Wie gesagt, k?nftig mehr von dem edelsten der Kater! —
Konnt' es anders sein; mu?t' ich, als ich mich im Pudelischen leicht und zierlich auszudr?cken vermochte, mit meinem Freunde Ponto nicht davon reden, was mir das H?chste im Leben war, n?mlich von mir selbst und von meinen Werken? So kam es, da? er mit meinen besondern Geistesgaben, mit meiner Genialit?t, mit meinem Talent bekannt wurde, und hier entdeckte ich zu meinem nicht geringen Leid, da? ein un?berwindlicher Leichtsinn, ja ein gewisser ?bermut es dem jungen Ponto unm?glich machte, in den K?nsten und Wissenschaften etwas zu tun. Statt in Erstaunen zu geraten ?ber meine Kenntnis, versicherte er, da? es gar nicht zu begreifen, wie ich darauf fallen k?nnte, mich mit derlei Dingen abzugeben, und da? er seinerseits, was K?nste betreffe, sich lediglich darauf beschr?nke, ?ber den Stock zu springen, und seines Herrn M?tze aus dem Wasser zu apportieren, die Wissenschaften anlangend er aber der Meinung sei, da? Leute, wie ich und er, sich nur den Magen dabei verd?rben und allen Appetit g?nzlich verl?ren.
Bei einem solchen Gespr?ch, in dem ich mich m?hte, meinen jungen leichtsinnigen Freund eines Bessern zu belehren, geschah das Entsetzliche. Denn ehe ich mir's versah, sprang…
(Mak. Bl.) —»Und immer werden Sie«, erwiderte die Benzon, mit dieser phantastischen ?berspanntheit,»mit dieser herzzerschneidenden Ironie nichts anstiften als Unruhe – Verwirrung – v?llige Dissonanz aller konventionellen Verh?ltnisse, wie sie nun einmal bestehen.«
«O wundervoller Kapellmeister«, rief Johannes Kreisler lachend, der solcher Dissonanzen m?chtig!
«Seien Sie ernst«, fuhr die R?tin fort,»Sie entkommen mir nicht durch bittern Scherz! Ich halte Sie fest, lieber Johannes! – Ja, so will ich Sie nennen, mit dem sanften Namen Johannes, damit ich wenigstens hoffen darf, da? hinter der Satyrmaske am Ende ein sanftes, weiches Gem?t verborgen. Und dann! – nimmermehr werde ich mich davon ?berzeugen, da? der bizarre Name: Kreisler, nicht eingeschw?rzt, nicht einem ganz andern Familien-Namen untergeschoben sein sollte!«
«R?tin«, sprach Kreisler, indem sein ganzes Gesicht in einem seltsamen Muskelspiel an tausend Falten und Furchen vibrierte,»teuerste R?tin, was haben Sie gegen meinen ehrlichen Namen? – Vielleicht f?hrte ich sonst einen andern, aber das ist lange her, und mir geht es so wie dem Ratgeber in Tiecks ›Blaubart‹, der da sagt: ›Ich hatte sonst einmal einen ganz vortrefflichen Namen, durch die L?nge der Zeit hab' ich ihn fast vergessen, ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. ‹«
Besinnen Sie sich, Johannes, rief die R?tin, ihn mit leuchtenden Blicken durchbohrend, der halbvergessene Name kommt Ihnen gewi? wieder in die Gedanken!
«Durchaus nicht, Teuerste«, erwiderte Kreisler,»es ist unm?glich, und ich vermute beinahe, da? die dunkle Erinnerung, wie ich sonst, was eben meine ?u?ere Gestalt r?cksichts des Namens als Lebenspasseport betrifft, anders gestaltet, aus der angenehmen Zeit herr?hrt, da ich eigentlich noch gar nicht geboren. – Erzeigen Sie mir die G?te, Verehrungsw?rdigste, betrachten Sie meinen schlichten Namen im geh?rigen Licht, und Sie werden ihn, was Zeichnung, Kolorit und Physiognomie betrifft, allerliebst finden! Noch mehr! st?lpen Sie ihn um, sezieren Sie ihn mit dem grammatischen Anatomiermesser, immer herrlicher wird sich sein innerer Gehalt zeigen. Es ist ganz unm?glich, Vortreffliche! da? Sie meines Namens Abstammung in dem Worte Kraus finden, und mich, nach der Analogie des Wortes Haarkr?usler, f?r einen Tonkr?usler, oder gar f?r einen Kr?usler ?berhaupt halten k?nnen, da ich mich alsdann eben Kr?usler schreiben m??te. Sie k?nnen nicht wegkommen von dem Worte Kreis, und der Himmel gebe, da? Sie dann gleich an die wunderbaren Kreise denken m?gen, in denen sich unser ganzes Sein bewegt, und aus denen wir nicht herauskommen k?nnen, wir m?gen es anstellen wie wir wollen. In diesen Kreisen kreiselt sich der Kreisler, und wohl mag es sein, da? er oft, erm?det von den Spr?ngen des St. Veits-Tanzes, zu dem er gezwungen, rechtend mit der dunklen unerforschlichen Macht, die jene Kreise umschrieb, sich mehr als es einem Magen, der ohnedies nur schw?chlicher Konstitution, zusagt, hinaussehnt ins Freie. Und der tiefe Schmerz dieser Sehnsucht mag nun wieder eben jene Ironie sein, die Sie, Verehrte! so bitter tadeln, nicht beachtend, da? die kr?ftige Mutter einen Sohn gebar, der in das Leben eintritt wie ein gebietender K?nig. Ich meine den Humor, der nichts gemein hat mit seinem ungeratenen Stiefbruder, dem Spott! – Ja, sprach die R?tin, eben dieser Humor, dieser Wechselbalg einer ausschweifenden, grillenhaften Phantasie ohne Gestalt, ohne Farbe, von dem ihr harten M?nnerseelen selbst nicht wi?t, f?r wen ihr ihn ausgeben sollt nach Stand und W?rden, eben dieser ist es, den ihr uns gern als etwas Gro?es, Herrliches unterschieben m?chtet, wenn ihr alles, was uns lieb und wert, in bitterm Hohne zu vernichten trachtet. Wissen Sie wohl, Kreisler, da? Prinzessin Hedwiga noch jetzt ganz au?er sich ist ?ber Ihre Erscheinung, ?ber Ihr Betragen im Park? Reizbar, wie sie ist, verwundet sie jeder Scherz, in dem sie nur die leiseste Verspottung ihrer Pers?nlichkeit findet, ?berdies aber beliebten Sie, lieber Johannes, sich ihr als ein vollkommen Wahnsinniger darzustellen, und ihr so ein Entsetzen zu erregen, das sie h?tte auf das Krankenlager werfen k?nnen. Ist das zu entschuldigen?«
«Ebensowenig«, erwiderte Kreisler,»als wenn ein Prinze?lein es unternimmt, in dem offnen Park ihres Herrn Papas einem Fremden von honettem Ansehen, der ihr zuf?llig begegnet, durch ihre kleine Person imponieren zu wollen.«
«Dem sei wie ihm wolle«, fuhr die R?tin fort,»genug, Ihre abenteuerliche Erscheinung in unserm Park h?tte b?se Folgen haben k?nnen. Da? diese abgewandt, da? die Prinzessin wenigstens sich an den Gedanken gew?hnt Sie wiederzusehen, alles das haben wir meiner Julia zu verdanken. Sie allein nimmt Sie in Schutz, indem sie in allem, was Sie begonnen, was Sie gesprochen, nur den Ergu? einer ?berspannten Laune findet, wie sie oft einem tief verletzten oder zu reizbaren Gem?t eigen. Mit einem Wort, Julia, die erst vor kurzer Zeit Shakespeares: ›Wie es euch gef?llt‹, kennen gelernt, hat Sie gerade mit dem melancholischen Monsieur Jacques verglichen.«
«O du ahnendes Himmelskind!« rief Kreisler, indem ihm die Tr?nen in die Augen traten.
«?berdies«, sprach die Benzon weiter,»hat meine Julia in Ihnen, als Sie auf der Guitarre phantasierten und, wie sie erz?hlt, dazwischen sangen und sprachen, den sublimen Musiker und Komponisten erkannt. Sie meint, in dem Augenblick sei ihr ein ganz besonderer Geist der Musik aufgegangen, sie habe, wie von unsichtbarer Macht dazu gezwungen, singen und spielen m?ssen, und das sei ihr gar anders gegl?ckt, als sonst jemals. – Erfahren Sie nur, Julia konnte sich gar nicht darin finden, da? sie den seltsamen Mann nicht wiedersehen, da? er ihr nur wie ein anmutig wunderlicher, musikalischer Spuk erschienen sein solle; wogegen die Prinzessin mit aller ihr eignen Heftigkeit behauptete, da? ein zweiter Besuch des gespenstischen Wahnsinnigen ihr den Tod geben w?rde. Da die M?dchen sonst ein Herz und eine Seele sind, und niemals eine Entzweiung unter ihnen stattgefunden, so konnt' ich mit vollem Recht behaupten, da? sich jene Szene aus fr?her Kindheit umgekehrt wiederhole, als Julia einen etwas bizarren Skaramuz, der ihr einbeschert worden, durchaus in den Kamin werfen wollte, die Prinzessin hingegen ihn in Schutz nahm und f?r ihren Liebling erkl?rte.«
«Ich lasse mich«, fiel Kreisler der Benzon laut lachend in die Rede,»ein zweiter Skaramuz, von der Prinzessin in den Kamin werfen, und vertraue der s??en Huld der holden Julia.«– «Sie m?ssen«, fuhr» die Benzon fort, die Erinnerung an den Skaramuz f?r einen humoristischen Einfall halten, und diesen k?nnen Sie, Ihrer eigenen Theorie gem??, nicht ?bel deuten. ?brigens m?gen Sie es sich wohl vorstellen, da? ich in der Schilderung, die die M?dchen mir von Ihrer Erscheinung, von dem ganzen Vorfall im Park machten, Sie augenblicklich wiedererkannte, und da? es Juliens Sehnsucht Sie wiederzusehen, gar nicht bedurfte; ohnedies h?tte ich in dem n?chsten Augenblick alle Leute, die mir zu Gebote standen, in Bewegung gesetzt, den ganzen Park, ganz Sieghartsweiler durchsuchen lassen, um Sie, der mir bei kurzer Bekanntschaft so wert geworden, wiederzufinden. Alle Nachforschungen blieben vergebens, ich glaubte Sie verloren, um so mehr mu?te ich erstaunen, als Sie heute morgen bei mir eintraten. Julia ist bei der Prinzessin, welch ein Zwiespalt der verschiedensten Empfindungen w?rde sich erheben, wenn die M?dchen in diesem Augenblick Ihre Ankunft erf?hren. – Was Sie, den ich als wohlbestallten Kapellmeister an dem Hofe des Gro?herzogs glaubte, so pl?tzlich herbringt, dar?ber verlange ich nur dann Aufschlu?, wenn es Ihnen recht und gem?tlich sein wird, mir dar?ber etwas zu sagen.«
Kreisler war, als die R?tin dies alles sprach, in tiefes Nachdenken versunken. Er starrte zur Erde nieder und fingerte an der Stirn wie einer, der sich auf etwas Vergessenes zu besinnen trachtet.
«Ach«, begann er, als die R?tin schwieg,»das ist eine sehr alberne Geschichte, kaum des Erz?hlens wert. Doch so viel ist gewi?, da? das, was die kleine Prinzessin f?r die wirren Reden eines Wahnwitzigen zu halten geruht hat, in der Wahrheit begr?ndet ist. In der Tat befand ich mich damals, als ich das Ungl?ck hatte, die kleine Reizbare im Park zu erschrecken, auf einer Visitenfahrt, denn ich kam eben von einer Visite, die ich niemanden anders abstattete, als dem Durchlauchtigsten Gro?herzoge selbst, und hier in Sieghartsweiler wollte ich nun ja eben mit den au?erordentlichsten, angenehmsten Visiten kontinuieren.«
«O Kreisler«, rief die R?tin, ein wenig l?chelnd, niemals lachte sie stark und laut,»das ist gewi? wieder irgendein bizarrer Einfall, dem Sie freien Lauf gestattet. Irre ich nicht, so liegt die Residenz wenigstens drei?ig Stunden entfernt von Sieghartsweiler.«
«So ist es«, erwiderte Kreisler,»aber man wandelt in einem Garten, der mir in solch gro?em Stil angelegt scheint, da? selbst ein Le Notre dar?ber erstaunen m??te. Statuieren Sie nun, Verehrte, nicht meine Visitenfahrt, so m?gen Sie bedenken, da? ein empfindsamer Kapellmeister, Stimme in Kehle und Brust, Guitarre in der Hand, lustwandelnd durch duftende W?lder, ?ber frisch gr?nende Wiesen, ?ber wildget?rmtes Steingekl?ft, ?ber schmale Stege, unter denen die Waldb?che sch?umend fortbrausen, ja, da? ein solcher Kapellmeister als Solos?nger einstimmend in die Ch?re, die ?berall ihn umt?nen, sehr leicht hineingeraten kann in einzelne Partien des Gartens, absichtslos, ohne es zu wollen. So mag ich hineingeraten sein in den f?rstlichen Park zu Sieghartshof, der nichts ist als eine etwas kleinliche Partie in dem gro?en Park, den die Natur anlegte. – Doch nein, es ist dem nicht so! – Als Sie vorhin davon sprachen, wie ein ganzes lustiges J?gervolk aufgeboten worden, mich einzufangen als jagdbares Wild, das sich verlaufen, gewann ich erst die innere feste ?berzeugung von der Notwendigkeit meines Hierseins – eine Notwendigkeit, die mich, h?tte ich auch meinen irren Lauf fortsetzen wollen, ins Garn treiben mu?te. – Sie erw?hnten g?tigst, da? meine Bekanntschaft Ihnen wert geworden, mu?ten mir dabei nicht jene verh?ngnisvollen Tage der Verwirrung, der allgemeinen Not einfallen, in denen uns das Schicksal zusammenf?hrte? Sie fanden mich damals hin und her schwankend, unf?hig, einen Entschlu? zu fassen, zerrissen im innersten Gem?t. Sie nahmen mich auf mit freundlicher Gesinnung, und indem Sie, mir den klaren, wolkenlosen Himmel einer ruhigen, in sich abgeschlossenen Weiblichkeit auftuend, mich zu tr?sten gedachten, tadelten und verziehen Sie zugleich die tolle Ausgelassenheit meines Treibens, welches Sie einer durch den Drang der Umst?nde herbeigef?hrten trostlosen Verzweiflung zuschrieben. Sie entzogen mich einer Umgebung, die ich selbst f?r zweideutig anerkennen mu?te; Ihr Haus wurde das friedliche, freundliche Asyl, in dem ich, Ihren stillen Schmerz ehrend, den meinigen verga?. Ihre Gespr?che voll Heiterkeit und Milde wirkten als wohltuende Arznei, ohne da? Sie meine Krankheit kannten. Nicht die bedrohlichen Ereignisse, die meine Stellung im Leben vernichten konnten, waren es, die so feindlich auf mich wirkten. L?ngst hatte ich gew?nscht, Verh?ltnisse aufzugeben, die mich dr?ckten und ?ngstigten, und nicht z?rnen konnte ich auf das Schicksal, welches das bewirkte, was auszuf?hren ich selbst so lange nicht Mut und Kraft genug gehabt hatte. Nein! – Als ich mich frei f?hlte, da erfa?te mich jene unbeschreibliche Unruhe, die, seit meinen fr?hen Jugendjahren, so oft mich mit mir selbst entzweit hat. Nicht die Sehnsucht ist es, die, wie jener tiefe Dichter so herrlich sagt, aus dem h?heren Leben entsprungen, ewig w?hrt, weil sie ewig nicht erf?llt wird, weder get?uscht noch hintergangen, sondern nur nicht erf?llt, damit sie nicht sterbe; nein – ein w?stes, wahnsinniges Verlangen bricht oft hervor nach einem Etwas, das ich in rastlosem Treiben au?er mir selbst suche, da es doch in meinem eigenen Innern verborgen, ein dunkles Geheimnis, ein wirrer, r?tselhafter Traum von einem Paradies der h?chsten Befriedigung, das selbst der Traum nicht zu nennen, nur zu ahnen vermag, und diese Ahnung ?ngstigt mich mit den Qualen des Tantalus. Dies Gef?hl bemeisterte sich schon, als ich noch ein Kind, meiner oft so pl?tzlich, da? ich mitten aus dem frohsten Spiel mit meinen Kameraden davonlief in den Wald, auf den Berg, dort mich niederwarf auf die Erde und trostlos weinte und schluchzte, unerachtet ich eben der Tollste, Ausgelassenste von allen gewesen. Sp?ter lernte ich mich selbst mehr bek?mpfen, aber nicht auszusprechen vermag ich die Marter meines Zustandes, wenn in der heitersten Umgebung gem?tlicher, wohlwollender Freunde, bei irgendeinem Kunstgenu?, ja selbst in den Momenten, wenn meine Eitelkeit in Anspruch genommen wurde auf diese, jene Weise, ja! wenn mir dann pl?tzlich alles elend, nichtig, farblos, tot erschien und ich mich versetzt f?hlte in eine trostlose Ein?de. Nur einen Engel des Lichts gibt es, der Macht hat ?ber den b?sen D?mon. Es ist der Geist der Tonkunst, der oft aus mir selbst sich siegreich erhebt, und vor dessen m?chtiger Stimme alle Schmerzen irdischer Bedr?ngnis verstummen.«—
«Immer«, nahm die R?tin das Wort,»habe ich geglaubt, da? die Musik auf Sie zu stark, mithin verderblich wirke; denn indem bei der Auff?hrung irgendeines vortrefflichen Werks Ihr ganzes Wesen durchdrungen schien, ver?nderten sich alle Z?ge Ihres Gesichts. Sie erbla?ten, Sie waren keines Wortes m?chtig, Sie hatten nur Seufzer und Tr?nen, und fielen dann her mit dem bittersten Spott, mit tief verletzendem Hohn, ?ber jeden, der auch nur ein Wort ?ber das Werk des Meisters sagen wollte. – Ja, wenn – «
«O beste R?tin«, fiel Kreisler der Benzon ins Wort, indem er, so ernst und tiefbewegt er zuvor gesprochen, pl?tzlich den besondern Ton der Ironie wieder aufnahm, der ihm eigen,»das ist nun alles anders geworden. Sie glauben gar nicht, Verehrte, was ich an dem gro?herzoglichen Hofe artig und gescheut geworden bin. Ich kann mit der gr??ten Seelenruhe und Gem?tlichkeit zum ›Don Juan‹ und zur ›Armida‹ den Takt schlagen, ich kann der ersten S?ngerin freundlich zuwinken, wenn sie in der merkw?rdigsten Kadenz auf den Sprossen der Tonleiter herumhopst, ich kann, wenn der Hofmarschall nach Haydn's ›Jahreszeiten‹ mir zufl?stert: ›C'etoit bien ennuyant, mon cher ma?tre de chapelle‹, l?chelnd mit dem Kopfe nicken und eine bedeutungsvolle Prise nehmen, ja ich kann es geduldig anh?ren, wenn der kunstverst?ndige Kammer- und Spektakelherr mir weitl?uftig demonstriert, da? Mozart und Beethoven den Teufel was von Gesang verst?nden, und da? Rossini, Pucitta und wie die M?nnerchen alle hei?en m?gen, sich ? la hauteur aller Opernmusik geschwungen. – Ja, Verehrte, Sie glauben nicht, was ich w?hrend meiner Kapellmeisterschaft profitiert, vorz?glich aber die sch?ne ?berzeugung, wie gut es ist, wenn K?nstler f?rmlich in Dienst treten; der Teufel und seine Gro?mutter k?nnte es sonst mit dem stolzen, ?berm?tigen Volke aushalten! La?t den braven Komponisten Kapellmeister oder Musikdirektor werden, den Dichter Hofpoet, den Maler Hofportr?tisten, den Bildhauer Hofportr?tmei?ler, und Ihr habt bald keine unn?tzen Phantasten mehr im Lande, vielmehr lauter n?tzliche B?rger von guter Erziehung und milden Sitten!«—
«Still, still«, rief die R?tin unmutig,»halten Sie ein, Kreisler, Ihr Steckenpferd f?ngt wieder an, sich zu b?umen, nach gew?hnlicher Art und Weise. ?brigens merke ich Unrat, und w?nsche jetzt in der Tat recht sehnlich zu wissen, welch ein schlimmes Ereignis Sie zur schnellen, ?bereilten Flucht aus der Residenz n?tigte. Denn auf eine solche Flucht deuten alle Umst?nde Ihrer Erscheinung im Park.«
«Und ich«, sprach Kreisler ruhig, indem er seinen Blick fest auf die R?tin heftete,»ich kann versichern, da? das schlimme Ereignis, welches mich forttrieb aus der Residenz, unabh?ngig von allen ?u?ern Dingen, nur in mir selbst lag. Eben jene Unruhe, von der ich vorhin vielleicht mehr und ernster sprach, als gerade n?tig, ?berfiel mich mit st?rkerer Macht als jemals, es war meines Bleibens nicht l?nger. – Sie wissen, wie ich mich auf meine Kapellmeisterschaft bei dem Gro?herzog freute. T?richterweise glaubte ich, da?, in der Kunst lebend, meine Stellung eben mich ganz beschwichtigen, da? der D?mon in meinem Innern besiegt werden w?rde. Aus dem wenigen, was ich erst ?ber meine Bildung am gro?herzoglichen Hofe angebracht, werden Sie, Verehrte, aber entnehmen, wie sehr ich mich t?uschte. Erlassen Sie mir die Schilderung, wie ich durch fade Spielerei mit der heiligen Kunst, zu der ich notgedrungen die Hand bieten mu?te, durch die Albernheiten seelenloser Kunstpfuscher, abgeschmackter Dilettanten, durch das ganze tolle Treiben einer Welt voll Kunstgliederpuppen, immer mehr und mehr dahin gebracht wurde, die erb?rmliche Nichtsw?rdigkeit meiner Existenz einzusehen. An einem Morgen mu?t' ich zum Gro?herzog, um meine Einwirkung bei den Festlichkeiten, die in den n?chsten Tagen stattfinden sollten, zu erfahren. Der Spektakelherr war, wie nat?rlich, zugegen und st?rmte auf mich ein mit allerlei sinn- und geschmacklosen Anordnungen, denen ich mich f?gen sollte. Vorz?glich war es ein von ihm selbst verfa?ter Prolog, den er, als h?chste Spitze der Theaterfeste, von mir komponiert verlangte. Da diesmal, so sprach er zum F?rsten, einen stechenden Seitenblick auf mich werfend, nicht von gelehrter deutscher Musik, sondern von geschmackvollem italienischen Gesange die Rede sein, so habe er selbst einige zarte Melodien aufgesetzt, die ich geh?rig anzubringen h?tte. Der Gro?herzog genehmigte nicht nur alles, sondern nahm auch Gelegenheit, mir ?berhaupt anzudeuten, da? er meine fernere Ausbildung durch eifriges Studium der neueren Italiener hoffe und erwarte. – Wie ich so erb?rmlich da stand! – ich verachtete mich selbst tief – alle Dem?tigungen erschienen mir gerechte Strafe f?r meinen kindischen, aberwitzigen Langmut! – Ich verlie? das Schlo?, um nie wieder zur?ckzukehren. Noch denselben Abend wollte ich meine Entlassung fordern, aber selbst dieser Entschlu? konnte mich nicht ?ber mich selbst beruhigen, da ich mich schon durch einen geheimen Ostrazismus verbannt sah. Die Guitarre, die ich zu anderm Beruf mitgenommen, nahm ich aus dem Wagen, den ich, vors Tor gekommen, fortschickte, und lief hinaus ins Freie, unaufhaltsam fort, immer weiter fort! – Schon sank die Sonne, immer breiter und schw?rzer wurden die Schatten der Berge, des Waldes. Unertr?glich, ja vernichtend war mir der Gedanke, zur?ckzukehren nach der Residenz. – ›Welche Macht zwingt mich zum R?ckweg!‹ so rief ich laut. Ich wu?te, da? ich mich auf dem Wege nach Sieghartsweiler befand; ich gedachte meines alten Meisters Abraham, von dem ich Tages zuvor einen Brief erhalten, worin er, meine Lage in der Residenz ahnend, mich wegw?nschte von dort, mich zu sich einlud.«—
«Wie«, unterbrach die R?tin den Kapellmeister,»Sie kennen den wunderlichen Alten?«
«Meister Abraham«, fuhr Kreisler fort,»war der innigste Freund meines Vaters, mein Lehrer, zum Teil mein Erzieher! – Nun, Verehrte, wissen Sie ausf?hrlich, wie ich in den Park des wackern F?rsten Iren?us kam, und werden nicht mehr daran zweifeln, da? ich, kommt es darauf an, im Stande bin, ruhig, mit erforderlicher historischer Genauigkeit und so angenehm zu erz?hlen, da? mir selbst davor graut. ?berhaupt kommt mir die ganze Geschichte meiner Flucht aus der Residenz, wie gesagt, so albern vor, und von solcher allen Geist zerst?render N?chternheit, da? man selbst nicht davon sprechen kann, ohne in erkleckliche Schwachheit zu verfallen. – M?chten Sie, Teure, aber die seichte Begebenheit als krampfstillendes Wasser der erschrockenen Prinzessin beibringen, damit sie sich beruhige, und daran denken, da? ein ehrlicher deutscher Musikus, den, als er gerade seidene Str?mpfe angezogen, und sich in einem saubern Kutschkasten vornehm geberdete, Rossini und Pucitta, und Pavesi und Fioravanti, und Gott wei? welche andere inis und ittas, in die Flucht schlugen, sich unm?glich sehr gescheut betragen kann. Verzeihung ist zu hoffen, will ich hoffen! – Als poetischen Nachklang des langweiligen Abenteuers vernehmen Sie aber, beste R?tin, da? in dem Augenblick, da ich, gepeitscht von meinem D?mon, fortrennen wollte, mich der s??este Zauber festbannte. Schadenfroh trachtete der D?mon eben das tiefste Geheimnis meiner Brust zu Schanden zu machen, da r?hrte der m?chtige Geist der Tonkunst die Schwingen, und vor dem melodischen Rauschen erwachte der Trost, die Hoffnung, ja selbst die Sehnsucht, die die unverg?ngliche Lieb selbst ist und das Entz?cken ewiger Jugend. – Julia sang! —«
Kreisler schwieg. Die Benzon horchte auf, gespannt auf das, was nun nachfolgen w?rde. Da der Kapellmeister sich in stumme Gedanken zu verlieren schien, fragte sie mit kalter Freundlichkeit:»Sie finden den Gesang meiner Tochter in der Tat angenehm, lieber Johannes?«
Kreisler fuhr heftig auf, das, was er sagen wollte, erstickte aber ein Seufzer aus der tiefsten Brust.
«Nun«, fuhr die R?tin fort,»das ist mir recht lieb. Julia kann von Ihnen, lieber Kreisler, was den wahren Gesang betrifft, recht viel lernen, denn da? Sie hier bleiben, sehe ich nun als eine ausgemachte Sache an«.
Verehrteste, begann Kreisler, aber in dem Augenblicke ?ffnete sich die T?re und Julia trat herein.
Als sie den Kapellmeister gewahrte, verkl?rte ihr holdes Antlitz ein s??es L?cheln, und ein leises:»Ach!« hauchte von ihren Lippen.
Die Benzon stand auf, nahm den Kapellmeister bei der Hand und f?hrte ihn Julien entgegen, indem sie sprach:»Nun, mein Kind, da ist der seltsame – «
(M. f. f.) – der junge Ponto los auf mein neuestes Manuskript, das neben mir lag, fa?te es, ehe ich›s verhindern konnte, zwischen die Z?hne und rannte damit spornstreichs auf und davon. Er stie? dabei ein schadenfrohes Gel?chter aus, und schon dies h?tte mich vermuten lassen sollen, da? nicht blo?er jugendlicher Mutwille ihn zur b?sen Tat spornte, sondern da? noch etwas mehr im Spiele war. Bald wurde ich dar?ber aufgekl?rt.
Nach ein paar Tagen trat der Mann, bei dem der junge Ponto in Diensten, hinein zu meinem Meister. Es war, wie ich nachher erfahren, Herr Lothario, Professor der ?sthetik am Gymnasio zu Sieghartsweiler. – Nach gew?hnlicher Begr??ung schaute der Professor im Zimmer umher und sprach, als er mich erblickte:»Wolltet Ihr nicht, lieber Meister, den Kleinen dort aus der Stube entfernen?«»Warum?«fragte der Meister. -»Ihr konntet doch sonst die Katzen leiden, Professor, und vorz?glich meinen Liebling, den zierlichen, gescheuten Kater Murr!« —»Ja«, sprach der Professor, indem er h?hnisch lachte, zierlich und gescheut, das ist wahr! – Aber tut mir den Gefallen, Meister, und entfernt Euern Liebling, denn ich habe Dinge mit Euch zu reden, die er durchaus nicht h?ren darf.»Wer?» rief Meister Abraham, indem er den Professor anstarrte.»Nun«, fuhr dieser fort,»Euer Kater. Ich bitte Euch, fragt nicht weiter, sondern tut, warum ich Euch bitte!«!« —»Das ist doch seltsam«, sprach der Meister, indem er die T?re des Kabinetts ?ffnete und mich hineinrief. Ich folgte seinem Ruf, ohne da? er es gewahrte, schl?pfte ich aber wieder hinein und verbarg mich im untersten Fach des B?cherschranks, so da? ich unbemerkt das Zimmer ?bersehen und jedes Wort, das gesprochen wurde, vernehmen konnte.
«Nun m?chte ich«, sprach Meister Abraham, indem er sich dem Professor gegen?ber in seinen Lehnstuhl setzte,»doch in aller Welt wissen, welch ein Geheimnis Ihr mir zu entdecken habt, das meinem ehrlichen Kater Murr verschwiegen bleiben soll.«
«Sagt mir«, begann der Professor sehr ernst und nachdenklich,»zuv?rderst, lieber Meister, was haltet Ihr von dem Grundsatz, da?, nur k?rperliche Gesundheit vorausgesetzt, sonst ohne R?cksicht auf angeborne geistige F?higkeit, auf Talent, auf Genie, verm?ge einer besonders geregelten Erziehung aus jedem Kinde in kurzer Zeit, mithin noch in den Knabenjahren, ein Heros in Wissenschaft und Kunst geschaffen werden kann?«
«Ei, «erwiderte der Meister:»was kann ich von diesem Grundsatz anders halten, als da? er albern und abgeschmackt ist. M?glich, ja sogar leicht mag es sein, da? man einem Kinde, das die Auffassungsgabe, wie sie ungef?hr bei den Affen anzutreffen, und ein gutes Ged?chtnis besitzt, eine Menge Dinge systematisch eintrichtern kann, die es dann vor den Leuten auskramt; nur mu? es diesem Kinde durchaus an allem nat?rlichen Ingenium fehlen, da sonst der innere bessere Geist der heillosen Prozedur widerstrebt. Wer wird aber jemals solch einen einf?ltigen, mit allerlei verschluckbaren Brocken des Wissens dick gem?steten Jungen einen Gelehrten im echten Sinne des Wortes nennen?«
«Die Welt«, rief der Professor heftig,»die ganze Welt! – O es ist entsetzlich! Aller Glaube an die innere, h?here, angeborene Geisteskraft, die allein nur den Gelehrten, den K?nstler schafft, geht ja ?ber jenen heillosen, tollen Grundsatz zum Teufel!«
«Ereifert Euch nicht«, sprach der Meister l?chelnd,»soviel wie ich wei?, ist bis jetzt in unserm guten Deutschland nur ein einziges Produkt jener Erziehungsmethode aufgestellt worden, von dem die Welt eine Zeit lang sprach, und zu sprechen aufh?rte, als sie einsah, da? das Produkt eben nicht sonderlich geraten. Zudem fiel die Bl?tezeit jenes Pr?parats in die Periode, als gerade die Wunderkinder in die Mode gekommen, die, wie sonst m?hsam abgerichtete Hunde und Affen, gegen ein billiges Entree ihre K?nste zeigten.«
«So sprecht Ihr nun«, nahm der Professor das Wort,»Meister Abraham, und man w?rde Euch glauben, kennte man nicht den verborgenen Schalk in Euch, w??te man nicht, da? Euer ganzes Leben eine Reihe der wunderlichsten Experimente darbietet. Gesteht es nur Meister Abraham, gesteht es nur, Ihr habt ganz im Stillen, im geheimsten Geheim, experimentiert nach jenem Grundsatz, aber ?berbieten wolltet Ihr den Mann, den Verfertiger jenes Pr?parats von dem wir sprachen. – Ihr wolltet, wart Ihr ganz fertig, hervortreten mit Eurem Z?gling, und alle Professoren in der ganzen Welt in Erstaunen versetzen und Verzweiflung, Ihr wolltet den sch?nen Grundsatz: ›non ex quovis ligno fit Mercurius‹ ganz und gar zu Schanden machen! – Nun kurz, der quovis ist da, aber kein Mercurius, sondern ein Kater!« —»Was sagt Ihr«, rief der Meister, indem er laut auflachte, was sagt Ihr, ein Kater?«
«Leugnet es nur nicht«, fuhr der Professor fort,»an dem Kleinen dort in der Kammer habt Ihr jene abstrakte Erziehungsmethode versucht, Ihr habt ihn lesen, schreiben gelehrt, Ihr habt ihm die Wissenschaft beigebracht, so da? er sich schon jetzt unterf?ngt den Autor zu spielen, ja sogar Verse zu machen.«
«Nun «sprach der Meister,»das ist doch in der Tat das Tollste was mir jemals vorgekommen! – Ich meinen Kater erziehen, ich ihm die Wissenschaften beibringen! – Sagt, was f?r Tr?ume rumoren in Eurem Sinn, Professor? – Ich versichere Euch, da? ich von meines Katers Bildung nicht das mindeste wei?, dieselbe auch f?r ganz unm?glich halte.«
«So?«fragte der Professor mit gedehntem Ton, zog ein Heft aus der Tasche, das ich augenblicklich f?r das mir von dem jungen Ponto geraubte Manuskript erkannte, und las:
Sehnsucht nach dem H?heren
Ha, welch Gef?hl, das meine Brust beweget!
Was sagt dies unruh – ahnungsvolle Beben,
Will sich zum k?hnen Sprung der Geist erheben,
Vom Sporn des m?cht'gen Genius erreget?
Was ist es, was der Sinn im Sinne tr?get,
Was will dem Liebesdrang – erf?llten Leben
Dies rastlos brennend feurig s??e Streben,
Was ist es, das im bangen Herzen schl?get?
Entr?ckt werd ich nach fernen Zauberlanden,
Kein Wort, kein Laut, die Zunge ist gebunden,
Ein sehnlich Hoffen weht mit Fr?hlingsfrische,
Befreit mich bald von dr?ckend schweren Banden.
Ertr?umt, ersp?rt, im gr?nsten Laub gefunden!
Hinauf mein Herz! beim Fittich ihnerwische!
Ich hoffe, da? jeder meiner g?tigen Leser die Musterhaftigkeit dieses herrlichen Sonetts, das aus der tiefsten Tiefe meines Gem?ts hervorflo?, einsehen, und mich um so mehr bewundern wird, wenn ich versichere, da? es zu den ersten geh?rt, die ich ?berhaupt verfertigt habe. Der Professor las es aber, in seiner Bosheit, so ohne allen Nachdruck, so abscheulich vor, da? ich mich kaum selbst erkannte, und da? ich von pl?tzlichem J?hzorn, wie er jungen Dichtern wohl eigen, ?bermannt, im Begriff war, aus meinem Schlupfwinkel hervor, dem Professor ins Gesicht zu springen, und ihn die Sch?rfe meiner Krallen f?hlen zu lassen. Der kluge Gedanke, da? ich doch, wenn beide, der Meister und der Professor, sich ?ber mich her machten, notwendig den K?rzern ziehen m?sse, lie? mich meinen Zorn mit Gewalt niederk?mpfen, jedoch entfuhr mir unwillk?rlich ein knurrendes Miau, das mich unfehlbar verraten haben w?rde, h?tte der Meister nicht, da der Professor mit dem Sonett fertig, aufs neue eine dr?hnende Lache aufgeschlagen, die mich beinahe noch mehr kr?nkte als des Professors Ungeschick.