„Es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, denke ich“, sagte sie.
Riley versp?rte einen besorgten Stich. sie wusste, dass Frankie sechs Monate als verdeckte Ermittlerin in der Drogenfahndung gearbeitet hatte, bevor sie zur Academy gegangen war. Wegen ihrer Erfahrung wurde sie nach dem Abschluss einem FBI Drogenfahndungsteam zugeteilt. Riley wusste, dass Frankie gespannt und hoffnungsvoll bei der neuen Arbeitsstelle angetreten war. Nun klang sie traurig und entt?uscht.
Als ihre Sandwiches kamen, bat Riley Frankie, ihr davon zu erz?hlen. Frankie nahm einen Schluck Kaffee und dachte nach.
Dann sagte sie: „Wei?t du, ich habe nur Eins wirklich gelernt, als ich damals als verdeckter Cop in Cincinnati gearbeitet hatte. Ich habe begriffen, dass der ganze ‚Krieg gegen Drogen‘ ein absoluter Quatsch ist. Es ist ein Krieg, der nicht gewonnen werden kann. Das wahre Problem ist, dass es da drau?en sehr viel Leid gibt, und sehr viele ungl?ckliche Menschen. Sie wegzusperren reicht nicht, um an die Wurzel des Problems ranzukommen. Und ich nehme an, ich...“
Frankie verstummte f?r einen Moment.
Dann sagte sie: „Naja, ich habe gedacht, ich kann einen Unterschied machen, wenn ich beim FBI arbeite. Ich habe gedacht, ich kann ?ndern, wie man die Dinge angeht. Aber das klappt nicht wirklich. Es ist immer das gleiche, genau wie in Cincinnati. Der einzige Unterschied ist, dass ich jetzt nicht mehr verdeckt arbeite. Aber ich bin immer noch in dieselben Vorg?nge eingebunden und ich kann ?berhaupt nichts ver?ndern. Ich f?hle mich wie ein naives Dummchen daf?r, dass ich gedacht habe, dass ich irgendetwas ?ndern k?nnte.“
Riley lehnte sich zu ihrer Freundin ?ber den Tisch und sagte: „Frankie, lass dir ein wenig Zeit. Du f?ngst gerade erst an. Sei geduldig.“
Frankie schnaubte. „Tja, naja, Geduld ist nicht wirklich eine meiner St?rken. Und ist ja auch egal, mein Problem scheint ziemlich trivial im Gegensatz zu dem, was du gestern durchmachen musstest. Crivaro klang wirklich besorgt am Telefon. M?chtest du dar?ber sprechen? M?chtest du mir erz?hlen, was passiert ist?“
Riley z?gerte einen Moment lang. Dann dachte sie aber, dass dar?ber zu sprechen einer er Gr?nde f?r dieses Treffen gewesen war. Als sie begann Frankie von allem zu erz?hlen, was gestern vorgefallen war, sp?rte sie einen Klo? im Hals.
Fang nicht wieder an zu weinen, dachte sie.
Sie schaffte es, ihre Tr?nen zur?ckzuhalten, als sie den Moment beschrieb, in dem sie Heidi Wright get?tet hatte.
Dann sagte sie: „Frankie, sie war blo? ein Kind –– f?nfzehn Jahre alt. Es war nicht ihre Schuld, dass sie so ein mieses Leben hatte. Sie hatte gar keine guten Wahlm?glichkeiten. Sie war verzweifelt. Sie hat jemanden gebraucht, der ihr ein gutes Zuhause gegeben h?tte und etwas F?hrung und etwas Liebe. Sie hat es nicht verdient, so zu sterben.“
Frankies Miene war nun besorgt.
„Ich nehme an, dass ich das Offensichtliche nicht erkl?ren muss“, sagte Frankie.
Riley nickte und sagte: „Ich wei?, ich wei?. Ich hatte keine Wahl. Es war ihr Leben oder meins.“
„Und dein Leben ist wichtig, Riley“, sagte Frankie. „Es ist sehr wichtig.“
Riley musste sich nun doch eine Tr?ne aus dem Gesicht wischen.
„Ich habe das Gef?hl, dass nichts jemals wieder so sein wird, wie vorher“, sagte sie.
Frankie legte ihren Kopf schief und sagte: „Naja, ich musste noch nie jemanden erschie?en, aber... Ich wei? wie es ist etwas zu tun, was dich wirklich ver?ndert. Ich war auch schon mal an diesem Punkt. Ich kann es verstehen.“
Riley wusste, auf welches schreckliche Ereignis Frankie hindeutete. Damals, als sie als verdeckte Ermittlerin in Cincinnati gearbeitete hatte, hatte ein Drogendealer Frankie mit einem Messer bedroht und sie gezwungen, sich Heroin zu spritzen. Sie hatte keine Wahl gehabt.
Riley erinnerte sich daran, was Frankie ihr von der ?berw?ltigenden Euphorie erz?hlt hatte, die sie damals erlebt hatte.
„Wenn ich in diesem Moment gestorben w?re, w?re ich gl?cklich gestorben.“
Das war das Ereignis gewesen, dass Frankie davon ?berzeugt hatte, dass der „Krieg gegen Drogen“ sinnlos war. Riley wusste, dass Frankie mit diesem Erlebnis f?r den Rest ihres Lebens zu k?mpfen haben w?rde. Bis jetzt hatte sie sich nicht vorstellen k?nnen, wie sich das f?r sie anf?hlte.
Vielleicht kann ich es jetzt verstehen, dachte sie sich.
Riley nahm einen Bissen von ihrem Sandwich und ?berlegte einen Moment lang.
Dann sagte sie: „Hier ist das komische daran, Frankie. Vor ungef?hr zwei Wochen wollte ich wirklich jemanden t?ten. Es hat mich meine gesamte Selbstkontrolle gekostet, es nicht zu tun.“
„Was ist passiert?“, fragte Frankie.
Riley sagte: „Vielleicht hast du von diesem Fall geh?rt, an dem Crivaro und ich in Maryland gearbeitet hatten.“
„Ja, das war abscheulich“, sagte Frankie. „Der Name des M?rders ist Mullins, oder?“
Riley nickte. „Ja, Larry Mullins. Er wurde eingestellt, um sich um zwei kleine Kinder zu k?mmern, die er beide umbrachte –– er erw?rgte sie auf zwei verschiedenen Spielpl?tzen.“
Dann st?hnte sie leicht und f?gte hinzu: „Nat?rlich wurde Mullins noch nicht verurteilt. Das Datum f?r den Prozess wurde noch nicht einmal bestimmt und die Beweislage gegen ihn ist immer noch d?rftig. Aber Crivaro und ich wissen, dass er es war –– genauso wie die Eltern der Kinder.“
Riley hielt einen Moment lang inne, da sie die Erinnerung f?rchtete, um die es ging.
„Mullins ist ein s?ffisantes Arschloch“, sagte sie. „Er ist durchtr?nkt von diesem Anschein kindlicher Unschuld, was auch der Grund war, wieso die Eltern der Kinder ihm vertraut hatten. Ich hasste ihn abgr?ndig, ab dem Moment, in dem Crivaro und ich ihn erwischt hatten. Er grinste mich an und gab mit seinem Blick praktisch zu, dass er schuldig war. Aber er wusste auch verdammt gut, dass es f?r uns schwierig sein w?rde ihm das nachzuweisen.“
Riley trommelte mit den Fingern unruhig auf dem Tisch.
Sie sagte: „Und genau in dem Moment, als ich ihm die Handschellen anlegte und ihm seine Rechte las, grinste er mich wieder an und sagte zu mir: ‚Viel Gl?ck‘.“
Frankie japste leicht.
Riley fuhr fort: „Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie w?tend mich das gemacht hat. Ich wollte ihn wirklich umbringen. Ich glaube ich habe tats?chlich nach meiner Glock gegriffen. Crivaro hat meine Schulter ber?hrt und mich warnend angeblickt. Wenn es nicht Crivaro gewesen w?re, h?tte ich Mullins wom?glich an Ort und Stelle erschossen.“
„Es ist gut, dass du es nicht getan hast“, sagte Frankie.
„Vielleicht stimmt das“, sagte Riley. „Aber ich kann nicht anders, als mich zu fragen –– was, wenn Mullins der erste Mensch gewesen w?re, den ich get?tet h?tte. Ich w?rde mich sicherlich nicht so schlecht f?hlen wie jetzt. Vielleicht h?tte ich sogar ?berhaupt keine Probleme damit. Stattdessen habe ich ein dummes, armes Kind erschossen, das nie eine Chance im Leben gehabt hatte. Es ist einfach…“
Riley schluckte eine schmerzhafte Wut und Bitternis hinunter.
„Es ist einfach unfair“, sagte sie.
Riley und Frankie a?en einige Momente schweigend weiter.
Endlich sagte Frankie in einem vorsichtigen Ton: „Wei?t du, du wirst wahrscheinlich denken, dass ich verr?ckt bin, wenn ich das sage, aber… vielleicht ist es f?r uns beide besser, dass die Dinge uns auf genau diese Art und Weise widerfahren sind.“
Riley machte gro?e Augen.
„Wie meinst du das?“, fragte sie.
Frankie zuckte mit den Schultern und sagte: „Naja, w?re ich nicht gezwungen gewesen mir damals Heroin zu spritzen, h?tte ich nie begriffen, wie dumm der Krieg gegen Drogen wirklich ist. Und wenn du die M?glichkeit gehabt h?ttest Larry Mullins zu erschie?en, h?ttest du es vielleicht auch in Zukunft einfach gefunden, deine t?dliche Gewalt anzuwenden –– zu einfach.“
Frankie verstummte und wischte sich eine Tr?ne aus dem Auge.
„Ich wei?, dass wir beide leiden, Riley“, sagte sie. „Aber ich glaube es ist besser zu leiden, als vor Schmerz hart zu werden. Zumindest waren wir in der Lage unsere Menschlichkeit, unsere Verletzlichkeit zu bewahren, all die Dinge, die das Beste in uns ausmachen. Viele Menschen in unserem Job schaffen das nicht.“
Riley nickte langsam. Sie wusste, dass Frankie genau das sagte, was sie gerade h?ren musste. Sie begriff, dass sie wirklich Gl?ck hatte, dass sie heute Frankies Anteilnahme hatte. Das hier war besser als jegliche Therapie, auf die sie hoffen konnte.
Eine Weile lang a?en sie schweigend.