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Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра

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«Es ist unrecht«, sprach Hedwiga wie im pl?tzlich aufwallenden Zorn, indem ihre verbleichten Wangen sich blutrot f?rbten,»da? der Park nicht verschlossen ist, da? jeder Fremde hinein kann«.

«Wie«, erwiderte Julia,»der F?rst sollte, meinst Du, engherzig, den Sieghartsweilern – nein, nicht diesen allein, jedem, der des Weges wandelt, gerade den anmutigsten Fleck der ganzen Gegend verschlie?en? Das ist unm?glich Deine ernste Meinung!«  —»Du bedenkst«, fuhr die Prinzessin noch bewegter fort,»die Gefahr nicht, die f?r uns daraus entsteht. Wie oft wandeln wir so wie heute allein, entfernt von aller Dienerschaft, in den entlegensten G?ngen des Waldes umher! – Wie, wenn einmal irgendein B?sewicht – «

«Ei«, unterbrach Julia die Prinzessin,»ich glaube gar, Du f?rchtest, aus diesem, jenem Geb?sch k?nnte irgendein ungeschlachter, m?rchenhafter Riese, oder ein fabelhafter Raubritter hervorspringen und uns entf?hren auf seine Burg! – Nun, das wolle der Himmel verh?ten! – Aber sonst mu? ich Dir gestehen, da? mir irgendein kleines Abenteuer hier in dem einsamen romantischen Walde recht h?bsch, recht anmutig bed?nken m?chte. – Ich denke eben an Shakespeares» Wie es Euch gef?llt«, das uns die Mutter so lange nicht in die H?nde geben wollte, und das uns endlich Lothario vorgelesen. Was gilt es, Du w?rdest auch gern ein bi?chen Celia spielen, und ich wollte Deine treue Rosalinde sein. – Was machen wir aus unserm unbekannten Virtuosen?«

«O«, erwiderte die Prinzessin,»eben dieser unbekannte Mensch – Glaubst du wohl, Julia, da? mir seine Gestalt, seine wunderlichen Reden ein inneres Grauen erregten, das mir unerkl?rlich ist? – Noch jetzt durchbeben mich Schauer, ich erliege beinahe einem Gef?hl, das, seltsam und entsetzlich zugleich, alle meine Sinne gefangen nimmt. In dem tiefsten, dunkelsten Gem?t regt sich eine Erinnerung auf und ringt vergebens sich deutlich zu gestalten. – Ich sah diesen Menschen schon in irgendeine f?rchterliche Begebenheit verflochten, die mein Herz zerfleischte – vielleicht war es nur ein spukhafter Traum, dessen Andenken mir geblieben – Genug – der Mensch mit seinem seltsamen Beginnen, mit seinen wirren Reden, deuchte mir ein bedrohliches, gespenstisches Wesen, das uns vielleicht verlocken wollte in verderbliche Zauberkreise.«

«Welche Einbildungen«, rief Julia,»ich f?r mein Teil verwandle das schwarze Gespenst mit der Guitarre in den Monsieur Jacques, oder gar in den ehrlichen Probstein, dessen Philosophie beinahe so lautet, wie die wunderlichen Reden des Fremden. – Doch haupts?chlich ist es nun n?tig, die arme Kleine zu retten, die der Barbar so feindselig in das Geb?sch geschleudert hat.«—

«Julia – was beginnst Du – um des Himmels willen!«  rief die Prinzessin; doch ohne auf sie zu achten, schl?pfte Julia hinein in das Dickicht und kam nach wenigen Augenblicken triumphierend, die Guitarre, die der Fremde weggeworfen, in der Hand, zur?ck.

Die Prinzessin ?berwand ihre Scheu und betrachtete sehr aufmerksam das Instrument, dessen seltsame Form schon von hohem Alter zeugte, h?tte das auch nicht die Jahreszahl und der Name des Meisters best?tigt, den man durch die Schall?ffnung auf dem Boden deutlich wahrnahm. Schwarz einge?tzt waren n?mlich die Worte:»Stefano Pacini fec. Venet. 1532«.

Julia konnte es nicht unterlassen, sie schlug einen Akkord auf dem zierlichen Instrument an, und erschrak beinahe ?ber den m?chtigen, vollen Klang, der aus dem kleinen Dinge heraust?nte.»O herrlich – herrlich!«  rief sie aus und spielte weiter. Da sie aber gewohnt, nur ihren Gesang mit der Guitarre zu begleiten, so konnte es nicht fehlen, da? sie bald unwillk?rlich zu singen begann, indem sie weiter fortwandelte. Die Prinzessin folgte ihr schweigend. Julia hielt inne; da sprach Hedwiga:»Singe, spiele auf dem zauberischen Instrumente, vielleicht gelingt es Dir, die b?sen, feindlichen Geister, die Macht haben wollten ?ber mich, hinabzubeschw?ren in den Orkus.«

«Was willst Du«, erwiderte Julia,»mit Deinen b?sen Geistern, die sollen uns beiden fremd sein und bleiben, aber singen will ich und spielen; denn ich w??te nicht, da? jemals mir ein Instrument so zur Hand gewesen, mir ?berhaupt so zugesagt h?tte, als eben dieses. Mir scheint auch, als wenn meine Stimme viel besser dazu laute als sonst.«– Sie begann eine bekannte italienische Canzonetta und verlor sich in allerlei zierliche Melismen, gewagte L?ufe und Capriccios, Raum gebend dem vollen Reichtum der T?ne, der in ihrer Brust ruhte.

War die Prinzessin erschrocken ?ber den Anblick des Unbekannten, so erstarrte Julia zur Bilds?ule, als er, da sie eben in einen andern Gang einbiegen wollte, pl?tzlich vor ihr stand.

Der Fremde, wohl an drei?ig Jahre alt, war nach dem Zuschnitt der letzten Mode schwarz gekleidet. In seinem ganzen Anzuge fand sich durchaus nichts Sonderbares, Ungew?hnliches, und doch hatte sein Ansehen etwas Seltsames, Fremdartiges. Trotz der Sauberkeit seiner Kleidung war eine gewisse Nachl?ssigkeit sichtbar, die weniger von Mangel an Sorgfalt, als davon herzur?hren schien, da? der Fremde gezwungen worden, einen Weg zu machen, auf den er nicht gerechnet, und zu dem sein Anzug nicht pa?te. Mit aufgerissener Weste, das Halstuch nur leicht umschlungen, die Schuhe dick best?ubt, auf denen die goldnen Schn?llchen kaum sichtbar, stand er da, und n?rrisch genug sah es aus, da? er an dem kleinen dreieckigen H?tchen, das nur bestimmt, unter den Armen getragen zu werden, die hintere Krempe herabgeschlagen hatte, um sich gegen die Sonne zu sch?tzen. Er hatte sich durchgedr?ngt durch das tiefste Dickicht des Parks, denn sein wirres schwarzes Haar hing voller Tannadeln. Fl?chtig schaute er die Prinzessin an und lie? dann den seelenvollen leuchtenden Blick seiner gro?en dunkeln Augen auf Julia ruhen, deren Verlegenheit noch dadurch erh?ht wurde, so da? ihr, wie es in dergleichen F?llen ihr zu geschehen pflegte, die Tr?nen in die Augen traten.

«Und diese Himmelst?ne, «begann der Fremde endlich mit weicher, sanfter Stimme,»schweigen vor meinem Anblick und zerflie?en in Tr?nen?«

Die Prinzessin, den ersten Eindruck, den der Fremde auf sie gemacht, mit Gewalt niederk?mpfend, blickte ihn stolz an und sprach dann mit beinahe schneidendem Ton:»Allerdings ?berrascht uns Ihre pl?tzliche Erscheinung, mein Herr! man erwartet um diese Zeit keine Fremden mehr im f?rstlichen Park. – Ich bin die Prinzessin Hedwiga.«—

Der Fremde hatte sich, sowie die Prinzessin zu sprechen begann, rasch zu ihr gewendet und schaute ihr jetzt in die Augen, aber sein ganzes Antlitz schien ein anderes worden. – Vertilgt war der Ausdruck schwerm?tiger Sehnsucht, vertilgt jede Spur des tief im Innersten aufgeregten Gem?ts, ein toll verzerrtes L?cheln steigerte den Ausdruck bitterer Ironie bis zum Possierlichen, bis zum Skurrilen. – Die Prinzessin blieb, als tr?fe sie ein elektrischer Schlag, mitten in der Rede stecken und schlug, blutrot im ganzen Gesicht, die Augen nieder.

Es schien, als wollte der Fremde etwas sagen, in dem Augenblick begann indessen Julia:»Bin ich nicht ein dummes, t?richtes Ding, da? ich erschrecke, da? ich weine wie ein kindisches Kind, das man ertappt ?ber dem Naschen? – Ja, mein Herr, ich habe genascht, hier die trefflichsten T?ne weggenascht von Ihrer Guitarre – die Guitarre ist an allem schuld und unsere Neugier! – Wir haben Sie belauscht, wie Sie mit dem kleinen Dinge so h?bsch zu sprechen wu?ten, und wie Sie dann im Zorn die Arme wegschleuderten in das Geb?sch, da? sie im lauten Klageton aufseufzte, auch das haben wir gesehen. Und das ging mir so recht tief ins Herz, ich mu?te hinein in das Dickicht und das sch?ne, liebliche Instrument aufheben. – Nun, Sie wissen wohl, wie M?dchen sind, ich klimpere etwas auf der Guitarre und da fuhr es mir in die Finger – ich konnt' es nicht lassen. – Verzeihen Sie mir, mein Herr, und empfangen Sie Ihr Instrument zur?ck.«

Julia reichte die Guitarre dem Fremden hin.

«Es ist«, sprach der Fremde,»ein sehr seltnes klangvolles Instrument, noch aus alter, guter Zeit her, das nur in meinen ungeschickten H?nden – doch was H?nde – was H?nde! – Der wunderbare Geist des Wohllauts, der diesem kleinen seltsamen Dinge befreundet, wohnt auch in meiner Brust, aber eingepuppt, keiner freien Bewegung m?chtig; doch aus Ihrem Innern, mein Fr?ulein, schwingt er sich auf zu den lichten Himmelsr?umen, in tausend schimmernden Farben, wie das gl?nzende Pfauenauge. – Ha! mein Fr?ulein, als Sie sangen, aller sehns?chtige Schmerz der Liebe, alles Entz?cken s??er Tr?ume, die Hoffnung, das Verlangen, wogte durch den Wald und fiel nieder wie erquickender Tau in die duftenden Blumenkelche, in die Brust horchender Nachtigallen! – Behalten Sie das Instrument, nur Sie gebieten ?ber den Zauber, der in ihm verschlossen!«

«Sie warfen das Instrument fort«, erwiderte Julia hoch err?tend.

«Es ist wahr«, sprach der Fremde, indem er mit Heftigkeit die Guitarre ergriff und an seine Brust dr?ckte,»ich warf es fort und empfange es geheiligt zur?ck; nie kommt es mehr aus meinen H?nden.«—

Pl?tzlich verwandelte sich nun das Antlitz des Fremden wieder in jene skurrile Larve, und er sprach mit hohem, schneidenden Ton:»Eigentlich hat mir das Schicksal oder mein Kakod?mon einen sehr b?sen Streich gespielt, da? ich hier so ganz ex abrupto, wie die Lateiner und noch andere ehrliche Leute sagen, vor Ihnen erscheinen mu?, meine hochverehrtesten Damen! – O Gott, gn?digste Prinzessin, riskieren Sie es, mich anzuschauen von Kopf bis zu Fu?. Sie werden dann aus meinem Ajustement zu entnehmen geruhen, da? ich mich auf einer gro?en Visitenfahrt befinde. – Ha! ich gedachte eben bei Sieghartsweiler vorzufahren und der guten Stadt, wo nicht meine Person, doch wenigstens eine Visitenkarte abzugeben. – O Gott! fehlt es mir denn an Konnexionen, meine gn?digste Prinzessin? – War nicht sonst der Hofmarschall Dero Herrn Vaters mein Intimus? – Ich wei? es, sah er mich hier, so dr?ckte er mich an seine Atlasbrust und sagte ger?hrt, indem er mir eine Prise darbot:»Hier sind wir unter uns, mein Lieber, hier kann ich meinem Herzen und den angenehmsten Gesinnungen freien Lauf lassen.«– Audienz h?tte ich erhalten bei dem gn?digsten Herrn F?rsten Iren?us, und w?re auch Ihnen vorgestellt worden, o Prinzessin! Vorgestellt worden auf eine Weise, da? ich mein bestes Gespann von Septime-Akkorden gegen eine Ohrfeige setze, ich h?tte Ihre Huld erworben! – Aber nun! – hier im Garten am unschicklichsten Orte, zwischen Ententeich und Froschgraben, mu? ich mich selbst pr?sentieren, mir zum ewigen Malheur! – O Gott, k?nnt' ich nur was weniges hexen, k?nnt' ich nur subito diese edle Zahnstocherb?chse (er zog eine aus der Westentasche hervor) verwandeln in den schmuckesten Kammerherrn des Iren?usschen Hofes, welcher mich beim Fittich n?hme und spr?che: ›Gn?digste Prinzessin, hier ist der und der!‹ – Aber nun! – che far', che dir'! – Gnade – Gnade, o Prinzessin! o Damen! – o Herren!«

Damit warf sich der Fremde vor der Prinzessin nieder und sang mit kreischender Stimme:»Ah piet?, piet? Signora!«

Die Prinzessin fa?te Julien und rannte mit ihr unter dem lauten Ausruf: Es ist ein Wahnsinniger, ein Wahnsinniger, der dem Tollhause entsprungen! so schnell von dannen, als sie es nur vermochte.

Dicht vor dem Lustschlosse kam die R?tin Benzon den M?dchen entgegen, die atemlos ihr beinahe zu F??en sanken.»Was ist geschehen, um des Himmels willen, was ist Euch geschehen, was bedeutet die ?bereilte Flucht?«So fragte sie. Die Prinzessin vermochte, au?er sich, verst?rt, wie sie war, nur in abgebrochenen Reden etwas von einem Wahnsinnigen herzustammeln, der sie ?berfallen. Julia erz?hlte ruhig und besonnen, wie sich alles begeben, und schlo? damit, da? sie den Fremden durchaus nicht f?r wahnsinnig, sondern nur f?r einen ironischen Schalk, wirklich f?r eine Art von Monsieur Jacques halte, der zur Kom?die im Ardenner Walde passe.

Die R?tin Benzon lie? sich alles nochmals wiederholen, sie fragte nach dem kleinsten Umstande, sie lie? sich den Fremden beschreiben in Gang, Stellung, Geb?rde, Ton der Sprache usw.»Ja«, rief sie dann,»es ist nur zu gewi?, er ist es, er ist es selbst, kein anderer kann – darf es sein!«

«Wer – wer ist es?«fragte die Prinzessin ungeduldig.

«Ruhig, liebe Hedwiga, «erwiderte die Benzon,»Sie haben Ihren Atem umsonst verkeucht; kein Wahnsinniger ist dieser Fremde, der Ihnen so bedrohlich erschien. Welchen bittern, unziemlichen Scherz er sich auch seiner barocken Manier gem?? erlaubte, so glaube ich doch, da? Sie sich mit ihm auss?hnen werden.«

«Nimmermehr«, rief die Prinzessin,»sehe ich ihn wieder, den – unbequemen Narren.«

«Ei Hedwiga«, sprach die Benzon lachend,»welcher Geist gab Ihnen das Wort, unbequem, ein, das nach dem, was vorgegangen, viel besser pa?t, als Sie vielleicht selbst glauben und ahnen m?gen.«

«Ich wei? auch gar nicht«, begann Julia,»wie Du auf den Fremden so z?rnen magst, liebe Hedwiga? – Selbst in seinem n?rrischen Tun, in seinen wirren Reden, lag etwas, das auf seltsame und gar nicht unangenehme Weise mein Innerstes anregte. Wohl Dir, erwiderte die Prinzessin, indem ihr die Tr?nen in die Augen traten, da? Du so ruhig sein kannst und unbefangen, aber mir zerschneidet der Hohn des entsetzlichen Menschen das Herz! – Benzon, wer ist es, wer ist der Wahnsinnige?«»Mit zwei Worten«, sprach die Benzon,»erkl?re ich alles. Als ich mich vor f?nf Jahren in…«

(M. f. f.) – mich ?berzeugte, da? in einem echten, tiefen Dichtergem?t auch kindliche Tugend wohnt und Mitleid mit dem Bedr?ngnis der Genossen.

Eine gewisse Schwermut, wie sie oft junge Romantiker bef?llt, wenn sie den Entwicklungskampf der gro?en erhabenen Gedanken in ihrem Innern bestehen, trieb mich in die Einsamkeit. Unbesucht blieben mehrere Zeit hindurch Dach, Keller und Boden. Ich empfand mit jenem Dichter die s??en idyllischen Freuden im kleinen H?uschen am Ufer eines murmelnden Bachs, umschattet von d?ster belaubten H?ngebirken und Trauerweiden, und blieb, mich meinen Tr?umen hingebend, unter dem Ofen. So kam es aber, da? ich Mina, die s??e, sch?ngefleckte Mutter, nicht wiedersah. – In den Wissenschaften fand ich Trost und Beruhigung. O, es ist etwas Herrliches um die Wissenschaften! – Dank, gl?hender Dank dem edlen Mann, der sie erfunden! – Wie viel herrlicher, wie viel n?tzlicher ist diese Erfindung, als jene des entsetzlichen M?nchs, der zuerst es unternahm, Pulver zu fabrizieren, ein Ding, das mir, seiner Natur und Wirkung nach, in den Tod zuwider. Die richtende Nachwelt hat auch den Barbaren, den h?llischen Barthold, gestraft mit h?hnender Verachtung, indem man noch heutigen Tages, um einen scharfsinnigen Gelehrten, einen umschauenden Statistiker, kurz, jeden Mann von exquisiter Bildung, recht hoch zu stellen, sprichw?rtlich sagt: Er hat das Pulver nicht erfunden!

Zur Belehrung der hoffnungsvollen Katerjugend, kann ich nicht unbemerkt lassen, da? ich, wollte ich studieren, mit zugedr?ckten Augen in die Bibliothek meines Meisters sprang, und dann das Buch, was ich angekrallt, herauszupfte und durchlas, mochte es einen Inhalt haben wie es wollte. Durch diese Art zu studieren gewann mein Geist diejenige Biegsamkeit und Mannigfaltigkeit, mein Wissen den bunten gl?nzenden Reichtum, den die Nachwelt an mir bewundern wird. Der B?cher, die ich in dieser Periode des dichterischen Schwermuts hintereinander las, will ich hier nicht erw?hnen, teils, weil sich dazu eine schicklichere Stelle vielleicht finden wird, teils, weil ich auch die Titel davon vergessen, und dies wieder gewisserma?en darum, weil ich die Titel meistenteils nicht gelesen, und also nie gewu?t habe. – Jedermann wird mit dieser Erkl?rung zufrieden sein, und mich nicht biographischen Leichtsinnes anklagen.

Mir standen neue Erfahrungen bevor.

Eines Tages, als mein Meister eben in einen gro?en Folianten vertieft war, den er vor sich aufgeschlagen, und ich dicht bei ihm unter dem Schreibtisch, auf einem Bogen des sch?nsten Royalpapiers liegend, mich in griechischer Schrift versuchte, die mir vorz?glich in der Pfote zu liegen schien, trat rasch ein junger Mann hinein, den ich schon mehrmals bei dem Meister gesehen, und der mich mit freundlicher Hochachtung, ja mit der wohltuenden Verehrung behandelte, die dem ausgezeichneten Talent, dem entschiedenen Genie geb?hrt. Denn nicht allein, da? er jedesmal, nachdem er den Meister begr??t, zu mir sprach: Guten Morgen Kater! so kraute er mir auch jedesmal mit leichter Hand hinter den Ohren, und streichelte mir sanft den R?cken, so da? ich in diesem Betragen wahre Aufmunterung fand, meine innern Gaben leuchten zu lassen vor der Welt.

Heute sollte sich alles anders gestalten!

Wie sonst niemals sprang n?mlich heute dem jungen Mann ein schwarzes zottiges Ungeheuer mit gl?henden Augen nach zur T?re hinein, und als es mich erblickte, gerade auf mich zu. Mich ?berfiel eine unbeschreibliche Angst, mit einem Satz war ich auf dem Schreibtisch meines Meisters, und stie? T?ne des Entsetzens und der Verzweiflung aus, als das Ungeheuer hoch hinaufsprang nach dem Tisch, und dazu einen m?rderlichen L?rm machte. Mein guter Meister, dem um mich bange, nahm mich auf den Arm, und steckte mich unter den Schlafrock. Doch der junge Mann sprach: ›Seid doch nur ganz unbesorgt, lieber Meister Abraham! Mein Pudel tut keiner Katze was, er will nur spielen. Setzt den Kater nur hin, sollt Euch freuen wie die Leutchen miteinander Bekanntschaft machen werden, mein Pudel und Euer Kater.

Mein Meister wollte mich wirklich niedersetzen, ich klammerte mich aber fest an, und begann kl?glich zu lamentieren, wodurch ich es denn wenigstens dahin brachte, da? der Meister mich, als er sich niederlie?, dicht neben sich auf dem Stuhle litt.

Ermutigt durch meines Meisters Schutz, nahm ich, auf den Hinterpfoten sitzend, den Schweif umschlungen, eine Stellung an, deren W?rde, deren edler Stolz meinem vermeintlichen schwarzen Gegner imponieren mu?te. Der Pudel setzte sich vor mir hin auf die Erde, schaute mir unverwandt ins Auge, und sprach zu mir in abgebrochnen Worten, die mir freilich unverst?ndlich blieben. Meine Angst verlor sich nach und nach ganz und gar, und ruhig geworden im Gem?t, vermochte ich zu bemerken, da? in dem Blick des Pudels nichts zu entdecken, als Gutm?tigkeit und biederer Sinn. Unwillk?rlich fing ich an, meine zum Vertrauen geneigte Seelenstimmung durch sanftes Hin- und Herbewegen des Schweifes an den Tag zu legen, und sogleich begann auch der Pudel mit dem kurzen Schweiflein zu wedeln auf die anmutigste Weise.

O! mein Inneres hatte ihn angesprochen, nicht zu zweifeln war an dem Anklang unserer Gem?ter! – Wie, sprach ich zu mir selbst, wie konnte dich das ungewohnte Betragen dieses Fremden so in Furcht und Schrecken setzen? – Was bewies dieses Springen, dieses Klaffen, dieses Toben, dieses Rennen, dieses Heulen anders als den in Liebe und Lust, in der freudigen Freiheit des Lebens heftig und m?chtig bewegten J?ngling? – O es wohnt Tugend, edle Pudelt?mlichkeit in jener schwarz bepelzten Brust! – Durch diese Gedanken erkr?ftigt, beschlo? ich, den ersten Schritt zu tun zu n?herer engerer Einigung unserer Seelen, und herabzusteigen von dem Stuhl des Meisters.

Sowie ich mich erhob und dehnte, sprang der Pudel auf und in der Stube umher, mit lautem Klaffen! – ?u?erungen eines herrlichen lebenskr?ftigen Gem?ts! – Es war nichts mehr zu bef?rchten, ich stieg sogleich herab, und n?herte mich behutsam leisen Schrittes dem neuen Freunde. Wir begannen jenen Akt, der in bedeutender Symbolik die n?here Erkenntnis verwandter Seelen, den Abschlu? des aus dem inneren Gem?t heraus bedingten B?ndnisses ausdr?ckt, und den der kurzsichtige frevelige Mensch mit dem gemeinen unedlen Ausdruck» Beschn?ffeln«, bezeichnet. Mein schwarzer Freund bezeigte Lust, etwas von den H?hnerknochen zu genie?en, die in meiner Speisesch?ssel lagen. So gut ich es vermochte, gab ich ihm zu verstehen, da? es der Weltbildung, der H?flichkeit gem?? sei, ihn als meinen Gast zu bewirten. Er fra? mit erstaunlichem Appetit, w?hrend ich von weitem zusah. – Gut war es doch, da? ich den Bratfisch beiseite gebracht und einmagaziniert unter mein Lager. – Nach der Tafel begannen wir die anmutigsten Spiele, bis wir uns zuletzt, ganz ein Herz und eine Seele, umhalsten, und fest aneinander geklammert, uns einmal ?ber das andere ?berkugelnd, uns innige Treue und Freundschaft zuschworen.

Ich wei? nicht, was dieses Zusammentreffen sch?ner Seelen, dieses Einandererkennen herziger J?nglingsgem?ter, L?cherliches in sich tragen konnte; so viel ist aber gewi?, da? beide, mein Meister und der fremde junge Mann, unaufh?rlich aus vollem Halse lachten, zu meinem nicht geringen Verdru?.

Auf mich hatte die neue Bekanntschaft einen tiefen Eindruck gemacht, so da? ich in der Sonne und im Schatten, auf dem Dach und unter dem Ofen, nichts dachte, nichts sann, nichts tr?umte, nichts empfand als, Pudel – Pudel – Pudel! Dadurch ging mir das innerste Wesen des Pudeltums m?chtig auf, mit gl?nzenden Farben, und durch diese Erkenntnis wurde das tiefsinnige Werk geboren, dessen ich schon erst erw?hnte, n?mlich: Gedanke und Ahnung, oder Kater und Hund. Sitten, Gebr?uche, Sprache beider Geschlechter, entwickelte ich als tief bedingt durch ihr eigent?mlichstes Wesen und bewies, wie beide nur diverse Strahlen, aus einem Prisma geworfen. Vorz?glich fa?te ich den Charakter der Sprache auf, und bewies, da? da Sprache ?berhaupt nur symbolische Darstellung des Naturprinzips in der Gestaltung des Lauts sei, mithin es nur eine Sprache geben k?nne, auch das K?tzische und H?ndische in der besondern Formung des Pudelischen, Zweige eines Baumes w?ren, von h?herem Geist inspirierte Kater und Pudel sich daher verst?nden. Um meinen Satz ganz ins klare zu stellen, f?hrte ich mehrere Beispiele aus beiden Sprachen an und machte auf die gleichen Stammwurzeln aufmerksam, von: Bau – Bau – Mau – Miau – Blaf blaf – Anvau – Korr – Kurr – Ptsi – Pschrzi usw.

Nachdem das Buch vollendet, f?hlte ich die unwiderstehlichste Lust, das Pudelische wirklich zu erlernen, welches mir, verm?ge meines neu erworbenen Freundes, des Pudels Ponto, wiewohl nicht ohne M?he, gelang, da das Pudelische f?r uns Kater wirklich eine schwere Sprache. Genies finden sich indes in alles, und eben diese Genialit?t ist es, die ein ber?hmter menschlicher Schriftsteller verkennt, wenn er behauptet, da?, um eine fremde Sprache, mit allen Eigent?mlichkeiten des Volks, dem Volke nachzusprechen, man durchaus was weniges ein Narr sein m?sse. Mein Meister hatte freilich dieselbe Meinung, und mochte eigentlich nur die gelehrte Kenntnis der fremden Sprache statuieren, welche Kenntnis er dem Parlieren entgegensetzte, worunter er die Fertigkeit verstand, in einer fremden Sprache ?ber nichts und um nichts reden zu k?nnen. Er ging so weit, da? er das Franz?sisch sprechen unserer Herren und Damen vom Hofe f?r eine Art von Krankheit hielt, die, wie kataleptische Zuf?lle, mit schrecklichen Symptomen eintrete, und h?rte ich ihn diese absurde Behauptung gegen den Hofmarschall des F?rsten selbst ausf?hren.

«Erzeigen Sie, «sprach Meister Abraham,»mir die G?te, beste Exzellenz, und beobachten Sie sich selbst! Hat Ihnen der Himmel nicht ein sch?nes vollt?nendes Stimmorgan verliehen, und wenn Ihnen das Franz?sische ankommt, da beginnen Sie pl?tzlich zu zischen, zu lispeln, zu schnarren, und dabei verzerren sich Dero angenehme Gesichtsz?ge ganz erschrecklich, und selbst der h?bsche, feste, ernste Anstand, dessen Dieselben sonst m?chtig, wird verst?rt durch allerlei seltsame Konvulsionen. Was kann dies alles anders bedeuten, als emp?rtes Treiben irgendeines fatalen Krankheitskobolds im Innern!«  – Der Hofmarschall lachte sehr, und zum Lachen war auch wirklich Meister Abrahams Hypothese von der Krankheit fremder Sprachen.

Ein sinnreicher Gelehrter gibt in irgendeinem Buche den Rat, da? man sich bem?hen m?ge in der fremden Sprache, die man rasch erlernen will, zu denken. Der Rat ist vortrefflich, seine Ausf?hrung aber nicht ohne Gefahr. Es gelang mir n?mlich sehr bald, pudelisch zu denken, ich vertiefte mich aber in diese pudelischen Gedanken so sehr, da? meine eigentliche Sprachfertigkeit zur?ckblieb, und ich selbst nicht verstand was ich dachte. Diese nicht verstandenen Gedanken brachte ich meistenteils zu Papier, und ich erstaune ?ber die Tiefe dieser Sprache, die ich unter dem Titel» Akanthusbl?tter «gesammelt, und die ich noch nicht verstehe.

Ich glaube, da? diese kurzen Andeutungen ?ber die Geschichte meiner Jugendmonate hinreichen d?rften, dem Leser ein deutliches Bild davon zu geben was ich bin und wie ich es wurde.

Unm?glich kann ich mich aber von der Bl?tezeit meines merkw?rdigen ereignisreichen Lebens trennen, ohne noch eines Vorfalls zu erw?hnen, der gewisserma?en meinen ?bertritt in die Jahre der reifern Bildung bezeichnet. Die Katerjugend wird daraus lernen, da? keine Rose ohne Dornen ist, und da? dem m?chtig emporstrebenden Geiste manches Hindernis gelegt, mancher Stein des Ansto?es in den Weg geworfen wird, an dem er sich die Pfoten wund sto?en mu?. – Und der Schmerz solcher Wunden ist empfindlich, sehr empfindlich! —

Gewi?, hast du mich, geliebter Leser, beinahe beneidet um meine gl?ckliche Jugendzeit, um den g?nstigen Stern der ?ber mich wachte! – In D?rftigkeit von vornehmen aber armen Eltern geboren, dem schmachvollen Tode nahe, komme ich pl?tzlich in den Scho? des ?berflusses, in den Peruschacht der Literatur! – Nichts st?rt meine Bildung, nichts widerstrebt meinen Neigungen, mit Riesenschritten gehe ich der Vollkommenheit entgegen, die mich hoch erhebt ?ber meine Zeit. Da h?lt mich pl?tzlich ein Zollverwalter an und fordert den Tribut, dem alles hienieden unterworfen!

Wer h?tte denken sollen, da? unter den Banden der s??esten, innigsten Freundschaft die Dornen verborgen, die mich ritzen, verwunden, blutig verwunden mu?ten!

Jeder, der ein gef?hlvolles Herz im Busen tr?gt, wie ich, wird aus dem, was ich ?ber mein Verh?ltnis mit dem Pudel Ponto gesagt, sehr leicht entnehmen k?nnen, was der Teure mir war, und doch mu?te er es sein, der den ersten Anla? gab zu der Katastrophe, die mich g?nzlich verderben konnte, h?tte der Geist meines gro?en Ahnherrn nicht ?ber mich gewacht. – Ja mein Leser! – ich hatte einen Ahnherrn, einen Ahnherrn, ohne den ich gewisserma?en gar nicht existieren w?rde – einen gro?en vortrefflichen Ahnherrn, einen Mann von Stande, Ansehen, Verm?gen, ausgebreiteter Wissenschaft, mit einer ganz vortrefflichen Sorte Tugend, mit der feinsten Menschenliebe begabt, einen Mann von Eleganz und Geschmack, nach dem neuesten Geschmack – einen Mann der – doch dies alles jetzt nur beil?ufig gesagt, k?nftig mehr von dem W?rdigen, der niemand anders war, als der ber?hmte Premierminister Hinz von Hinzenfeldt, der der Welt so teuer, so ?ber alles wert worden unter dem Namen des gestiefelten Katers. —

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