Weg vom Schlo? bis zum Theater war ziemlich weit. Nach der poetischen Idee des F?rsten sollte der wandelnden Familie ein in L?ften schwebender Genius mit zwei Fackeln vorleuchten, sonst aber kein Licht brennen, sondern erst, nachdem die Familie und das Gefolge Platz genommen, das Theater pl?tzlich erleuchtet werden. Deshalb blieb besagter Weg finster. Vergebens stellte ich die Schwierigkeit dieser Maschinerie vor, welche die L?nge des Wegs herbeif?hrte; der F?rst hatte in den‚ ›F?tes de Versailles'‹ etwas ?hnliches gelesen, und da er hinterher den poetischen Gedanken selbst gefunden, bestand er auf dessen Ausf?hrung. Um jedem unverdienten Vorwurf zu entgehen, ?berlie? ich den Genius samt den Fackeln dem Theatermaschinisten aus der Stadt. – So wie nun das f?rstliche Paar, hinter ihm das Gefolge, aus der T?re des Salons trat, wurde ein kleines pausbackiges M?nnlein, in die Hausfarben des F?rsten gekleidet, mit zwei brennenden Fackeln in den H?ndchen, vom Dache des Lustschlosses herabgezogen. Die Puppe war aber zu schwer, und es begab sich, da? kaum zwanzig Schritte davon die Maschine stockte, so da? der leuchtende Schutzgeist des f?rstlichen Hauses h?ngen blieb, und da die Arbeiter st?rker anzogen, sich ?berkugelte. Nun schleuderten die brennenden abw?rts gekehrten Wachskerzen gl?hende Tropfen zur Erde. Der erste dieser Tropfen traf den F?rsten selbst, der indessen mit stoischem Gleichmut den Schmerz verbi?, wiewohl er in der Gravit?t des Schrittes nachlie? und schneller vorw?rts eilte. Der Genius schwebte jetzt fort ?ber der Gruppe, die der Hofmarschall mit den Kammerjunkern nebst andern Hofchargen bildete, F??e oben, Kopf unten, so da? der Glutregen aus den Fackeln bald diesen, bald jenen auf den Kopf und auf die Nase traf. Den Schmerz zu ?u?ern und so das frohe Fest zu st?ren, h?tte den Respekt verletzt; es war daher h?bsch anzusehen, wie die Ungl?cklichen, eine ganze Kohorte stoischer Sc?volas, mit gr??lich verzerrten Gesichtern und doch mit Gewalt die Qual niederk?mpfend, ja wohl gar ein L?cheln erzwingend, das dem Orkus anzugeh?ren schien, daherschritten, lautlos, kaum bangen Seufzern Raum gebend. Dazu wirbelten die Pauken, schmetterten die Trompeten, riefen hundert Stimmen: ›Vivat, vivat die gn?digste Frau F?rstin! Vivat der gn?digste Herr F?rst!‹ so da? das durch den wunderlichen Kontrast jener Laokoontischen Gesichter mit dem lustigen Jubel erzeugte tragische Pathos der ganzen Szene eine Majest?t gab, wie kaum zu denken.
Der alte dicke Hofmarschall konnte es endlich nicht mehr ertragen; als ihn ein gl?hender Tropfen gerade auf die Backe traf, sprang er in grimmer Wut der Verzweiflung seitw?rts, verwickelte sich aber in die Stricke, die zur Flugmaschine geh?rend gerade an der Seite hart ?ber dem Boden fortliefen, und st?rzte mit dem lauten Ausruf: ›Alle Teufel!‹ nieder zur Erde. In demselben Moment hatte auch der luftige Page seine Rolle ausgespielt. Der gewichtige Hofmarschall zog ihn mit Zentnerschwere nieder, er st?rzte herab mitten unter das Gefolge, das laut aufschreiend auseinander prallte. Die Fackeln verl?schten; man befand sich in der dicksten Finsternis. Dies alles geschah dicht vor dem Theater. Ich h?tete mich wohl den Z?nder anzustecken, der alle Lampen, alle Feuerbecken des Platzes auf einmal in Brand setzen mu?te, sondern wartete damit ein paar Minuten, um der Gesellschaft Zeit zu lassen, sich in Baum und Geb?sch geh?rig zu verwirren. ›Licht – Licht!‹ rief der F?rst wie der K?nig im ›Hamlet‹, – ›Licht – Licht!‹ eine Menge heisere Stimmen durcheinander. Als der Platz erleuchtet, glich der auseinander gesprengte Haufe einem geschlagenen Heer, das sich m?hsam zusammen findet. Der Oberkammerherr bewies sich als ein Mann von Gegenwart des Geistes, als der geschickteste Taktiker seiner Zeit; denn in wenigen Minuten war verm?ge seiner Bem?hungen die Ordnung wiederhergestellt. Der F?rst trat mit der n?chsten Umgebung auf eine Art von erh?hten Blumenthron, der in der Mitte des Zuschauer-Platzes errichtet. Sowie das f?rstliche Paar sich niederlie?, fielen verm?ge einer sehr pfiffigen Vorrichtung jenes Maschinisten eine Menge Blumen auf dasselbe herab. Nun wollte es aber das dunkle Verh?ngnis, da? eine gro?e Feuerlilie dem F?rsten gerade auf die Nase fiel und sein ganzes Gesicht glutrot ?berst?ubte, wodurch er ein ungemein majest?tisches, der Feierlichkeit des Festes w?rdiges, Ansehen gewann.«
«Das ist zu arg – das ist zu arg«, rief Kreisler, indem er eine rasende Lache aufschlug, da? die W?nde dr?hnten.
«Lache nicht so konvulsivisch«, sprach Meister Abraham,»auch ich lachte in jener Nacht unm??iger als jemals, ich f?hlte mich eben zu allerlei tollem Mutwillen aufgelegt und h?tte wie der Spukgeist Droll selbst gern alles noch mehr durcheinander jagen, noch mehr verwirren m?gen; aber desto tiefer drangen dann die Pfeile, die ich gegen andere gerichtet, ein in meine eigene Brust. – Nun! – ich will es nur sagen! Den Moment des l?ppischen Blumenbewerfens hatte ich gew?hlt, um den unsichtbaren Faden festzukn?pfen, der sich nun durch das ganze Fest ziehen und, wie ein elektrischer Leiter, das Innerste der Personen durchbeben sollte, die ich mit meinem geheimnisvollen geistigen Apparat, in den sich der Faden verlor, mir in Rapport gesetzt denken mu?te. – Unterbrich mich nicht Johannes – h?re mich ruhig an. – Julia sa? mit der Prinzessin hinter der F?rstin seitw?rts, ich hatte beide im Auge. Sowie Pauken und Trompeten schwiegen, fiel Julien eine unter duftenden Nachtviolen versteckte aufbrechende Rosenknospe in den Scho?, und wie str?mender Hauch des Nachtwindes schwammen die T?ne deines tief ins Herz dringenden Liedes her?ber: ›Mi lagner? tacendo della mia sorte amara‹. – Julie war erschrocken, als aber das Lied, das ich, ich sag' es, damit du ?ber die Art des Vortrags etwa nicht in bange Zweifel ger?tst, von unsern vier vortrefflichen Bassetthornisten ganz in der Ferne spielen lie? – begann, entfloh ein leichtes Ach ihren Lippen, sie dr?ckte den Strau? an die Brust, und ich h?rte deutlich, da? sie zur Prinzessin sprach: ›Er ist gewi? wieder da!‹ – Die Prinzessin umarmte Julien mit Heftigkeit und rief so laut: ›Nein, nein – ach, niemals!‹ da? der F?rst sein feuriges Antlitz umdrehte und ihr ein zorniges Silence! zuwarf. Der Herr mochte auch wohl eben nicht gerade auf das liebe Kind sehr b?se sein, aber ich will es hier bemerken, da? die wunderbare Schminke, ein tiranno ingrato in der Oper h?tte sich nicht zweckm??iger anmalen k?nnen, ihm wirklich das Ansehen eines fortw?hrenden unvertilgbaren Zornes gab, so da? die r?hrendsten Reden, die zartesten Situationen, welche h?usliches Gl?ck auf dem Throne allegorisch darstellten, rein verloren schienen; Schauspieler und Zuschauer gerieten dar?ber in nicht geringe Verlegenheit. Ja selbst wenn der F?rst bei den Stellen, die er sich zu dem Behuf in dem Exemplar, das er in der Hand hielt, rot angestrichen, der F?rstin die Hand k??te und mit dem Tuch eine Tr?ne von dem Auge wegdr?ckte, schien es in verbissenem Ingrimm zu geschehen, so da? die Kammerherren, die diensttuend ihm zur Seite standen, sich zufl?sterten: ›O Jesus, was ist unserm gn?digsten Herrn!‹ – Ich will dir nur sagen, Johannes, da?, w?hrend die Schauspieler das alberne Zeug vorne auf dem Theater hertragierten, ich mittels magischer Spiegel und anderer Vorrichtungen hinterw?rts in den L?ften ein Geisterschauspiel darstellte zur Verherrlichung des Himmelskindes, der holden Julia, da? eine Melodie nach der andern, die du in hoher Begeisterung geschaffen, ert?nte, ja, da? oft ferner, oft n?her, wie banger ahnungsvoller Geisterruf, der Name: Julia, erklang. – Aber du fehltest – du fehltest, mein Johannes! Und wenn ich auch, nachdem das Schauspiel geendet, meinen Ariel r?hmen, wie Shakespeares Prospero den seinigen, wenn ich auch sagen m??te, da? er alles trefflich vollf?hrt, so fand ich doch das, was ich mit tiefem Sinn angeordnet zu haben glaubte, schal und matt. – Die Julia hatte alles mit feinem Takt verstanden. Doch schien sie nur angeregt wie von einem lieblichen Traum, dem man ?brigens keine sonderliche Einwirkung ins wache Leben verstattet. Die Prinzessin war dagegen tief in sich gekehrt. Arm in Arm lustwandelte sie mit Julien in den erleuchteten G?ngen des Parks, w?hrend der Hof in einem Pavillon Erfrischungen zu sich nahm. – Ich hatte den Hauptschlag in diesem Moment vorbereitet, aber du fehltest – du fehltest, mein Johannes. – Voller Unmut und Zorn rannte ich umher, ich sah zu, ob alle Anstalten zu dem gro?en Feuerwerk, womit das Fest schlie?en sollte, geh?rig geordnet. Da gewahrte ich, aufschauend zum Himmel, ?ber dem fernen Geierstein, im Schimmer der Nacht die kleine r?tliche Wolke, die jedesmal ein Wetter bedeutet, das still heraufzieht und dann hier ?ber uns mit einer f?rchterlichen Explosion losbricht. Zu welcher Zeit diese Explosion geschehen mu?, berechne ich, wie du wei?t, nach dem Stand der Wolke auf die Sekunde. Keine Stunde konnte es mehr dauern, ich beschlo? daher, mit dem Feuerwerk zu eilen. In dem Augenblick vernahm ich, da? mein Ariel mit jener Phantasmagorie begonnen, die alles, alles entscheiden sollte, denn ich h?rte am Ende des Parks in der kleinen Marienkapelle den Chor dein ›Ave maris stella singen‹. Ich eilte schnell hin. Julia und die Prinzessin knieten in dem Betstuhl, der vor der Kapelle im Freien angebracht. Kaum war ich an Ort und Stelle, als – aber du fehltest – du fehltest, mein Johannes! – La? mich dar?ber schweigen, was sich jetzt begab. – Ach! – wirkungslos blieb das, was ich f?r ein Meisterst?ck meiner Kunst gehalten, und ich erfuhr, was ich bl?der Tor nicht geahnt. —
«Heraus mit der Sprache!«rief Kreisler;»Alles, alles sage, Meister wie es sich begeben.«
«Mit nichten«, erwiderte Meister Abraham;»es n?tzt dir nichts, Johannes, und mir zerschneidet es die Brust, wenn ich noch sagen soll, wie meine eignen Geister mir Graus einjagten und Entsetzen! – Die Wolke! – gl?cklicher Gedanke! ›So soll‹, rief ich wild aus, ›denn alles in toller Verwirrung enden!‹ und rannte fort nach dem Platze des Feuerwerks. Der F?rst lie? mir sagen, wenn alles fertig sei, sollte ich das Zeichen geben. Das Auge nicht abwendend von der Wolke, die vom Geierstein weg h?her und h?her heraufzog, lie? ich, als sie mir hoch genug schien, die B?ller l?sen. Bald war der Hof, die ganze Gesellschaft, an Ort und Stelle. Nach dem gew?hnlichen Spiel mit Feuerr?dern, Raketen, Leuchtkugeln und anderm gemeinen Zeuge ging endlich der Namenszug der F?rstin in Chinesischem Brillantfeuer auf, doch hoch ?ber ihm in den L?ften schwamm und verschwamm in milchwei?em Licht der Name Julia. – Nun war es Zeit. – Ich z?ndete die Girandole an, und wie zischend und prasselnd die Raketen in die H?he fuhren, brach das Wetter los mit glutroten Blitzen, mit krachenden Donnern, von denen Wald und Gebirge erdr?hnten. Und der Orkan brauste hinein in den Park und st?rte auf den tausendstimmig heulenden Jammer im tiefsten Geb?sch. Ich ri? einem fliehenden Trompeter das Instrument aus der Hand und blies lustig jauchzend darin, w?hrend die Artilleriesalven der Feuert?pfe, der Kanonenschl?ge, der B?ller, wacker dem rollenden Donner entgegenknallten.«
W?hrend Meister Abraham also erz?hlte, sprang Kreisler auf, schritt heftig im Zimmer auf und ab, focht mit den Armen um sich und rief endlich ganz begeistert:»Das ist sch?n, das ist herrlich, daran erkenne ich meinen Meister Abraham, mit dem ich ein Herz bin und eine Seele!«
«O«, sprach Meister Abraham,»ich wei? es ja, das Wildeste, Schauerlichste, ist dir eben recht, und doch habe ich das vergessen, was dich ganz und gar den unheimlichen M?chten der Geisterwelt preisgegeben h?tte. – Ich hatte die Wetterharfe, die, wie du wei?t, sich ?ber das gro?e Bassin hinzieht, anspannen lassen, auf der der Sturm als ein t?chtiger Harmoniker gar wacker spielte. In dem Geheul, in dem Gebraus des Orkans, in dem Krachen des Donners, erklangen furchtbar die Akkorde der Riesenorgel. Schneller und schneller schlugen die gewaltigen T?ne los, und man mochte wohl ein Furienballett vernehmen, dessen Stil ungemein gro? zu nennen, wie man es beinahe zwischen den leinwandnen W?nden des Theaters nicht zu h?ren bekommt. – Nun! – in einer halben Stunde war alles vor?ber. Der Mond trat hinter den Wolken hervor. Der Nachtwind s?uselte tr?stend durch den erschrockenen Wald und trocknete die Tr?nen weg von den dunklen B?schen. Dazwischen ert?nte noch dann und wann die Wetterharfe wie dumpfes, fernes Glockengel?ute. – Mir war wunderlich zu Mute. Du, mein Johannes, erf?lltest mein Inneres so ganz und gar, da? ich glaubte, du w?rdest gleich vor mir aufsteigen aus dem Grabh?gel verlorner Hoffnungen, unerf?llter Tr?ume, und an meine Brust sinken. Nun in der Stille der Nacht kam der Gedanke, was f?r ein Spiel ich unternommen, wie ich gewaltsam den Knoten, den das dunkle Verh?ngnis geschlungen, zerrei?en wollen, aus meinem Innern herausgetreten, fremdartig, in anderer Gestaltung, auf mich los, und indem mich kalte Schauer durchbebten, war ich es selbst, vor dem ich mich entsetzen mu?te. – Eine Menge Irrlichter tanzten und h?pften im ganzen Park umher, aber es waren die Bedienten mit Laternen, welche die auf der schnellen Flucht verlornen H?te, Per?cken, Haarbeutel, Degen, Schuhe und Shawls zusammensuchten. Ich machte mich davon. Mitten auf der gro?en Br?cke vor unserer Stadt blieb ich stehen und schaute noch einmal zur?ck nach dem Park, der vom magischen Schimmer des Mondes umflossen da stand wie ein Zaubergarten, in dem das lustige Spiel flinker Elfen begonnen. Da fiel mir ein feines Piepen in die Ohren, ein Qu?ken, das beinahe dem eines neugebornen Kindes glich. Ich vermutete eine Untat, b?ckte mich tief ?ber das Gel?nder und entdeckte im hellen Mondschein ein K?tzchen, da? sich m?hsam an den Pfosten angeklammert, um dem Tode zu entgehen. Wahrscheinlich hatte man eine Katzenbrut ers?ufen wollen, und das Tierchen war wieder hinaufgekrochen. Nun, dacht' ich, ist's auch kein Kind, so ist es doch ein armes Tier, das dich um Rettung anqu?kt und das du retten mu?t.«
«O du empfindsamer Just«, rief Kreisler lachend,»sage, wo ist dein Tellheim?«
«Erlaube«, fuhr Meister Abraham fort,»mein Johannes, mit dem Just magst du mich kaum vergleichen. Ich habe den Just ?berjustet. Er rettete einen Pudel, ein Tier, das jeder gern um sich duldet, von dem sogar angenehme Dienstleistungen zu erwarten, mittels Apportieren, Handschuhe, Tabaksbeutel und Pfeife nachtragen usw., aber ich rettete einen Kater, ein Tier, vor dem sich viele entsetzen, das allgemein als perfid, keiner sanften, wohlwollenden Gesinnung, keiner offenherzigen Freundschaft f?hig, ausgeschrieen wird, das niemals ganz und gar die feindliche Stellung gegen den Menschen aufgibt, ja, einen Kater rettete ich aus purer uneigenn?tziger Menschenliebe. – Ich kletterte ?ber das Gel?nder, griff, nicht ohne Gefahr, herab, fa?te das wimmernde K?tzchen, zog es hinauf und steckte es in die Tasche. Nach Hause gekommen, zog ich mich schnell aus und warf mich erm?det und ersch?pft, wie ich war, aufs Bett. Kaum war ich aber eingeschlafen, als mich ein kl?gliches Piepen und Winseln weckte, das aus meinem Kleiderschrank herzukommen schien. – Ich hatte das K?tzchen vergessen und es in der Rocktasche gelassen. Ich befreite das Tier aus dem Gef?ngnis, wof?r es mich derma?en kratzte, da? mir alle f?nf Finger bluteten. Schon war ich im Begriff, den Kater durchs Fenster zu werfen, ich besann mich aber und sch?mte mich meiner kleinlichen Torheit, meiner Rachsucht, die nicht einmal bei Menschen angebracht ist, viel weniger bei der unvern?nftigen Kreatur. – Genug, ich zog mit aller M?he und Sorgfalt den Kater gro?. Es ist das gescheuteste, artigste, ja witzigste Tier der Art, das man sehen kann, dem es nur noch an der h?hern Bildung fehlt, die du, mein lieber Johannes, ihm mit leichter M?he beibringen wirst, weshalb ich denn gesonnen bin, dir den Kater Murr, so habe ich ihn benannt, fernerhin zu ?berlassen. Obschon Murr zur Zeit, wie die Juristen sich ausdr?cken, noch kein homo sui juris ist, so habe ich ihn doch um seine Einwilligung gefragt, ob er in deine Dienste treten wolle. Er ist durchaus damit zufrieden.«
«Du faselst«, sprach Kreisler,»Meister Abraham! Du wei?t, da? ich Katzen nicht sonderlich leiden mag, da? ich dem Geschlecht der Hunde bei weitem den Vorzug gebe.
«Ich bitte dich«, erwiderte Meister Abraham,»lieber Johannes, recht von Herzen, nimm meinen hoffnungsvollen Kater Murr wenigstens so lange zu dir, bis ich heimkehre von meiner Reise! Ich habe ihn schon deshalb mitgebracht, er ist drau?en und wartet auf g?tigen Bescheid. Sieh ihn wenigstens an.«
Damit ?ffnete Meister Abraham die T?re, und auf der Strohmatte zusammengekr?mmt, schlafend, lag ein Kater, der wirklich in seiner Art ein Wunder von Sch?nheit zu nennen. Die grauen und schwarzen Streifen des R?ckens liefen zusammen auf dem Scheitel zwischen den Ohren und bildeten auf der Stirne die zierlichste Hieroglyphenschrift. Ebenso gestreift und von ganz ungew?hnlicher L?nge und St?rke war der stattliche Schweif. Dabei gl?nzte des Katers buntes Kleid und schimmerte von der Sonne beleuchtet, so da? man zwischen dem Schwarz und Grau noch schmale goldgelbe Streifen wahrnahm.»Murr! Murr!«rief Meister Abraham,»krrr – krrr«, erwiderte der Kater sehr vernehmlich, dehnte – erhob sich, machte den au?erordentlichsten Katzenbuckel und ?ffnete ein paar grasgr?ne Augen, aus denen Geist und Verstand in funkelndem Feuer hervorblitzten. Das behauptete wenigstens Meister Abraham, und auch Kreisler mu?te so viel einr?umen, da? der Kater etwas Besonderes, Ungew?hnliches im Antlitz trage, da? sein Kopf hinl?nglich dick, um die Wissenschaften zu fassen, sein Bart aber schon jetzt in der Jugend wei? und lang genug sei, um dem Kater gelegentlich die Autorit?t eines griechischen Weltweisen zu verschaffen.
«Wie kann man aber auch ?berall gleich schlafen«, sprach Meister Abraham zum Kater,»du verlierst alle Heiterkeit dar?ber und wirst vor der Zeit ein gr?mliches Tier. Putz dich fein, Murr!«
Sogleich setzte der Kater sich auf die Hinterf??e, fuhr mit den Samtpf?tchen sich zierlich ?ber Stirn und Wangen und stie? dann ein klares freudiges Miau aus.
«Dies ist«, fuhr Meister Abraham fort,»der Herr Kapellmeister Johannes Kreisler, bei dem du in Dienste treten wirst«. Der Kater glotzte den Kapellmeister mit seinen gro?en funkelnden Augen an, begann zu knurren, sprang auf den Tisch, der neben Kreislern stand, und von da ohne weiteres auf seine Schulter, als wolle er ihm etwas ins Ohr sagen. Dann setzte er wieder herab zur Erde und umkreiste schw?nzelnd und knurrend den neuen Herrn, als wolle er recht Bekanntschaft mit ihm machen.
«Gott verzeih mir«, rief Kreisler,»ich glaube gar, der kleine graue Kerl hat Verstand und stammt aus der illustren Familie des gestiefelten Katers her«.
«So viel ist gewi?«, erwiderte Meister Abraham,»da? der Kater Murr das possierlichste Tier von der Welt ist, ein wahrer Pulcinell und dabei artig und sittsam, nicht zudringlich und unbescheiden, wie zuweilen Hunde, die uns mit ungeschickten Liebkosungen beschwerlich fallen«.
«Indem ich«, sprach Kreisler,»diesen klugen Kater betrachte, f?llt es mir wieder schwer aufs Herz, in welchen engen Kreis unsere Erkenntnis gebannt ist. – Wer kann es sagen, wer nur ahnen, wie weit das Geistesverm?gen der Tiere geht! – Wenn uns etwas, oder vielmehr alles, in der Natur unerforschlich bleibt, so sind wir gleich mit Namen bei der Hand, und br?sten uns mit unserer albernen Schulweisheit, die eben nicht viel weiter reicht als unsere Nase. So haben wir denn auch das ganze geistige Verm?gen der Tiere, das sich oft auf die wunderbarste Art ?u?ert, mit der Bezeichnung Instinkt abgefertigt. Ich m?chte aber nur die einzige Frage beantwortet haben, ob mit der Idee des Instinkts, des blinden willk?rlosen Triebes, die F?higkeit zu tr?umen vereinbar sei. Da? aber z. B. Hunde mit der gr??ten Lebhaftigkeit tr?umen, wei? jeder, der einen schlafenden Jagdhund beobachtet hat, dem im Traum die ganze Jagd aufgegangen. Er sucht, er schnuppert, er bewegt die F??e, als sei er im vollen Rennen, er keucht, er schwitzt. – Von tr?umenden Katern wei? ich zur Zeit nichts.«
«Der Kater Murr«, unterbrach Meister Abraham» den Freund, tr?umt nicht allein sehr lebendig, sondern er ger?t auch, wie deutlich zu bemerken, h?ufig in jene sanften Reverien, in das tr?umerische Hinbr?ten, in das somnambule Delirieren, kurz, in jenen seltsamen Zustand zwischen Schlafen und Wachen, der poetischen Gem?tern f?r die Zeit des eigentlichen Empfanges genialer Gedanken gilt. In diesem Zustande st?hnt und ?chzt er seit kurzer Zeit ganz ungemein, so da? ich glauben mu?, da? er entweder in Liebe ist, oder an einer Trag?die arbeitet.«
Kreisler lachte hell auf, indem er rief:»Nun so komm denn, du kluger, artiger, witziger, poetischer Kater Murr, la? uns – «
(M. f. f.) – ersten Erziehung, meiner Jugendmonate ?berhaupt noch vieles anf?hren.
Es ist n?mlich wohl h?chst merkw?rdig und lehrreich, wenn ein gro?er Geist in einer Autobiographie ?ber alles, was sich mit ihm in seiner Jugend begab, sollte es auch noch so unbedeutend scheinen, sich recht umst?ndlich ausl??t. Kann aber auch wohl einem hohen Genius jemals Unbedeutendes begegnen? Alles, was er in seiner Knabenzeit unternahm oder nicht unternahm, ist von der h?chsten Wichtigkeit, und verbreitet helles Licht ?ber den tiefern Sinn, ?ber die eigentliche Tendenz seiner unsterblichen Werke. Herrlicher Mut geht auf in der Brust des strebenden J?nglings, den bange Zweifel qu?len, ob die innere Kraft auch wohl gen?ge, wenn er lieset, da? der gro?e Mann als Knabe auch Soldat spielte, sich in Naschwerk ?bernahm und zuweilen was weniges Schl?ge erhielt, weil er faul war ungezogen und t?lpisch. ›Gerade wie ich, gerade wie ich‹, ruft der J?ngling begeistert aus und zweifelt nicht l?nger, da? auch er ein hoher Genius ist trotz seinem angebeteten Idol.
Mancher las den Plutarch oder auch wohl nur den Cornelius Nepos und wurde ein gro?er Held, mancher die Trag?dien-Dichter der Alten in der ?bersetzung, und nebenher den Calderon und Shakespeare, den Goethe und Schiller und wurde, wo nicht ein gro?er Dichter, doch ein kleiner allerliebster Versmacher, wie ihn die Leute eben so gern haben. So werden meine Werke auch gewi? in der Brust manches jungen geist- und gem?treichen Katers das h?here Leben der Poesie entz?nden, und nimmt dann der edle Katerj?ngling meine biographischen Belustigungen auf dem Dache vor, geht er ganz ein in die hohen Ideen des Buches, das ich soeben unter den Klauen habe, dann wird er im Entz?cken der Begeisterung ausrufen: Murr, g?ttlicher Murr, gr??ter deines Geschlechts, dir, dir allein verdanke ich alles, nur dein Beispiel macht mich gro?. —
Es ist zu r?hmen, da? Meister Abraham bei meiner Erziehung sich weder an den vergessenen Basedow hielt, noch die Pestalozzische Methode befolgte, sondern mir unbeschr?nkte Freiheit lie?, mich selbst zu erziehen, insofern ich mich nur in gewisse Normalprinzipien f?gte, die Meister Abraham sich als unbedingt notwendig f?r die Gesellschaft, die die herrschende Macht auf dieser Erde versammelt, dachte, da sonst alles blind und toll durcheinander rennen und es ?berall vertrackte Rippenst??e und garstige Beulen setzen, eine Gesellschaft ?berhaupt nicht denkbar sein w?rde. Den Inbegriff dieser Prinzipien nannte der Meister die nat?rliche Artigkeit im Gegensatz der konventionellen, der gem?? man sprechen mu?: ich bitte ganz gehorsamst um g?tige Verzeihung, wenn man von einem L?mmel angerannt, oder auf den Fu? getreten worden. Mag es sein, da? jene Artigkeit den Menschen n?tig ist, so kann ich doch nicht begreifen, wie sich ihr auch mein freigebornes Geschlecht f?gen soll, und war nun das Hauptregens, mittels dessen der Meister mir jene Normalprinzipien beibrachte, ein gewisses sehr fatales Birkenreis, so kann ich mich wohl mit Recht ?ber H?rte meines Erziehers beklagen. Davongelaufen w?re ich, h?tte mich nicht der mir angeborene Hang zur h?hern Kultur an den Meister festgebunden. – Je mehr Kultur, desto weniger Freiheit, das ist ein wahres Wort. Mit der Kultur steigen die Bed?rfnisse, mit den Bed?rfnissen – Nun; eben die augenblickliche Befriedigung mancher nat?rlichen Bed?rfnisse ohne R?cksicht auf Ort und Zeit, das war das erste was mir der Meister mittels des verh?ngnisvollen Birkenreises total abgew?hnte. Dann kam es an die Gel?ste, die, wie ich mich sp?ter ?berzeugt habe, lediglich aus einer gewissen abnormen Stimmung des Gem?ts entstehen. Eben diese seltsame Stimmung, die vielleicht von meinem psychischen Organismus selbst erzeugt wurde, trieb mich an, die Milch, ja selbst den Braten, den der Meister f?r mich hingestellt, stehen zu lassen, auf den Tisch zu springen, und das wegzunaschen, was er selbst genie?en wollte. Ich empfand die Kraft des Birkenreises, und lie? es bleiben. – Ich sehe es ein, da? der Meister recht hatte, meinen Sinn von dergleichen abzulenken, da ich wei?, da? mehrere meiner guten Mitbr?der, weniger kultiviert, weniger gut erzogen als ich, dadurch in die abscheulichsten Verdrie?lichkeiten, ja in die traurigste Lage, auf ihre Lebenszeit geraten sind. Ist es mir doch bekannt worden, da? ein hoffnungsvoller Katerj?ngling den Mangel an innerer geistiger Kraft, seinem Gel?st zu widerstehen einen Topf Milch auszunaschen, mit dem Verlust seines Schweifs b??en, und verh?hnt, verspottet, sich in die Einsamkeit zur?ckziehen mu?te. Also der Meister hatte recht, mir dergleichen abzugew?hnen; da? er aber meinem Drange nach den Wissenschaften und K?nsten Widerstand leistete, das kann ich ihm nicht verzeihen. —
Nichts zog mich in des Meisters Zimmer mehr an als der mit B?chern, Schriften und allerlei seltsamen Instrumenten bepackte Schreibtisch. Ich kann sagen, da? dieser Tisch ein Zauberkreis war, in den ich mich gebannt f?hlte, und doch empfand ich eine gewisse heilige Scheu, die mich abhielt, meinem Triebe ganz mich hinzugeben. Endlich eines Tages, als eben der Meister abwesend war, ?berwand ich meine Furcht und sprang hinauf auf den Tisch. Welche Wollust, als ich nun mitten unter den Schriften und B?chern sa?, und darin w?hlte. Nicht Mutwille, nein nur Begier, wissenschaftlicher Hei?hunger war es, da? ich mit den Pfoten ein Manuskript erfa?te, und so lange hin und her zauste, bis es in kleine St?cke zerrissen vor mir lag. Der Meister trat herein, sah was geschehen, st?rzte mit dem kr?nkenden Ausruf: Bestie, vermaledeite! auf mich los, und pr?gelte mich mit dem Birkenreis so derb ab, da? ich mich winselnd vor Schmerz unter den Ofen verkroch, und den ganzen Tag ?ber durch kein freundliches Wort wieder hervorzulocken war. Wen h?tte dies Ereignis nicht abgeschreckt auf immer, selbst die Bahn zu verfolgen, die ihm die Natur vorgezeichnet! Aber kaum hatte ich mich ganz erholt von meinen Schmerzen, als ich, meinem unwiderstehlichen Drange folgend, wieder auf den Schreibtisch sprang. Freilich war ein einziger Ruf meines Meisters, ein abgebrochener Satz wie z. B. ›Will er!‹ – hinl?nglich, mich wieder herab zu jagen, so da? es nicht zum Studieren kam; indessen wartete ich ruhig auf einen g?nstigen Moment, meine Studien anzufangen, und dieser trat denn auch bald ein. Der Meister r?stete sich eines Tages zum Ausgehen, alsbald versteckte ich mich so gut im Zimmer, da? er mich nicht fand, als er, eingedenk des zerrissenen Manuskripts, mich hinausjagen wollte. Kaum war der Meister fort, so sprang ich mit einem Satz auf den Schreibtisch und legte mich mitten hinein in die Schriften, welches mir ein unbeschreibliches Wohlgefallen verursachte. Geschickt schlug ich mit der Pfote ein ziemlich dickes Buch auf, welches vor mir lag, und versuchte, ob es mir nicht m?glich sein w?rde, die Schriftzeichen darin zu verstehen. Das gelang mir zwar anfangs ganz und gar nicht, ich lie? aber gar nicht ab, sondern starrte hinein in das Buch, erwartend, da? ein ganz besonderer Geist ?ber mich kommen und mir das Lesen lehren werde. So vertieft ?berraschte mich der Meister. Mit einem lauten: Seht die verfluchte Bestie, sprang er auf mich zu. Es war zu sp?t mich zu retten, ich kniff die Ohren an, ich duckte mich nieder, so gut es gehen wollte, ich f?hlte schon die Rute auf meinem R?cken. Aber die Hand schon aufgehoben hielt der Meister pl?tzlich inne, schlug eine helle Lache auf und rief: Kater – Kater du liesest? ja, das kann, das will ich dir nicht verwehren. Nun sieh – sieh! – was f?r ein Bildungstrieb dir inwohnt. – Er zog mir das Buch unter den Pfoten weg, schaute hinein, und lachte noch unm??iger als vorher. Das mu? ich sagen, sprach er dann, ich glaube gar, du hast dir eine kleine Handbibliothek angeschafft, denn ich w??te sonst gar nicht, wie das Buch auf meinen Schreibtisch kommen sollte? – Nun lies nur – studiere flei?ig mein Kater, allenfalls magst du auch die wichtigsten Stellen im Buche durch sanfte Einrisse bezeichnen, ich stelle dir das frei! – Damit schob er mir das Buch aufgeschlagen wieder hin. Es war, wie ich sp?ter erfuhr, Knigge ?ber den Umgang mit Menschen, und ich habe aus diesem herrlichen Buch viel Lebensweisheit gesch?pft. Es ist so recht aus meiner Seele geschrieben, und pa?t ?berhaupt f?r Kater, die in der menschlichen Gesellschaft etwas gelten wollen, ganz ungemein. Diese Tendenz des Buchs ist, soviel ich wei?, bisher ?bersehen, und daher zuweilen das falsche Urteil gef?llt worden, da? der Mensch, der sich ganz genau an die im Buch aufgestellten Regeln halten wolle, notwendig ?berall als ein steifer herzloser Pedant auftreten m?sse.
Seit dieser Zeit litt mich der Meister nicht allein auf dem Schreibtisch, sondern er sah es sogar gern, wenn ich, arbeitete er selbst, heraufsprang, und mich vor ihm unter die Schriften hinlagerte.
Meister Abraham hatte die Gewohnheit oftmals viel hintereinander laut zu lesen. Ich unterlie? dann nicht, mich so zu postieren, da? ich ihm ins Buch sehen konnte, welches bei den scharfblickenden Augen, die mir die Natur verliehen, m?glich war, ohne ihm beschwerlich zu fallen. Dadurch, da? ich die Schriftzeichen mit den Worten verglich, die er aussprach, lernte ich in kurzer Zeit lesen, und wem dies etwa unglaublich vorkommen m?chte, hat keinen Begriff von dem ganz besonderen Ingenium womit mich die Natur ausgestattet. Genies die mich verstehen und mich w?rdigen, werden keinen Zweifel hegen. R?cksichts einer Art Ausbildung, die vielleicht der ihrigen gleich ist. Dabei darf ich auch nicht unterlassen, die merkw?rdige Beobachtung mitzuteilen, die ich r?cksichts des vollkommenen Verstehens der menschlichen Sprache gemacht. Ich habe n?mlich mit vollem Bewu?tsein beobachtet, da? ich gar nicht wei? wie ich zu diesem Verstehen gekommen bin. Bei den Menschen soll dies auch der Fall sein. Das nimmt mich aber gar nicht wunder, da dies Geschlecht in den Jahren der Kindheit betr?chtlich d?mmer und unbeholfener ist als wir. Als ein ganz kleines K?terchen ist es mir niemals geschehen, da? ich mir selbst in die Augen gegriffen, ins Feuer oder ins Licht gefa?t oder Stiefelwichse statt Kirschmus gefressen, wie dies wohl bei kleinen Kindern zu geschehen pflegt.
Wie ich nun fertig las, und ich mich t?glich mehr mit fremden Gedanken vollstopfte, f?hlte ich den unwiderstehlichsten Drang, auch meine eignen Gedanken, wie sie der mir innewohnende Genius gebar, der Vergessenheit zu entrei?en, und dazu geh?rte nun allerdings die freilich sehr schwere Kunst des Schreibens. So aufmerksam ich auch meines Meisters Hand, wenn er schrieb, beobachten mochte, durchaus wollte es mir doch nicht gelingen, ihm die eigentliche Mechanik abzulauern. Ich studierte den alten Hilmar Curas, das einzige Schreibevorschriftsbuch, welches mein Meister besa?, und w?re beinahe auf den Gedanken geraten, da? die r?tselhafte Schwierigkeit des Schreibens nur durch die gro?e Manschette gehoben werden k?nne, welche die darin abgebildete schreibende Hand tr?gt, und da? es nur besonders erlangte Fertigkeit sei, wenn mein Meister ohne Manschette schriebe, so wie der ge?bte Seilt?nzer zuletzt nicht mehr der Balancierstange bedarf. Ich trachtete begierig nach Manschetten, und war im Begriff, die Dormeuse der alten Haush?lterin f?r meine rechte Pfote zuzurei?en und zu adaptieren, als mir pl?tzlich in einem Moment der Begeisterung, wie es bei Genies zu geschehen pflegt, der geniale Gedanke einkam, der alles l?ste. Ich vermutete n?mlich, da? die Unm?glichkeit, die Feder, den Stift, so zu halten wie mein Meister, wohl in dem verschiedenen Bau unserer H?nde liegen k?nne, und diese Vermutung traf ein. Ich mu?te eine andere dem Bau meines rechten Pf?tchens angemessene Schreibart erfinden und erfand sie wirklich, wie man wohl denken mag. – So entstehen aus der besonderen Organisation des Individuums neue Systeme. —
Eine zweite b?se Schwierigkeit fand ich in dem Eintunken der Feder in das Tintenfa?. Nicht gl?cken wollt' es mir n?mlich, bei dem Eintunken das Pf?tchen zu schonen, immer kam es mit hinein in die Tinte, und so konnte es nicht fehlen, da? die ersten Schriftz?ge, mehr mit der Pfote als mit der Feder gezeichnet, etwas gro? und breit gerieten. Unverst?ndige mochten daher meine ersten Manuskripte beinahe nur f?r mit Tinte beflecktes Papier ansehen. Genies werden den genialen Kater in seinen ersten Werken leicht erraten und ?ber die Tiefe, ?ber die F?lle des Geistes, wie er zuerst aus unversiegbarer Quelle aussprudelte, erstaunen, ja ganz au?er sich geraten. Damit die Welt sich dereinst nicht zanke ?ber die Zeitfolge meiner unsterblichen Werke, will ich hier sagen, da? ich zuerst den philosophisch-sentimental-didaktischen Roman schrieb:»Gedanke und Ahnung, oder Kater und Hund«. Schon dieses Werk h?tte ungeheures Aufsehen machen k?nnen. Dann, in allen S?tteln gerecht, schrieb ich ein politisches Werk, unter dem Titel:»?ber Mausefallen und deren Einflu? auf Gesinnung und Tatkraft der Katzheit;«hierauf f?hlt' ich mich begeistert zu der Trag?die:»Rattenk?nig Kawdallor«. Auch diese Trag?die h?tte auf allen nur erdenklichen Theatern unz?hligemal mit dem l?rmendsten Beifall gegeben werden k?nnen. Den Reihen meiner s?mtlichen Werke sollen diese Erzeugnisse meines hoch emporstrebenden Geistes er?ffnen; ?ber den Anla?, sie zu schreiben, werde ich mich geh?rigen Orts auslassen k?nnen.
Als ich die Feder besser zu halten gelernt, als das Pf?tchen rein blieb von Tinte, wurde auch freilich mein Stil anmutiger, lieblicher, heller; ich legte mich ganz vorz?glich auf Musenalmanache, schrieb verschiedene freundliche Schriften und wurde ?brigens sehr bald der liebensw?rdige gem?tliche Mann, der ich noch heute bin. Beinahe h?tte ich schon damals ein Heldengedicht gemacht, in vier und zwanzig Ges?ngen, doch als ich fertig, war es etwas anderes worden, wof?r Tasso und Ariost noch im Grabe dem Himmel danken k?nnen. Sprang wirklich ein Heldengedicht unter meinen Klauen hervor, beide h?tte kein Mensch mehr gelesen.
Ich komme jetzt auf die —
(Mak. Bl.) – zum bessern Verst?ndnis doch n?tig sein, dir, geneigter Leser, das ganze Verh?ltnis der Dinge klar und deutlich auseinander zu setzen.
Jeder, der nur ein einzigesmal im Gasthofe des anmutigen Landst?dtchens Sieghartsweiler abgestiegen ist, hat sogleich von dem F?rsten Iren?us reden geh?rt. Bestellte er n?mlich bei dem Wirt nur ein Gericht Forellen, die in der Gegend vorz?glich, so erwiderte derselbe gewi?: Sie haben recht, mein Herr, unser gn?digster F?rst essen auch dergleichen ungemein gern, und ich vermag die angenehmen Fische gerade so zuzubereiten, wie es bei Hofe ?blich. Aus den neuesten Geographien, Landkarten, statistischen Nachrichten wu?te der unterrichtete Reisende aber nichts anderes, als da? das St?dtchen Sieghartsweiler samt dem Geierstein und der ganzen Umgebung l?ngst dem Gro?herzogtum, das er soeben durchreiset, einverleibet worden; nicht wenig mu?te es ihn daher verwundern, hier einen gn?digsten Herrn F?rsten und einen Hof zu finden. Die Sache hatte aber folgenden Zusammenhang. F?rst Iren?us regierte sonst wirklich ein artiges L?ndchen nicht fern von Sieghartsweiler, und da er mittels eines guten Dollonds von dem Belvedere seines Schlosses im Residenzmarktflecken seine s?mtlichen Staaten zu ?bersehen vermochte, so konnt› es nicht fehlen, da? er das Wohl und Weh seines Landes, das Gl?ck der geliebten Untertanen, stets im Auge behielt. Er konnte in jeder Minute wissen, wie Peters Weizen in dem entferntesten Bereich des Landes stand, und ebensogut beobachten, ob Hans und Kunz ihre Weinberge gut und flei?ig besorgten. Man sagt, F?rst Iren?us habe sein L?ndchen auf einem Spaziergange ?ber die Grenze aus der Tasche verloren, so viel ist aber gewi?, da? in einer neuen mit mehrern Zus?tzen versehenen Ausgabe jenes Gro?herzogtums, das L?ndchen des F?rsten Iren?us einfoliiert und einregistriert war. Man ?berhob ihn der M?he des Regierens, indem man ihm aus den Reven?en des Landes, das er besessen, eine ziemlich reiche Apanage aussetzte, die er eben in dem anmutigen Sieghartsweiler verzehren sollte.