Оценить:
 Рейтинг: 0

Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра

Год написания книги
1819
Теги
<< 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... 12 >>
На страницу:
6 из 12
Настройки чтения
Размер шрифта
Высота строк
Поля

«Hoho«, rief der Meister, wahrhaftig,»das Sonett ist eines Katers vollkommen w?rdig; aber noch immer verstehe ich nicht Euern Spa?, Professor, sagt mir nur lieber gerade zu, wo Ihr hinauswollt.«

Der Professor, ohne dem Meister zu antworten, bl?tterte im Manuskript, und las weiter:

Glosse

Liebe schw?rmt auf allen Wegen,
Freundschaft bleibt f?r sich allein,
Liebe kommt uns rasch entgegen,
Aufgesucht will Freundschaft sein.

Schmachtend wehe, bange Klagen,
H?r ich ?berall ert?nen,
Ob den Sinn zum Schmerz gew?hnen,
Ob zur Lust, ich kann's nicht sagen,
M?chte oft mich selber fragen,
Ob ich tr?ume, ob ich wache.
Diesem F?hlen, diesem Regen,
Leih' ihm Herz die rechte Sprache;
Ja im Keller, auf dem Dache,
Liebe schw?rmt auf allen Wegen!
Doch, es heilen alle Wunden,
Die der Liebesschmerz geschlagen,
Und in einsam stillen Tagen
Mag, von aller Qual entbunden,
Geist und Herz wohl bald gesunden;
Art'ger K?tzchen los Gehudel
Darf es auf die Dauer sein?
Nein! – fort aus dem b?sen Strudel,
Unterm Ofen mit dem Pudel,
Freundschaft bleibt f?r sich allein!
Wohl ich wei? es —

«Nein«, unterbrach hier der Meister den lesenden Professor,»mein Freund, Ihr macht mich in der Tat ungeduldig, Ihr oder ein anderer Schalk hat sich den Spa? gemacht, im Geist eines Katers, der nun gerade mein guter Murr sein soll, Verse zu machen, und nun foppt Ihr mich den ganzen Morgen damit herum. Der Spa? ist ?brigens nicht ?bel, und wird vorz?glich dem Kreisler sehr wohl gefallen, der wohl nicht unterlassen d?rfte, damit eine kleine Parforcejagd anzustellen, in der Ihr am Ende selbst ein gehetztes Wild sein k?nntet. Aber nun la?t Eure sinnreiche Einkleidung fahren und sagt mir ganz ehrlich und trocken, was es mit Eurem seltsamen Spa? eigentlich f?r eine Bewandnis hat.«

Der Professor schlug das Manuskript zusammen, sah dem Meister ernst ins Auge, und sprach dann:»Diese Bl?tter brachte mir vor einigen Tagen mein Pudel Ponto, der, wie Euch bekannt sein wird, mit Eurem Kater Murr in freundschaftlichen Verh?ltnissen lebt. Zwar trug er das Manuskript zwischen den Z?hnen, wie er nun einmal alles zu tragen gewohnt ist, indessen legte er es mir doch ganz unversehrt in den Scho?, und gab mir dabei deutlich zu verstehen, da? er es von keinem andern habe, als von seinem Freunde Murr. Als ich nun einen Blick hineinwarf, fiel mir gleich die ganz besondere, eigent?mliche Handschrift auf, als ich aber einiges gelesen, stieg in mir, selbst wei? ich nicht auf welche unbegreifliche Art, der seltsame Gedanke auf, Murr k?nne das alles selbst gemacht haben. So sehr mir die Vernunft, ja eine gewisse Lebenserfahrung, der wir alle nicht entgehen k?nnen, und die am Ende nun wieder weiter nichts ist, als die Vernunft, so sehr mir also eben diese Vernunft sagt: da? jener Gedanke unsinnig, da Kater weder zu schreiben noch Verse zu machen im Stande, so konnte ich ihn doch durchaus nicht los werden. Ich beschlo? Euern Kater zu beobachten, und stieg, da ich von meinem Ponto wu?te, da? Murr viel auf Eurem Boden hausiere, auf meinen Boden, nahm einige Dachziegel herab, so da? ich mir die freie Aussicht in Eure Dachluken verschaffte. Was gewahrte ich! – H?rt es und erstaunt! – In dem einsamsten Winkel des Bodens sitzt Euer Kater! – sitzt aufgerichtet vor einem kleinen Tisch, auf dem Schreibzeug und Papier befindlich, sitzt und reibt sich bald mit der Pfote Stirn und Nacken, f?hrt sich ?ber's Gesicht, tunkt bald die Feder ein, schreibt, h?rt wieder auf, schreibt von neuem, ?berliest das Geschriebene, knurrt (ich konnte es h?ren) knurrt und spinnt vor lauter Wohlbehagen. – Um ihn her liegen verschiedene B?cher, die, nach ihrem Einband, aus Eurer Bibliothek entnommen.«—

«Das w?re ja der Teufel«, rief der Meister,»nun so will ich denn gleich nachsehen, ob mir B?cher fehlen.«

Damit stand er auf, und trat an den B?cherschrank. Sowie er mich erblickte, prallte er drei Schritte zur?ck, und blickte mich an voll Erstaunen. Aber der Professor rief:»Seht Ihr wohl, Meister? Ihr denkt, der Kleine sitzt harmlos in der Kammer, in die Ihr ihn eingesperrt, und er hat sich hinein geschlichen in den B?cherschrank, um zu studieren, oder noch wahrscheinlicher, um uns zu belauschen. Nun hat er alles geh?rt was wir gesprochen, und kann seine Ma?regeln darnach nehmen.«»Kater«, begann der Meister, indem er fortw?hrend den Blick voll Erstaunen auf mir ruhen lie?,»Kater, wenn ich w??te da? du, deine ehrliche, nat?rliche Natur ganz und gar verleugnend, dich wirklich darauf verlegtest, solche vertrakte Verse zu machen, wie sie der Professor vorgelesen, wenn ich glauben k?nnte, da? du wirklich den Wissenschaften nachstelltest, statt den M?usen, ich glaube, ich k?nnte dir die Ohren wund zwicken, oder gar«

Mich ?berfiel eine schreckliche Angst, ich kniff die Augen zu, und tat, als schliefe ich fest.

«Aber nein, nein«, fuhr der Meister fort,»schaut nur einmal her, Professor, wie mein ehrlicher Kater so sorglos schl?ft, und sagt selbst, ob er in seinem gutm?tigen Antlitz etwas tr?gt, das auf solche geheime wunderbare Schelmereien, wie Ihr sie ihm Schuld gebt, gedeutet werden k?nnte – Murr! – Murr! -«

So rief der Meister mich an, und ich unterlie? nicht wie gew?hnlich mit meinem Krr – Krr – zu antworten, die Augen aufzuschlagen, mich zu erheben und einen hohen, sehr anmutigen Katzenbuckel zu machen.

Der Professor warf mir, voller Zorn, mein Manuskript an den Kopf, ich tat aber, (die mir angeborne Schlauheit gab es mir ein,) als wollte er mit mir spielen, und zerrte springend und t?nzelnd die Papiere hin und her, so da? die St?cke umherflogen.

«Nun«, sprach der Meister,»ist es ausgemacht, da? Ihr ganz unrecht habt, Professor, und da? Euch Ponto etwas vorlog. Seht nur hin, wie Murr die Gedichte bearbeitet, welcher Dichter w?rde sein Manuskript handhaben auf diese Weise?«

«Ich habe Euch gewarnt, Meister, tut nun was Ihr wollt«, erwiderte der Professor, und verlie? das Zimmer.

Nun glaubte ich, der Sturm sei vor?ber; wie sehr war ich im Irrtum! – Meister Abraham hatte sich, mir zum gro?en Verdru?, gegen meine wissenschaftliche Bildung erkl?rt, und demunerachtet er es so getan, als glaube er den Worten des Professors gar nicht, so wurde ich doch bald gewahr, da? er mir auf allen G?ngen nachsp?rte, mir den Gebrauch seiner Bibliothek dadurch abschnitt, da? er den Schrank sorgf?ltig verschlo?, und es durchaus nicht mehr leiden wollte, da? ich mich, wie sonst, auf seinen Schreibtisch unter die Papiere legte.

So kam Leid und K?mmernis ?ber meine keimende Jugend! Was kann einem Genie mehr Schmerz verursachen, als sich verkannt, ja verspottet zu sehen, was kann einen gro?en Geist mehr erbittern, als da auf Hindernisse zu sto?en, wo er nur allen m?glichen Vorschub erwartete! – Doch, je st?rker der Druck, desto gewaltiger die Kraft der Entlastung, je straffer der Bogen gespannt, desto sch?rfer der Schu?! – War mir die Lekt?re versperrt, so arbeitete desto freier mein eigner Geist, und schuf aus sich selbst.

Unmutig wie ich war, brachte ich in dieser Periode manche N?chte, manche Tage, in den Kellern des Hauses zu, wo mehrere M?usefallen aufgestellt waren, und sich ?berdem viele Kater verschiedenen Alters und Standes versammelten.

Einem tapfern philosophischen Kopf entgehen ?berall nicht die geheimsten Beziehungen des Lebens im Leben, und er erkennt, wie sich eben aus denselben das Leben gestaltet in Gesinnung und Tat. So gingen mir auch in den Kellern die Verh?ltnisse der M?usefallen und der Katzen in ihrer Wechselwirkung auf. Es wurde mir, als einem Kater von edlem echten Sinn, warm um's Herz, wenn ich gewahren mu?te, wie jene tote Maschinen, in ihrem p?nktlichen Treiben, eine gro?e Schlaffheit in den Katerj?nglingen hervorbrachten. Ich ergriff die Feder und schrieb das unsterbliche Werk, dessen ich schon vorhin gedachte, n?mlich:»?ber M?usefallen, und deren Einflu? auf Gesinnung und Tatkraft der Katzheit. «In diesem B?chlein hielt ich den verweichlichten Katerj?nglingen einen Spiegel vor die Augen, in dem sie sich selbst erblicken mu?ten, aller eignen Kraft entsagend, indolent, tr?ge, ruhig es ertragend, da? die schn?den M?use nach dem Speck liefen! – Ich r?ttelte sie aus dem Schlafe mit donnernden Worten. – N?chst dem Nutzen, den das Werklein schaffen mu?te, hatte das Schreiben desselben auch noch den Vorteil f?r mich, da? ich selbst indessen keine M?use fangen durfte, und auch nachher, da ich so kr?ftig gesprochen, es wohl keinem einfallen konnte, von mir zu verlangen, da? ich selbst ein Beispiel des von mir ausgesprochenen Heroismus im Handeln geben solle.

Damit k?nnte ich nun meine erste Lebensperiode schlie?en, und zu meinen eigentlichen J?nglingsmonaten, die an das m?nnliche Alter streifen, ?bergehen; unm?glich kann ich aber den g?nstigen Lesern die beiden letzten Strophen der herrlichen Glosse vorenthalten, die mein Meister nicht h?ren wollte. Hier sind sie:

Wohl, ich wei? es, widerstehen
Mag man nicht dem s??en Kosen,
Wenn aus B?schen duft'ger Rosen
S??e Liebeslaute wehen.
Will das trunkne Aug' dann sehen,
Wie die Holde kommt gesprungen,
Die da lauscht' an Blumenwegen,
Kaum ist Sehnsuchts Ruf erklungen,
Hat sich schnell hinangeschwungen.
Liebe kommt uns rasch entgegen.
Dieses Sehnen, dieses Schmachten
Kann wohl oft den Sinn ber?cken;
Doch wie lange kann's begl?cken,
Dieses Springen, Rennen, Trachten!
Holder Freundschaft Trieb' erwachten,
Strahlten auf bei Hesper's Scheine,
Und den Edlen brav und rein,
Ihn zu finden den ich meine,
Klettr' ich ?ber Mau'r und Z?une,
Aufgesucht will Freundschaft sein.

(Mak.-Bl.) – gerade den Abend in solch› heitrer, gem?tlicher Stimmung, wie man sie an ihm nicht versp?rt hatte seit gar geraumer Zeit. Und diese Stimmung war es, die das Unerh?rte geschehen lie?. Denn ohne wild aufzufahren, und davon zu rennen, wie er sonst in gleichem Fall wohl zu tun pflegte, h?rte er ruhig und sogar mit gutm?tigem L?cheln den langen und noch langweiligern ersten Akt eines entsetzlichen Trauerspiels an, den ein junger hoffnungsvoller Lieutenant mit roten Wangen und wohlgekr?useltem Haupthaar verfa?t hatte und mit aller Pr?tension des gl?cklichsten Dichters vortrug. Ja als besagter Lieutenant, da er geendet, ihn heftig fragte, was er von der Dichtung halte, begn?gte er sich, mit dem mildesten Ausdruck des inneren Erg?tzens im ganzen Gesicht, dem jungen Kriegs- und Vershelden zu versichern, da? der Aush?ngeakt, das gierigen ?sthetischen Leckerm?ulern dargebotene Kostst?ck, in der Tat herrliche Gedanken enthalte, f?r deren originelle Genialit?t schon der Umstand spr?che, da? auch anerkannt gro?e Dichter wie z. B. Calderon, Shakespeare und der moderne Schiller darauf gefallen. Der Lieutenant umarmte ihn sehr, und verriet mit geheimnisvoller Miene, da? er gedenke, noch denselben Abend eine ganze Gesellschaft der auserlesensten Fr?uleins, unter denen sogar eine Gr?fin befindlich, die spanisch lese, und in ?l male, mit dem vortrefflichsten aller ersten Akte zu begl?cken. Auf die Versicherung, da? er daran ungemein wohl tun werde, lief er voller Enthusiasmus von dannen.

«Ich begreife Dich«, sprach jetzt der kleine Geheimrat,»heute gar nicht, lieber Johannes, mit Deiner unbeschreiblichen Sanftmut! – Wie war es Dir m?glich, das durchaus abgeschmackte Zeug so ruhig, so aufmerksam anzuh?ren! – Angst und bange wurde mir, als der Lieutenant uns, die wir unbewacht keine Gefahr ahnten, ?berfiel, und uns rettungslos eingarnte in die tausendf?ltigen Schlingen seiner endlosen Verse! – Ich dachte, jeden Augenblick w?rdest Du dazwischen fahren, wie Du es sonst wohl tust bei geringerem Anla?; aber Du bleibst ruhig, ja, Dein Blick spricht Wohlgefallen aus, und am Ende, nachdem ich f?r meine Person ganz schwach und elend worden, fertigst Du den Ungl?ckseligen ab mit einer Ironie, die er nicht einmal zu fassen im Stande, und sagst ihm wenigstens nicht zur Warnung f?r k?nftige F?lle, da? das Ding viel zu lang sei, und merklich amputiert werden m?sse.«

«Ach«, erwiderte Kreisler,»was h?tte ich denn ausgerichtet mit diesem kl?glichen Rat! – Kann denn ein pr?gnanter Dichter wie unser lieber Lieutenant, wohl mit Nutzen irgendeine Amputation an seinen Versen vornehmen, wachsen sie ihm nicht nach, unter der Hand? – Und wei?t Du denn nicht, da? ?berhaupt die Verse unserer jungen Dichter die Reproduktionskraft der Eidechsen besitzen, denen die Schw?nze munter wiederum hervor schie?en, hat man sie auch an der Wurzel weggeschnitten! – Wenn Du aber meinst, da? ich des Lieutenants Leserei ruhig angeh?rt, so bist Du in gro?em Irrtum! – Der Sturm war vor?ber, alle Gr?ser und Blumen im kleinen Garten erhoben ihre gebeugten H?upter, und schl?rften begierig den Himmelsnektar ein, der aus den Wolkenschleiern in einzelnen Tropfen hinabfiel. Ich stellte mich unter den gro?en bl?henden Apfelbaum, und horchte auf die verhallende Stimme des Donners in den fernen Bergen, die wie eine Weissagung von unaussprechlichen Dingen in meiner Seele wider klang, und schaute auf zu dem Blau des Himmels, das wie mit leuchtenden Augen dort und dort durch die fliehenden Wolken blickte! – Aber dazwischen rief der Onkel: ich solle fein ins Zimmer und mir den neuen gebl?mten Schlafrock nicht verderben durch ungeziemliche N?sse, und mir nicht den Schnupfen holen im feuchten Grase. Und dann war es wieder nicht der Onkel, welcher sprach, sondern irgendein Filou von Papagei oder Starmatz hinterm Busch oder im Busch, oder Gott wei? wo sonst, machte sich den unn?tzen Spa?, mich damit zu necken, da? er mir allerlei k?stliche Gedanken aus dem Shakespeare zurief nach seiner Manier. Und das war nun wieder der Lieutenant und sein Trauerspiel! – Geheimer Rat, gib Dir die M?he zu merken, da? es eine Erinnerung an meine Knabenzeit war, die mich Dir und dem Lieutenant entf?hrte! Ich stand wirklich, ein Junge von h?chstens zw?lf Jahren, in des Onkels kleinem Garten, und hatte den sch?nsten Zitz als Schlafrock an, den jemals eine Kattundruckerseele ersonnen, und vergebens hast Du, o Geheimerat! heute Dein K?nigsr?ucherpulver verschwendet, denn ich habe nichts versp?rt, als das Aroma meines bl?henden Apfelbaums, nicht einmal das Haar?l des Versifikanten, der sein Haupt salbt, ohne es jemals sch?tzen zu k?nnen gegen Wind und Wetter durch eine Krone, vielmehr nichts aufst?lpen darf, als Filz und Leder, durch das Reglement ausgepr?gt zu einem Tschako! – Genug Bester! Du warst von uns dreien das einzige Opferlamm, das sich dem infernalischen Trauerspielmesser des dichterischen Helden darbot. Denn, w?hrend ich mich, alle Extremit?ten sorglich einziehend, in das kleine Schlafr?ckchen eingeputzt hatte, und mit zw?lfj?hriger, zw?lffl?tiger Leichtigkeit hinein gesprungen war in mehrbesagten Garten, verbrauchte Meister Abraham, wie Du siehst, drei bis vier Bogen des sch?nsten Notenpapiers, um allerlei erg?tzliche Phantasmata zuzuschneiden. Auch er ist also dem Lieutenant entwischt!«—

Kreisler hatte recht; Meister Abraham verstand sich darauf, Kartonbl?tter so zuzuschneiden, da?, fand man auch aus dem Gewirre durchschnittner Flecke nicht das mindeste deutlich heraus, doch, hielt man ein Licht hinter das Blatt, in dem auf die Wand geworfenen Schatten, sich die seltsamsten Gestalten in allerlei Gruppen bildeten. Hatte nun Meister Abraham schon an und f?r sich selbst einen nat?rlichen Abscheu gegen alles Vorlesen, war ihm noch besonders des Lieutenants Verselei im Grunde des Herzens zuwider, so konnt' es nicht fehlen, da? er, kaum hatte der Lieutenant begonnen, begierig nach dem steifen Notenpapier griff, das zuf?llig auf dem Tische des Geheimerats lag, eine kleine Schere aus der Tasche langte, und eine Besch?ftigung begann, die ihn dem Attentat des Lieutenants g?nzlich entzog.

«H?re Kreisler«, begann nun der Geheimerat, – »also eine Erinnerung an Deine Knabenzeit war es, die in Deine Seele kam, und dieser Erinnerung mag ich es wohl zuschreiben, da? Du heute so mild bist, so gem?tlich, – h?re, mein innigstgeliebter Freund! es wurmt mich wie alle, die Dich ehren und lieben, da? ich von Deinem fr?hern Leben so ganz und gar nichts wei?, da? Du der leisesten Frage dar?ber so unfreundlich ausweichst, ja, da? Du absichtlich Schleier ?ber die Vergangenheit wirfst, die doch zuweilen zu durchsichtig sind, um nicht durch allerlei in seltsamer Verzerrung durchschimmernde Bilder die Neugierde zu reizen. Sei offen gegen die, denen Du doch schon Dein Vertrauen schenktest.«—

Kreisler blickte den Geheimerat an mit gro?en Augen voll Verwunderung, wie einer, der aus dem tiefen Schlafe erwachend, eine fremde unbekannte Gestalt vor sich erblickt, und fing dann sehr ernsthaft an:

«Am Tage Johannis Chrysostomi, das hei?t am vier und zwanzigsten Januar des Jahres Ein tausend siebenhundert und etzliche dazu, um die Mittagsstunde, wurde einer geboren, der hatte ein Gesicht und H?nde und F??e. Der Vater a? eben Erbsensuppe, und go? sich vor Freuden einen ganzen L?ffel voll ?ber den Bart, wor?ber die W?chnerin, unerachtet sie es nicht gesehen, derma?en lachte, da? von der Ersch?tterung dem Lautenisten, der dem S?ugling seinen neuesten Murki vorspielte, alle Saiten sprangen, und er bei der atlasnen Nachthaube seiner Gro?mutter schwur, was Musik betreffe, w?rde der kleine Hans Haase ein elender St?mper bleiben ewiglich und immerdar. Darauf wischte sich aber der Vater das Kinn rein und sprach pathetisch: ›Johannes soll er zwar hei?en, jedoch kein Hase sein.‹ Der Lautenist – «

«Ich bitte Dich, Kreisler«, unterbrach der kleine Geheimrat den Kapellmeister, verfalle nicht in die verdammte Sorte von Humor, die mir, ich mags wohl sagen, den Atem versetzt! Verlange ich denn, da? Du mir eine pragmatische Selbstbiographie geben, will ich denn mehr, als da? Du mir verg?nnen sollst, einige Blicke in Dein fr?heres Leben zu tun, ehe ich Dich kannte? – In der Tat magst du mir eine Neugierde nicht verargen, die keine andere Quelle hat, als die innigste Zuneigung recht aus dem tiefsten Herzen. Und nebenher mu?t Du es Dir, da Du nun einmal seltsam genug auftrittst, gefallen lassen, da? jeder glaubt, nur das bunteste Leben, eine Reihe der fabelhaftesten Ereignisse k?nne die psychische Form so auskneten und bilden, wie es bei Dir geschehen«. —»O des groben Irrtums«, sprach Kreisler, indem er tief seufzte,»meine Jugendzeit gleicht einer d?rren Heide ohne Bl?ten und Blumen, Geist und Gem?t erschlaffend im trostlosen Einerlei! -«
<< 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... 12 >>
На страницу:
6 из 12