Au?er jenem L?ndchen besa? F?rst Iren?us noch ein ansehnliches bares Verm?gen, das ihm unverk?rzt blieb, und so sah er sich aus dem Stande eines kleinen Regenten pl?tzlich versetzt in den Stand eines ansehnlichen Privatmannes, der zwanglos nach freier Willk?r sich das Leben gestalten konnte wie er wollte.
F?rst Iren?us hatte den Ruf eines feingebildeten Herrn, der empf?nglich f?r Wissenschaft und Kunst. Kam nun noch hinzu, da? er oft die l?stige B?rde der Regentschaft schmerzlich gef?hlt, ja, ging auch schon einmal von ihm die Rede, da? er den romanhaften Wunsch, in einem kleinen Hause, an einem murmelnden Bach, mit einigem Hausvieh ein einsames idyllisches Leben procul negotiis zu f?hren, in anmutige Verse gebracht, so h?tte man denken sollen, da? er nun, den regierenden Herrn vergessend, sich einrichten werde mit dem gem?tlichen Hausbedarf, wie es in der Macht steht des reichen, unabh?ngigen Privatmannes. Dem war aber ganz und gar nicht so!
Es mag wohl sein, da? die Liebe der gro?en Herren zur Kunst und Wissenschaft nur als ein integrierender Teil des eigentlichen Hoflebens anzusehen ist. Der Anstand erfordert es Gem?lde zu besitzen und Musik zu h?ren, und ?bel w?rde es sein, wenn der Hofbuchbinder feiern und nicht die neueste Literatur fortw?hrend in Gold und Leder kleiden sollte. Ist aber jene Liebe ein integrierender Teil des Hoflebens selbst, so mu? sie mit diesem zugleich untergehen und kann nicht als etwas f?r sich fort Bestehendes Trost gew?hren f?r den verlornen Thron oder das kleine Regentenst?hlchen, auf dem man zu sitzen gewohnt.
F?rst Iren?us erhielt sich beides, das Hofleben und die Liebe f?r die K?nste und Wissenschaften, indem er einen s??en Traum ins Leben treten lie?, in dem er selbst mit seiner Umgebung, so wie ganz Sieghartsweiler, figurierte.
Er tat n?mlich so, als sei er regierender Herr, behielt die ganze Hofhaltung, seinen Kanzler des Reichs, sein Finanzkollegium amp;c. bei, erteilte seinen Hausorden, gab Cour, Hofb?lle, die meistenteils aus zw?lf bis funfzehn Personen bestanden, da auf die eigentliche Courf?higkeit strenger geachtet wurde, als an den gr??ten H?fen, und die Stadt war gutm?tig genug, den falschen Glanz dieses tr?umerischen Hofes f?r etwas zu halten, das ihr Ehre und Ansehen bringe. So nannten die guten Sieghartsweiler den F?rsten Iren?us ihren gn?digsten Herrn, illuminierten die Stadt an seinem Namensfeste und an den Namenstagen seines Hauses, und opferten sich ?berhaupt gern auf f?r das Vergn?gen des Hofes, wie die atheniensischen B?rgersleute in Shakespeares Sommernachtstraum.
Es war nicht zu leugnen, da? der F?rst seine Rolle mit dem wirkungsvollsten Pathos durchf?hrte, und dieses Pathos seiner ganzen Umgebung mitzuteilen wu?te. – So erscheint ein f?rstlicher Finanzrat in dem Klub zu Sieghartsweiler finster, in sich gekehrt, wortkarg. – Wolken ruhen auf seiner Stirn, er versinkt oft in tiefes Nachdenken, f?hrt dann auf, wie pl?tzlich erwachend. – Kaum wagt man es laut zu sprechen, hart aufzutreten in seiner N?he. Es schl?gt neun Uhr, da springt er auf, nimmt seinen Hut, vergebens sind alle Bem?hungen, ihn festzuhalten, er versichert mit stolzem tiefbedeutendem L?cheln, da? ihn Aktenst??e erwarten, da? er die Nacht w?rde opfern m?ssen, um sich zu der morgenden, h?chst wichtigen, letzten Quartalsitzung des Kollegiums vorzubereiten, eilt hinweg und hinterl??t die Gesellschaft in ehrfurchtsvoller Erstarrung ?ber die enorme Wichtigkeit und Schwierigkeit seines Amtes. – Und der wichtige Vortrag, auf den sich der geplagte Mann die Nacht ?ber vorbereiten mu?? – Je nun, die Waschzettel aus s?mtlichen Departements, der K?che, der Tafel, der Garderobe usw. f?rs verflossene Vierteljahr sind eingegangen, und er ist es, der in allen Waschangelegenheiten den Vortrag hat. – So bemitleidet die Stadt den armen f?rstlichen Wagenmeister, spricht jedoch, von dem sublimen Pathos des f?rstlichen Kollegiums ergriffen, strenge aber gerecht! – Der Mann hat n?mlich, erhaltener Instruktion gem??, einen Halbwagen, der unbrauchbar geworden, verkauft, das Finanzkollegium ihm aber bei Strafe augenblicklicher Kassation aufgegeben, binnen drei Tagen nachzuweisen, wo er die andere H?lfte gelassen, die vielleicht noch brauchbar gewesen. —
Ein besonderer Stern, der am Hofe des F?rsten Iren?us leuchtete, war die R?tin Benzon, Witwe in der Mitte der drei?iger Jahre, sonst eine gebietende Sch?nheit, noch jetzt nicht ohne Liebreiz, die einzige, deren Adel zweifelhaft und die der F?rst dennoch ein f?r allemal als courf?hig angenommen. Der R?tin heller, durchdringender Verstand, ihr lebhafter Geist, ihre Weltklugheit, vorz?glich aber eine gewisse K?lte des Charakters, die dem Talent zu herrschen unerl??lich, ?bten ihre Macht in voller St?rke, so da? sie es eigentlich war, die die F?den des Puppenspiels an diesem Miniaturhofe zog. Ihre Tochter, Julia gehei?en, war mit der Prinzessin Hedwiga aufgewachsen, und auch auf die Geistesbildung dieser hatte die R?tin so gewirkt, da? sie in dem Kreise der f?rstlichen Familie wie eine Fremde erschien und sonderbar abstach gegen den Bruder. Prinz Ignaz war n?mlich zu ewiger Kindheit verdammt, beinahe bl?dsinnig zu nennen.
Der Benzon gegen?ber, ebenso einflu?reich, ebenso eingreifend in die engsten Verh?ltnisse des f?rstlichen Hauses, wiewohl auf ganz andere Weise als sie, stand der seltsame Mann, den du, geneigter Leser, bereits kennst als Ma?tre de plaisir des Iren?usschen Hofes und ironischen Schwarzk?nstler.
Merkw?rdig genug ist es, wie Meister Abraham in die f?rstliche Familie geriet.
Des F?rsten Iren?us hochseliger Herr Papa war ein Mann von einfachen, milden Sitten. Er sah es ein, da? irgend eine Kraft?u?erung das kleine schwache R?derwerk der Staatsmaschine zerbrechen m?sse, statt ihm einen bessern Schwung zu geben. Er lie? es daher in seinem L?ndlein fortgehen, wie es zuvor gegangen, und fehlt' es ihm dabei an Gelegenheit, einen gl?nzenden Verstand oder andere besondere Gaben des Himmels zu zeigen, so begn?gte er sich damit, da? in seinem F?rstentum jedermann sich wohl befand, und da?, r?cksichts des Auslandes, es ihm so ging wie den Weibern, die dann am tadelfreisten sind, wenn man gar nicht von ihnen spricht. War des F?rsten kleiner Hof steif, zeremoni?s, altfr?nkisch, konnte der F?rst gar nicht eingehen in manche loyale Ideen, wie sie die neuere Zeit erzeugt, so lag das an der Unwandelbarkeit des h?lzernen Gestelles, das Oberhofmeister, Hofmarsch?lle, Kammerherren in seinem Innern m?hsam zusammengerichtet. In diesem Gestelle arbeitete aber ein Triebrad, das kein Hofmeister, kein Marschall jemals h?tte zum Stillstehen bringen k?nnen. Dies war n?mlich ein dem F?rsten angeborner Hang zum Abenteuerlichen, Seltsamen, Geheimnisvollen. – Er pflegte zuweilen, nach dem Beispiel des w?rdigen Kalifen Harun al Raschid verkleidet Stadt und Land zu durchstreichen, um jenen Hang, der mit seiner ?brigen Lebenstendenz in dem sonderbarsten Widerspiel stand, zu befriedigen, oder wenigstens Nahrung daf?r zu suchen. Dann setzte er einen runden Hut auf und zog einen grauen Oberrock an, so da? jedermann auf den ersten Blick wu?te, da? der F?rst nun nicht zu erkennen.
Es begab sich, da? der F?rst also verkleidet und unerkennbar die Allee durchschritt, die von dem Schlo? aus nach einer entfernten Gegend f?hrte, in der einzeln ein kleines H?uschen stand, von der Witwe eines f?rstlichen Mundkochs bewohnt. Gerade vor diesem H?uschen angekommen, gewahrte der F?rst zwei in M?ntel geh?llte M?nner, die zur Haust?re hinausschlichen. Er trat zur Seite, und der Historiograph des Iren?usschen Hauses, dem ich dies nachschreibe, behauptet, der F?rst sei selbst dann nicht bemerkt und erkannt worden, wenn er, statt des grauen Oberrocks, das gl?nzendste Staatskleid angehabt, mit dem funkelnden Ordensstern darauf, aus dem Grunde, weil es stockfinsterer Abend gewesen. Als die beiden verh?llten M?nner dicht vor dem F?rsten langsam vor?bergingen, vernahm dieser ganz deutlich folgendes Gespr?ch. Der eine: Bruder Exzellenz, ich bitte dich, nimm dich zusammen, sei nur diesesmal kein Esel! – Der Mensch mu? fort, ehe der F?rst etwas von ihm erf?hrt, denn sonst behalten wir den verfluchten Hexenmeister auf dem Halse, der uns mit seinen Satansk?nsten alle ins Verderben st?rzt. Der andere: Mon cher fr?re, ereifere dich doch nur nicht so, du kennst meine Sagazit?t, mein savoir faire. Morgen werf› ich dem gef?hrlichen Menschen ein paar Karolin an den Hals, und da mag er seine Kunstst?ckchen den Leuten vormachen, wo er will; hier darf er nicht bleiben. Der F?rst ist ?brigens ein —.«
Die Stimmen verhallten, der F?rst erfuhr daher nicht, wof?r ihn sein Hofmarschall hielt, denn kein anderer als dieser und sein Bruder, der Oberj?germeister, waren die Personen, welche aus dem Hause schlichen und das verf?ngliche Gespr?ch f?hrten. Der F?rst hatte beide sehr genau an der Sprache erkannt.
Man kann denken, da? der F?rst nichts Angelegentlicheres zu tun hatte, als jenen Menschen, jenen gef?hrlichen Hexenmeister aufzusuchen, dessen Bekanntschaft ihm entzogen werden sollte. Er klopfte an das H?uschen, die Witwe trat mit einem Licht in der Hand heraus und fragte, da sie den runden Hut und den grauen Oberrock des F?rsten gewahrte, mit kalter H?flichkeit: Was steht zu Ihren Diensten, Monsieur? Monsieur wurde n?mlich der F?rst angeredet, wenn er verkleidet war und unkenntlich. Der F?rst erkundigte sich nach dem Fremden, der bei der Witwe eingekehrt sein sollte, und erfuhr, da? der Fremde kein anderer sei, als ein sehr geschickter, ber?hmter, mit vielen Attestaten, Konzessionen und Privilegien versehener Taschenspieler, der hier seine K?nste zu produzieren gedenke. Soeben, erz?hlte die Witwe, w?ren zwei Herrn vom Hofe bei ihm gewesen, die er, verm?ge der ganz unerkl?rlichen Sachen, welche er ihnen vorgemacht, derma?en in Erstaunen gesetzt, da? sie ganz bla?, verst?rt, ja ganz au?er sich, das Haus verlassen h?tten.
Ohne weiteres lie? sich der F?rst hinauf f?hren. Meister Abraham (niemand anders war der ber?hmte Taschenspieler) empfing ihn wie einen, den er l?ngst erwartet, und verschlo? die T?re.
Niemand wei?, was nun Meister Abraham begonnen, gewi? ist es aber, da? der F?rst die ganze Nacht ?ber bei ihm blieb, und da? am andern Morgen Zimmer eingerichtet wurden auf dem Schlosse, die Meister Abraham bezog, und zu denen der F?rst aus seinem Studierzimmer mittels eines geheimen Ganges unbemerkt gelangen konnte. Gewi? ist es ferner, da? der F?rst den Hofmarschall nicht mehr mon cher ami nannte, und sich von dem Oberj?germeister niemals mehr die wunderbare Jagdgeschichte von dem wei?en geh?rnten Hasen, den er (der Oberj?germeister) bei seinem ersten j?gerischen Ausflug in den Wald nicht schie?en k?nnen, erz?hlen lie?, welches die Gebr?der in Gram und Verzweiflung st?rzte, so, da? beide sehr bald den Hof verlie?en. Gewi? endlich, da? Meister Abraham nicht allein durch seine Phantasmagorieen, sondern auch durch das Ansehen, das er sich immer mehr und mehr bei dem F?rsten zu erwerben wu?te, Hof, Stadt und Land in Erstaunen setzte.
Von den Kunstst?cken, die Meister Abraham vollf?hrte, erz?hlt oben bemeldeter Historiograph des Iren?usschen Hauses so viel ganz Unglaubliches, da? man es nicht nachschreiben kann, ohne alles Zutrauen des geneigten Lesers aufs Spiel zu setzen. Dasjenige Kunstst?ck, welches aber der Historiograph f?r das wunderbarste von allen h?lt, ja von dem er behauptet, da? es hinl?nglich beweise, wie Meister Abraham offenbar mit fremden unheimlichen M?chten in bedrohlichem Bunde stehe, ist indes nichts anders, als jenes akustische Zauberspiel, das sp?ter unter der Benennung des unsichtbaren M?dchens so viel Aufsehen gemacht, und das Meister Abraham schon damals sinnreicher, phantastischer, das Gem?t ergreifender, aufzustellen wu?te, als es nachher jemals geschehen.
Nebenher wollte man auch wissen, da? der F?rst selbst mit dem Meister Abraham gewisse magische Operationen unternehme, ?ber deren Zweck unter den Hofdamen, Kammerherrn und andern Leuten vom Hofe ein angenehmer Wettstreit alberner, sinnloser Vermutungen entstand. Darin waren alle einig, da? Meister Abraham dem F?rsten das Goldmachen beibringe, wie aus dem Rauch, der aus dem Laboratorio bisweilen dringe, zu schlie?en, und da? er ihn eingef?hrt in allerlei n?tzliche Geister-Konferenzen. Alle waren ferner davon ?berzeugt, da? der F?rst das Patent f?r den neuen B?rgermeister im Marktflecken nicht vollziehe, ja, dem f?rstlichen Ofenheizer keine Zulage bewillige, ohne den ›Agathod?mon‹, den Spiritum familiarem, oder die Gestirne zu befragen.
Als der alte F?rst starb und Iren?us ihm in der Regierung folgte, verlie? Meister Abraham das Land. Der junge F?rst, der von des Vaters Neigung zum Abenteuerlichen, Wunderbaren durchaus nichts vererbt, lie? ihn zwar ziehen, fand aber bald, da? Meister Abrahams magische Kraft vorz?glich sich darin bew?hre, einen gewissen b?sen Geist zu beschw?ren, der sich an kleinen H?fen nur gar zu gern einnistet, n?mlich den H?llengeist der Langenweile. Dann hatte auch das Ansehen, in dem Meister Abraham bei dem Vater stand, tiefe Wurzel gefa?t in dem Gem?t des jungen F?rsten. Es gab Augenblicke, in denen dem F?rsten Iren?us zu Mute wurde, als sei Meister Abraham ein ?berirdisches Wesen, ?ber alles was menschlich erhaben, stehe es auch noch so hoch. Man sagt, da? diese ganz besondere Empfindung von einem kritischen unverge?lichen Moment in der Jugendgeschichte des F?rsten herr?hre. Als Knabe war er einst mit kindischer, ?berl?stiger Neugier in Meister Abrahams Zimmer eingedrungen und hatte l?ppisch eine kleine Maschine, die der Meister eben mit vieler M?he und Kunst vollendet, zerbrochen, der Meister aber im vollen Zorn ?ber das verderbliche Ungeschick dem kleinen f?rstlichen Bengel eine f?hlbare Ohrfeige zugeteilt, und ihn dann mit einiger nicht ganz sanfter Schnelligkeit hinausgef?hrt aus der Stube auf den Korridor. Unter hervorquellenden Tr?nen konnte der junge Herr nur mit M?he die Worte hervorstammeln: Abraham – soufflet – so da? der best?rzte Oberhofmeister es f?r ein gefahrvolles Wagnis hielt, tiefer einzudringen in das f?rchterliche Geheimnis, das zu ahnen er sich unterstehen mu?te.
Der F?rst f?hlte lebhaft das Bed?rfnis, den Meister Abraham als das belebende Prinzip der Hofmaschine bei sich zu behalten; vergebens waren aber alle seine Bem?hungen, ihn zur?ckzubringen. Erst nach jenem verh?ngnisvollen Spaziergange, als F?rst Iren?us sein L?ndchen verloren, als er die chim?rische Hofhaltung zu Sieghartsweiler eingerichtet, fand sich auch Meister Abraham wieder ein, und in der Tat, zu gelegenerer Zeit h?tte er gar nicht kommen k?nnen. Denn au?erdem da? —
(M. f. f.) – merkw?rdige Begebenheit, die, um mich des gew?hnlichen Ausdrucks geistreicher Biographen zu bedienen, einen Abschnitt in meinem Leben machte.
– Leser! – J?nglinge, M?nner, Frauen, unter deren Pelz ein f?hlend Herz schl?gt, die ihr Sinn habt f?r Tugend – die ihr die s??en Bande erkennet, womit uns die Natur umschlingt, ihr werdet mich verstehen und – mich lieben!
Der Tag war hei? gewesen, ich hatte ihn unter dem Ofen verschlafen. Nun brach die Abendd?mmerung ein, und k?hle Winde sausten durch meines Meisters ge?ffnetes Fenster. Ich erwachte aus dem Schlaf, meine Brust erweiterte sich, durchstr?mt von dem unnennbaren Gef?hl, das, Schmerz und Lust zugleich, die s??esten Ahnungen entz?ndet. Von diesen Ahnungen ?berw?ltigt, erhob ich mich hoch in jener ausdrucksvollen Bewegung, die der kalte Mensch Katzenbuckel benennet. – Hinaus – hinaus trieb es mich in die freie Natur, ich begab mich daher aufs Dach und lustwandelte in den Strahlen der sinkenden Sonne. Da vernahm ich T?ne von dem Boden aufsteigen, so sanft, so heimlich, so bekannt, so anlockend, ein unbekanntes Etwas zog mich hinab mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich verlie? die sch?ne Natur und kroch durch eine kleine Dachluke hinein in den Hausboden. – Hinabgesprungen gewahrte ich alsbald eine gro?e, sch?ne, wei? und schwarz gefleckte Katze, die, auf den Hinterf??en sitzend in bequemer Stellung, eben jene anlockenden T?ne von sich gab und mich nun mit forschenden Blicken durchblitzte. Augenblicklich setzte ich mich ihr gegen?ber und versuchte, dem innern Trieb nachgebend, in das Lied einzustimmen, das die wei? und schwarz Gefleckte angestimmt. Das gelang mir, ich mu? es selbst sagen, ?ber die Ma?en wohl, und von diesem Augenblick an datiert sich, wie ich f?r die Psychologen, die mich und mein Leben studieren, hier bemerke, mein Glaube an mein inneres musikalisches Talent, und, wie zu erachten, mit diesem Glauben auch das Talent selbst. Die Gefleckte blickte mich sch?rfer und emsiger an, schwieg pl?tzlich, sprang mit einem gewaltigen Satz auf mich los. Ich, nichts Gutes erwartend, zeigte meine Krallen, doch in dem Augenblick schrie die Gefleckte, indem ihr die hellen Tr?nen aus den Augen st?rzten:»Sohn – o Sohn! komm! eile in meine Pfoten!«– Und dann, mich umhalsend, mich mit Inbrunst an die Brust dr?ckend:»Ja, du bist es, du bist mein Sohn, mein guter Sohn, den ich ohne sonderliche Schmerzen geboren!«—
Ich f?hlte mich tief im Innersten bewegt, und schon dies Gef?hl mu?te mich ?berzeugen, da? die Gefleckte wirklich meine Mutter war, dem unerachtet fragte ich doch, ob sie auch dessen ganz gewi? sei.
«Ha, diese ?hnlichkeit«, sprach die Gefleckte,»diese Augen, diese Gesichtsz?ge, dieser Bart, dieser Pelz, alles erinnert mich nur zu lebhaft an den Treulosen, Undankbaren, der mich verlie?. – Du bist ganz das getreue Ebenbild deines Vaters, lieber Murr (denn so wirst du ja gehei?en), ich hoffe jedoch, da? du mit der Sch?nheit des Vaters zugleich die sanftere Denkungsart, die milden Sitten deiner Mutter Mina erworben haben wirst. – Dein Vater hatte einen sehr vornehmen Anstand, auf seiner Stirne lag eine imponierende W?rde, voller Verstand funkelten die gr?nen Augen, und um Bart und Wangen spielte oft ein anmutiges L?cheln. Diese k?rperlichen Vorz?ge, so wie sein aufgeweckter Geist und eine gewisse liebensw?rdige Leichtigkeit, mit der er M?use fing, lie?en ihn mein Herz gewinnen. – Aber bald zeigte sich ein hartes, tyrannisches Gem?t, da? er so lange geschickt zu verbergen gewu?t. – Mit Entsetzen sag' ich es! – Kaum warst du geboren, als dein Vater den unseligen Appetit bekam, dich nebst deinen Geschwistern zu verspeisen.«
«Beste Mutter«, fiel ich der Gefleckten ins Wort,»verdammen Sie nicht ganz jene Neigung. Das gebildetste Volk der Erde legte den sonderbaren Appetit des Kinderfressens dem Geschlecht der G?tter bei, aber gerettet wurde ein Jupiter und so auch ich!«—
«Ich verstehe dich nicht, mein Sohn«, erwiderte Mina,»aber es kommt mir vor, als spr?chest du albernes Zeug, oder als wolltest du gar deinen Vater verteidigen. Sei nicht undankbar, du w?rest ganz gewi? erw?rgt und gefressen worden von dem blutd?rstigen Tyrannen, h?tte ich dich nicht so tapfer verteidigt mit diesen scharfen Krallen, h?tte ich nicht, bald hier, bald dort hinfliehend in Keller, Boden, St?lle, dich den Verfolgungen des unnat?rlichen Barbaren entzogen. – Er verlie? mich endlich! nie habe ich ihn wiedergesehen! Und doch schl?gt noch mein Herz f?r ihn! – Es war ein sch?ner Kater! – Viele hielten ihn seines Anstandes, seiner feinen Sitten wegen, f?r einen reisenden Grafen. – Ich glaubte nun, im kleinen h?uslichen Zirkel meine Mutterpflichten ?bend, ein stilles, ruhiges Leben f?hren zu k?nnen, doch der entsetzlichste Schlag sollte mich noch treffen. – Als ich von einem kleinen Spaziergange einst heimkehrte, weg warst du samt deinem Geschwister! – Ein altes Weib hatte mich Tages zuvor in meinem Schlupfwinkel entdeckt, und allerlei verf?ngliche Worte von ins Wasser werfen und dergleichen gesprochen. – Nun! ein Gl?ck, da? du, mein Sohn, gerettet, komm nochmals an meine Brust, Geliebter!«—
Die gefleckte Mama liebkoste mich mit aller Herzlichkeit, und fragte mich dann nach den n?hern Umst?nden meines Lebens. Ich erz?hlte ihr alles, und verga? nicht, meiner hohen Ausbildung zu erw?hnen, und wie ich dazu gekommen.
Mina schien weniger ger?hrt von den seltenen Vorz?gen des Sohnes, als man h?tte denken sollen. Ja, sie gab mir nicht undeutlich zu verstehen, da? ich mitsamt meinem au?erordentlichen Geiste, mit meiner tiefen Wissenschaft auf Abwege geraten, die mir verderblich werden k?nnten. Vorz?glich warnte sie mich aber, dem Meister Abraham ja nicht meine erworbenen Kenntnisse zu entdecken, da dieser sie nur n?tzen w?rde, mich in der dr?ckendsten Knechtschaft zu erhalten.
«Ich kann mich«, sprach Mina,»zwar gar nicht deiner Ausbildung r?hmen, indessen fehlt es mir doch durchaus nicht an nat?rlichen F?higkeiten und angenehmen, mir von der Natur eingeimpften Talenten. Darunter rechne ich z. B. die Macht, knisternde Funken aus meinem Pelz hervorstrahlen zu lassen, wenn man mich streichelt. Und was f?r Unannehmlichkeiten hat mir nicht schon dieses einzige Talent bereitet! Kinder und Erwachsene haben unaufh?rlich auf meinem R?cken herumhantiert, jenes Feuerwerks halber, mir zur Qual, und wenn ich unmutig wegsprang oder die Krallen zeigte, mu?te ich mich ein scheues wildes Tier schelten, ja wohl gar pr?geln lassen. – Sowie Meister Abraham erf?hrt, da? du schreiben kannst, lieber Murr, macht er dich zu seinem Kopisten, und als Schuldigkeit wird von dir gefordert, was du jetzt nur aus eigenem Antriebe zu deiner Lust tust.«—
Mina sprach noch mehreres ?ber mein Verh?ltnis zum Meister Abraham und ?ber meine Bildung. Erst sp?ter habe ich eingesehen, da? das, was ich f?r Abscheu gegen die Wissenschaften hielt, wirkliche Lebensweisheit war, die die Gefleckte in sich trug.
Ich erfuhr, da? Mina bei der alten Nachbarsfrau in ziemlich d?rftigen Umst?nden lebe, und da? es ihr oft schwer falle ihren Hunger zu stillen. Dies r?hrte mich tief, die kindliche Liebe erwachte in voller St?rke in meinem Busen, ich besann mich auf den sch?nen Heringskopf, den ich vom gestrigen Mahle er?brigt, ich beschlo?, ihn darzubringen der guten Mutter, die ich so unerwartet wiedergefunden.
Wer ermi?t die Wandelbarkeit der Herzen derer, die da wandeln unter dem Mondschein! – Warum verschlo? das Schicksal nicht unsere Brust dem wilden Spiel unseliger Leidenschaften! – Warum m?ssen wir, ein d?nnes schwankendes Rohr, uns beugen vor dem Sturm des Lebens? – Feindliches Verh?ngnis! – O Appetit, dein Name ist Kater! – Den Heringskopf im Maule kletterte ich, ein pius Aeneas aufs Dach – ich wollte hinein ins Bodenfenster. Da geriet ich in einen Zustand, der auf seltsame Weise mein Ich meinem Ich entfremdend, doch mein eigentliches Ich schien. – Ich glaube mich verst?ndlich und scharf ausgedr?ckt zu haben, so da? in dieser Schilderung meines seltsamen Zustandes jeder den die geistige Tiefe durchschauenden Psychologen erkennen wird. – Ich fahre fort! —
Das sonderbare Gef?hl, gewebt aus Lust und Unlust, bet?ubte meine Sinne – ?berw?ltigte mich – kein Widerstand m?glich, – ich fra? den Heringskopf! —
?ngstlich h?rte ich Mina miauen, ?ngstlich sie meinen Namen rufen – Ich f?hlte mich von Reue, von Scham durchdrungen, ich sprang zur?ck in meines Meisters Zimmer, ich verkroch mich unter den Ofen. Da qu?lten mich die ?ngstlichsten Vorstellungen. Ich sah Mina, die wiedergefundene gefleckte Mutter, trostlos, verlassen, lechzend nach der Speise, die ich ihr versprochen, der Ohnmacht nahe – Ha! – der durch den Rauchfang sausende Wind rief den Namen Mina – Mina – Mina! rauschte es in den Papieren meines Meisters, knarrte es in den gebrechlichen Rohrst?hlen, Mina – Mina – lamentierte die Ofent?re. – O! es war ein bitteres herzzerschneidendes Gef?hl, das mich durchbohrte! – Ich beschlo?, die Arme wom?glich einzuladen zur Fr?hst?cksmilch. Wie k?hlender, wohltuender Schatten kam bei diesem Gedanken ein seliger Frieden ?ber mich! – Ich kniff die Ohren an und schlief ein! —
Ihr f?hlenden Seelen, die ihr mich ganz versteht, ihr werdet es, seid ihr sonst keine Esel, sondern wahrhaftige honette Kater, ihr werdet es, sage ich, einsehen, da? dieser Sturm in meiner Brust meinen Jugendhimmel aufheitern mu?te, wie ein wohlt?tiger Orkan, der die finstern Wolken zerst?ubt und die reinste Aussicht schafft. O! so schwer anfangs der Heringskopf auf meiner Seele lastete, doch lernte ich einsehen, was Appetit hei?t, und da? es Frevel ist, der Mutter Natur zu widerstreben. Jeder suche sich seine Heringsk?pfe und greife nicht vor der Sagazit?t der andern, die, vom richtigen Appetit geleitet, schon die ihrigen finden werden.
So schlie?e ich diese Episode meines Lebens die —
(Mak. Bl.) – nichts verdrie?licher f?r einen Historiographen oder Biographen, als wenn er, wie auf einem wilden F?llen reitend, hin und her sprengen mu?, ?ber Stock und Stein, ?ber ?cker und Wiesen, immer nach gebahnten Wegen trachtend, niemals sie erreichend. So geht es dem, der es unternommen, f?r dich, geliebter Leser, das aufzuschreiben, was er von dem wunderlichen Leben des Kapellmeisters Johannes Kreisler erfahren. Gern h?tte er angefangen: In dem kleinen St?dtchen N. oder B. oder K., und zwar am Pfingstmontage oder zu Ostern des und des Jahres erblickte Johannes Kreisler das Licht der Welt! – Aber solche sch?ne chronologische Ordnung kann gar nicht aufkommen, da dem ungl?cklichen Erz?hler nur m?ndlich, brockenweis mitgeteilte Nachrichten zu Gebote stehen, die er, um nicht das Ganze aus dem Ged?chtnisse zu verlieren, sogleich verarbeiten mu?. Wie es eigentlich mit der Mitteilung dieser Nachrichten herging, sollst du, sehr lieber Leser! noch vor dem Schlusse des Buchs erfahren, und dann wirst du vielleicht das rhapsodische Wesen des Ganzen entschuldigen, vielleicht aber auch meinen, da?, trotz des Anscheins der Abgerissenheit, doch ein fester durchlaufender Faden alle Teile zusammenhalte.
Eben in diesem Augenblick ist nichts anders zu erz?hlen, als da? nicht lange nachher, als F?rst Iren?us in Sieghartsweiler sich niedergelassen, an einem sch?nen Sommerabend Prinzessin Hedwiga und Julia in dem anmutigen Park Sieghartshof lustwandelten. Wie ein goldner Schleier lag der Schein der sinkenden Sonne ausgebreitet ?ber dem Walde. Kein Bl?ttlein r?hrte sich. In ahnungsvollem Schweigen harrten Baum und Geb?sch, da? der Abendwind komme und mit ihnen kose. Nur das Get?se des Waldbachs, der ?ber wei?e Kiesel fortbrauste, unterbrach die tiefe Stille. Arm in Arm verschlungen, schweigend, wandelten die M?dchen fort durch die schmalen Blumeng?nge, ?ber die Br?cken, die ?ber die verschiedenen Schlingungen des Bachs f?hrten, bis sie an das Ende des Parks, an den gro?en See kamen, in dem sich der ferne Geierstein mit seinen malerischen Ruinen abspiegelte.
«Es ist doch sch?n!« rief Julia recht aus voller Seele.»La? uns«, sprach Hedwiga,»in die Fischerh?tte treten. Die Abendsonne brennt entsetzlich und drinnen ist die Aussicht nach dem Geierstein aus dem mittlern Fenster noch sch?ner als hier, da die Gegend dort nicht Panorama, sondern in gruppierter Ansicht, wahrhaftes Bild erscheint«.
Julia folgte der Prinzessin, die, kaum hineingetreten und zum Fenster hinausschauend, sich nach Crayon und Papier sehnte, um die Aussicht in der Beleuchtung zu zeichnen, welche sie ungemein pikant nannte.
«Ich m?chte«, sprach Julia,»ich m?chte dich beinahe um deine Kunstfertigkeit beneiden, B?ume und Geb?sche, Berge, Seen, so ganz nach der Natur zeichnen zu k?nnen. Aber ich wei? es schon, k?nnte ich auch so h?bsch zeichnen als du, doch w?rd' es mir niemals gelingen, eine Landschaft nach der Natur aufzunehmen, und zwar um desto weniger, je herrlicher der Anblick. Vor lauter Freude und Entz?cken des Schauens w?rd' ich gar nicht zur Arbeit kommen«. – Der Prinzessin Antlitz ?berflog bei diesen Worten Julia's ein gewisses L?cheln, das bei einem sechzehnj?hrigen M?dchen bedenklich genannt werden d?rfte. Meister Abraham, der im Ausdruck zuweilen etwas seltsam, meinte, solch Muskelspiel im Gesicht sei dem Wirbel zu vergleichen auf der Oberfl?che des Wassers, wenn sich in der Tiefe etwas Bedrohliches r?hrt. – Genug, Prinzessin Hedwiga l?chelte; indem sie aber die Rosenlippen ?ffnete, um der sanften unk?nstlerischen Julia etwas zu entgegnen, lie?en sich ganz in der N?he Akkorde h?ren, die so stark und wild angeschlagen wurden, da? das Instrument kaum eine gew?hnliche Guitarre zu sein schien.
Die Prinzessin verstummte, und beide, sie und Julia, eilten vor das Fischerhaus.
Nun vernahmen sie eine Weise nach der andern, verbunden durch die seltsamsten ?berg?nge, durch die fremdartigste Akkordenfolge. Dazwischen lie? sich eine sonore m?nnliche Stimme h?ren, die bald alle S??igkeit des italienischen Gesanges ersch?pfte, bald, pl?tzlich abbrechend, in ernste d?stere Melodien fiel, bald rezitativisch, bald mit starken kr?ftig akzentierten Worten dreinsprach. —
Die Guitarre wurde gestimmt – dann wieder Akkorde – dann wieder abgebrochen und gestimmt – dann heftige, wie im Zorn ausgesprochene Worte – dann Melodien – dann aufs neue gestimmt. —
Neugierig auf den seltsamen Virtuosen, schlichen Hedwiga und Julia n?her heran, bis sie einen Mann in schwarzer Kleidung gewahrten, der, den R?cken ihnen zugewendet, auf einem Felsst?ck dicht an dem See sa?, und das wunderliche Spiel trieb, mit Singen und Sprechen.
Eben hatte er die Guitarre ganz und gar umgestimmt, auf ungew?hnliche Weise, und versuchte nun einige Akkorde, dazwischen rufend:»Wieder verfehlt – keine Reinheit – bald ein Komma zu tief, bald ein Komma zu hoch!«—
Dann fa?te er das Instrument, das er von dem blauen Bande, an dem es ihm um die Schultern hing, losgenestelt, mit beiden H?nden, hielt es vor sich hin und begann: Sage mir, du kleines eigensinniges Ding, wo ruht eigentlich dein Wohllaut, in welchem Winkel deines Innersten hat sich die reine Skala verkrochen? – Oder willst du dich vielleicht auflehnen gegen deinen Meister und behaupten, sein Ohr sei totgeh?mmert worden in der Schmiede der gleichschwebenden Temperatur, und seine Enharmonik nur ein kindisches Vexierspiel? Du verh?hnst mich, glaub' ich, unerachtet ich den Bart viel besser geschoren trage, als Meister Stefano Pacini, detto il Venetiano, der die Gabe des Wohllauts in dein Innerstes legte, die mir ein unerschlie?bares Geheimnis bleibt. Und, liebes Ding, da? du es nur wei?t, willst du den unisonierenden Dualismus von Gis und As oder Cis und Des – oder vielmehr s?mtlicher T?ne durchaus nicht verstatten, so schicke ich dir neue t?chtige deutsche Meister auf den Hals, die sollen dich ausschelten, dich kirre machen mit unharmonischen Worten. – Und du magst dich nicht deinem Stefano Pacini in die Arme werfen, du magst nicht wie ein keifendes Weib das letzte Wort behalten wollen. – Oder bist du vielleicht gar dreist und stolz genug, zu meinen, da? alle schmucken Geister, die in dir wohnen, nur dem gewaltigen Zauber der Magier folgen, die l?ngst von der Erde gegangen, und da? in den H?nden eines Hasenfu?es«—
Bei dem letzten Worte hielt der Mann pl?tzlich inne, sprang auf und schaute wie in tiefen Gedanken versunken, in den See hinein. – Die M?dchen, gespannt durch des Mannes seltsames Beginnen, standen wie eingewurzelt hinter dem Geb?sch; sie wagten kaum zu atmen.
«Die Guitarre«, brach der Mann endlich los,»ist doch das miserabelste, unvollkommenste Instrument von allen Instrumenten, nur wert, von girrenden liebeskranken Sch?fern in die Hand genommen zu werden, die das Emboucheur zur Schalmei verloren haben, da sie sonst es vorziehen w?rden, erklecklich zu blasen, das Echo zu wecken mit den Kuhreigen der s??esten Sehnsucht, und kl?gliche Melodien entgegenzusenden den Emmelinen in den weiten Bergen, die das liebe Vieh zusammentreiben mit dem lustigen Geknalle empfindsamer Hetzpeitschen. – O Gott! – Sch?fer, die ›wie ein Ofen seufzen mit Jammerlied auf ihrer Liebsten Brau'n‹ – lehrt ihnen, da? der Dreiklang aus nichts anderm bestehe, als aus drei Kl?ngen, und niedergesto?en werde durch den Dolchstich der Septime, und gebt ihnen die Guitarre in die H?nde! – Aber ernsten M?nnern von leidlicher Bildung, von vorz?glicher Erudition, die sich abgegeben mit griechischer Weltweisheit und wohl wissen, wie es am Hofe zu Peking oder Nanking zugeht, aber den Teufel was verstehen von Sch?ferei und Schafzucht, was soll denen das ?chzen und Klimpern? – Hasenfu?, was beginnst du? Denke an den seligen Hippel, welcher versichert, da?, s?h' er einen Mann Unterricht erteilen im Klavierschlagen, es ihm zu Mute werde als s?tte besagter Lehrherr weiche Eier – und nun Guitarre klimpern – Hasenfu?! – Pfui Teufel!« – Damit schleuderte der Mann das Instrument weit von sich ins Geb?sch und entfernte sich raschen Schrittes, ohne die M?dchen zu bemerken.
«Nun«, rief Julia nach einer Weile lachend,»Hedwiga, was sagst Du zu dieser verwunderlichen Erscheinung? Wo mag der seltsame Mann her sein, der erst so h?bsch mit seinem Instrument zu sprechen wei? und es dann ver?chtlich von sich wirft, wie eine zerbrochene Schachtel?«