Sie beendete den Anruf und starrte auf ihr Handy als sie sich auf die Couch setzte. Sie war ?berrascht, dass sie soeben diese Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte wirklich kein bisschen ?berlegt.
Habe ich gerade einen Fehler gemacht? fragte sie sich.
Es f?hlte sich nicht nach einem Fehler an. Eigentlich f?hlte sie tiefe Erleichterung. Ihr Drang zur?ck an die Arbeit zu kehren verwunderte sie.
Doch was sie an dem Telefonat am meisten verwundert hatte, war Crivaros Ton gewesen. Er hatte beinahe wie ein Schuljunge geklungen, der ein M?dchen um ein Rendezvous bat.
Er will wirklich mit mir zusammenarbeiten, dachte sie.
Er will mit niemand anderem zusammenarbeiten.
Es gab ihr ein wohliges Gef?hl, gewollt zu werden –– und vielleicht sogar gebraucht.
Doch als sie sich von der Couch erhob, um ins Schlafzimmer zu gehen und ihre Reisetasche zu holen, fiel ihr etwas ein.
Ryan.
Sie musste ihn anrufen, und ihn informieren. Und sie bezweifelte, dass er es gelassen nehmen w?rde. Sie erinnerte sich an ihr Gespr?ch gestern Abend und wie er ihr Druck gemacht hatte die Verhaltensanalyseeinheit zu verlassen, und daran, was sie darauf geantwortet hatte.
„Ryan, m?ssen wir das wirklich jetzt besprechen?“
Nat?rlich hatten sie es bisher nicht geschafft, dar?ber zu reden. Sie hatten einfach keine Zeit daf?r gehabt. Doch nun ?bernahm Riley trotzdem einen neuen Fall.
Sie nahm den H?rer des Festnetztelefons in die Hand und w?hlte nerv?s Ryans Nummer. Er klang fr?hlich, als er sich am anderen Ende meldete.
„Hallo S??e, ich freue mich, dass du angerufen hast. Ich habe heute Abend einen Tisch in diesem Restaurant reserviert, das wir beide so m?gen, Hugo’s Embers. Klingt das nicht gro?artig? Du wei?t wie schwer es ist, dort einen Tisch zu bekommen.“
Riley schluckte nerv?s.
Sie sagte: „Ja, das ist toll, Ryan, aber... das m?ssen wir auf einen anderen Abend verschieben.“
„Huch?“
Riley unterdr?ckte ein Seufzen.
„Agent Crivaro hat gerade angerufen“, sagte sie. „Er will, dass ich mit ihm an einem Fall in Tennessee arbeite. Ich mache mich jetzt auf, um noch einen Zug nach Quantico zu erwischen.“
Ein angespanntes Schweigen hing in der Leitung.
„Riley, ich kann nicht sagen, dass mir das gef?llt“, sagte Ryan. „Bist du bereit wieder zur Arbeit zu gehen? Du warst gestern ziemlich fertig. Und au?erdem...“
Es folgte erneutes Schweigen.
Dann sagte Ryan: „Riley, wir brauchen das. Einen romantischen Abend zu zweit, meine ich. Es ist schon lange her, dass wir... du wei?t schon.“
Es dauerte einen Moment, bis Riley verstand, was er meinte.
Dann begriff sie: Oh mein Gott. Er spricht von Sex.
Wir lange war es her, dass sie Liebe gemacht hatten? Sie wusste es nicht und begriff, dass sie in letzter Zeit ?berhaupt nicht daran gedacht hatte. Zwischen den zwei F?llen, an denen sie diesen Monat bereits gearbeitet hatte, war sie ersch?pft gewesen. Und dazu kam noch, dass sie sich auf den bevorstehenden Mullins Prozess vorbereitete.
Sie sagte: „Ich mache das wieder gut, versprochen.“
„Riley, darum geht es nicht. Du hast das beschlossen, ohne mit mir zu sprechen.“
Riley versp?rte einen Stich von Wut.
Werde ich Ryan jedes Mal zu Rate ziehen m?ssen, wenn ich einen neuen Fall annehme?
Aber das letzte was sie wollte, war mit ihm in diesem Moment dar?ber zu streiten. Sie hatte einfach keine Zeit daf?r.
Sie sagte: „Es tut mir leid. Wirklich. Wir reden dar?ber, wenn ich nach Hause komme.“
„Ich m?chte nicht, dass du fliegst“, sagte Ryan mit flehender Stimme.
„Ich muss hinfliegen“, sagte Riley. „Es ist mein Job.“
„Aber –– “
„Tsch?ss, Ryan. Ich muss den Zug erwischen. Ich liebe dich.“
Sie legte auf und sackte mit einem verzweifelten Seufzen zusammen.
Soll ich Crivaro zur?ckrufen? fragte sie sich.
Soll ich ihm sagen, ich kann den Fall doch nicht ?bernehmen?
Crivaro w?rde es sicherlich verstehen. Er hatte ihr das ja bereits so gesagt.
Doch dann sp?rte Riley eine Welle des Grolls in sich aufkommen. Ryan hatte kein Recht sie so unter Druck zu setzen, besonders nicht nach dem, was gestern passiert war. Sie hatte einen Job zu erledigen und sie konnte Ryan nicht f?r den Rest ihres Lebens um Erlaubnis bitten, ihn zu machen.
Sie eilte ins Schlafzimmer, holte ihre Reisetasche und verlie? die Wohnung, um den Zug zu bekommen.
KAPITEL F?NF
Das Leben begann sich f?r Riley wie ein einziger langer Flug mit Jake Crivaro anzuf?hlen. Gerade erst gestern Abend waren sie aus New York zur?ckgeflogen. Nun waren sie erneut im FBI Jet, auf dem Weg ins westliche Tennessee.
Es ist fast so, als w?re ich gar nicht zuhause gewesen, dachte sie.
Auf eine gewisse Art und Weise w?nschte sie, dass es so gewesen w?re. Es w?re sch?n, glauben zu k?nnen, dass ihr Streit mit Ryan am Telefon heute morgen ein blo?er Traum gewesen war, dass alles gut war zwischen ihnen.
Leider wusste sie, dass all das wirklich geschehen war.
Und nat?rlich ging das auch die schrecklichen Ereignisse des gestrigen Tages an.
Mein ganzes Leben f?hlt sich gerade wie ein b?ser Traum an, dachte sie. Wie ein Albtraum von endlosen Fl?gen, Gefahren und pl?tzlichem Tod.
Sie sch?ttelte ihre d?steren Gedanken ab und schaute zu Crivaro. Er sa? neben ihr und schaute einige handschriftliche Notizen durch, die er zum bevorstehenden Fall gemacht hatte.